Kölner Impfarzt„Auch Kinder können schwer erkranken, auch Kinder können sterben“

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Zastrow

Jürgen Zastrow, HNO-Arzt und Leiter des Kölner Impfzentrums

Köln – Herr Dr. Zastrow, die Stadt Köln plante ein Modellprojekt, nach dem nur noch positiv getestete Kinder in Quarantäne müssen. Direkte Sitznachbarn sollen täglich einen gepoolten PCR-Test machen, dürfen aber weiter zur Schule. Für wie medizinisch sinnvoll halten Sie dieses Konzept?

Jürgen Zastrow: Da schlagen bei mir zwei Herzen in der Brust. Als Mediziner würde ich sagen: Natürlich müssen die Kontaktpersonen isoliert werden. Als Vater würde ich sagen: Natürlich sollen die Kinder in der Schule bleiben, zur Ruhe kommen und etwas lernen. Ein pragmatischer Weg wäre sicherlich die Risikominimierung durch Sitzabstände, Masken, Tests und Raumhygiene. Es ist immer die Balance zwischen Freiheit und Risikoabwehr. Für am sinnvollsten halte ich es, die Menschen zu impfen. Studien von Biontech zu Corona-Impfungen bei unter 12-Jährigen, die eine niedrigere Dosis verabreicht bekommen, sind schon sehr weit. Eine Zulassungsbeantragung wird noch in diesem Jahr erwartet.

Reichen die Testkapazitäten in den Laboren überhaupt für so engmaschige Tests aus? Schließlich sind jetzt schon 873 Schülerinnen und Schüler in Köln infiziert, dazu 102 Kita-Kinder.

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Wir haben zeitweise noch viel mehr getestet, durch die Impfungen wurde das schon viel weniger. Nach meiner heutigen Einschätzung sollten wir das hinkriegen.

Jürgen Zastrow, Arzt

Experte-Zastrow

Jürgen Zastrow ist Vorsitzender der Kreisstelle Köln der Kassenärztlichen Vereinigung und leitender Impfarzt in Köln.

Der Landtag diskutierte am Donnerstag auch über die Quarantäne-Regelungen in Kitas. Momentan müssen Kita-Kinder noch für 14 Tage in Quarantäne, wenn sie mit einem infizierten Kind Kontakt hatten. Der Virologe Christian Drosten schlug vor, die Quarantäne bei beispielsweise Lerngruppen auf fünf Tage zu beschränken. Was halten Sie von diesem Konzept für Kitas?

Ich würde es guthalten, die Quarantäne-Regelungen für Kinder auf das absolut notwendige zu verkürzen. Das ist allerdings auch eine Frage der Verwaltung: Die hinkt der wissenschaftlichen Lage häufig hinterher.

Wo wir schon bei Verwaltung sind: Auch eine Vereinheitlichung des Kölner Modells für ganz NRW steht derzeit im Raum. Wie wichtig finden sie landesweit einheitliche Corona-Regeln?

Regeln sind da wichtig, wo sie helfen. In Wuppertal, in Leverkusen und in Köln haben wir zum Beispiel Inzidenzen, die weit über dem Durchschnitt des Landes liegen. Deshalb bin ich sehr für kommunale Lösungsansätze und individuelle Entscheidungen vor Ort. Ansätze wie die Frage, ob eine Quarantäne fünf oder 14 Tage dauern sollte, sind dagegen Sache des Landes.

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Wie gefährlich ist Ihrer Einschätzung nach Covid-19 für Kinder und Jugendliche?

Man tut oft so, als ob Kindern nichts passieren könnte. Auch wenn Viruserkrankungen und schwere Verläufe bei Kindern seltener sind, kommen sie doch vor. Auch Kinder erkranken, auch Kinder können schwer erkranken, auch Kinder können sterben. Es passiert. Viel seltener, keine Frage. Aber nur, weil dies seltener ist: Wollen wir das hinnehmen?

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