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NRW15-Jähriger stirbt möglicherweise an Scharlach – Sorge wegen fehlender Antibiotika

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Streptokokken unter dem Elektronenmikroskop

Streptokokken unter dem Elektronenmikroskop

In Münster gibt es den Verdacht, ein Jugendlicher könnte an einer Scharlach-Infektion gestorben sein. Nun schlagen Kinderärzte Alarm.

In Münster ist vor wenigen Tagen ein 15-jähriger Junge gestorben. Es steht der Verdacht im Raum, dass die Todesursache des Jugendlichen Scharlach sein könnte. Davon geht zumindest der Sprecher des örtlichen Kinder- und Jugendärztenetzes, Pedro Andreo Garcia, aus, wie die „Westfälischen Nachrichten“ berichten. Garcia sagt, der junge Patient sei an einer foudroyanten, also einer rasend schnell verlaufenden Streptokokken-Sepsis verstorben.

Der Arzt hatte dem Bericht zufolge bereits Tage zuvor beklagt, dass Testungen auf Streptokokken nur ungenügend zur Verfügung stehen würden. Vor allem aber stünden nicht ausreichend Antibiotika, vor allem Penizillin, zur Behandlung zur Verfügung. Die Situation sei besorgniserregend.

Garcia wiederholte seine Vorwürfe am Montag auch gegenüber dem WDR. Die Betroffenheit über den Todesfall sei sehr groß unter den Kollegen. Es herrsche aber auch Empörung bei den Ärzten, die insbesondere Kindern nicht im Rahmen der eigentlich erforderlichen medizinischen Möglichkeiten helfen könnten.

Scharlach-Welle rollt über Deutschland

Fakt ist: Derzeit rollt eine Scharlach-Welle über Deutschland hinweg – und nicht nur über Deutschland. Wie das Robert Koch-Institut bereits Anfang Januar in seinem Bulletin berichtete, registrierte die Weltgesundheitsorganisation WHO bereits Mitte Dezember eine steigende Anzahl von Streptokokken-Infektionen mit teilweise tödlichem Verlauf, die für die klassische Kinderkrankheit Scharlach verantwortlich sind. Betroffen waren zu diesem Zeitpunkt Frankreich, Irland, die Niederlande, Schweden und Großbritannien und vor allem Kinder unter zehn Jahren. 

Für Deutschland heißt es in dem Bericht, auch hierzulande sei im 4. Quartal „ein für die Jahreszeit ungewöhnlich steiler Anstieg von invasiven und nichtinvasiven Gruppe-A-Streptokokken-Nachweisen aus Arztpraxen und Krankenhäusern zu verzeichnen“. Es seien allerdings in Deutschland nicht überproportional schwere Verläufe zu beobachten.

Allerdings beklagen die Kinderärzte inzwischen eine Scharlach-Welle, die über das Münsterland hinwegrollt. Jugendmediziner Garcia sagte Anfang Februar, dass rund 30 Prozent der derzeitigen Diagnosen Scharlach sei. Neben Scharlach gebe es verbreitet auch Bronchitis und Lungenentzündungen. 

Teilweise dramatisch war die Lage im November und Anfang Dezember vergangenen Jahres in deutschen Kinderkrankenhäusern – vor allem wegen des grassierenden RS-Virus, in Verbindung mit Personalmangel. Auch in Köln hatten Patienten abgewiesen werden müssen. Bisher ist hier allerdings noch nichts von einer Scharlach-Welle bekannt.

Scharlach-Welle und Antibiotika-Engpässe fallen zusammen

Wird Scharlach nicht behandelt, kann es zu Komplikationen kommen. Ein klassisches Medikament gegen die Krankheit ist Penizillin. Allerdings herrschen bereits seit Monaten in Deutschland Engpässe bei bestimmten Medikamenten. Betroffen waren Fieber- und Schmerzsäfte speziell für Kinder, die Ende vergangenen Jahres knapp wurden und auch im neuen Jahr für Eltern oft nicht zu bekommen sind. Einige Antibiotika sind ebenfalls nur schwer lieferbar. In Münster sei Penizillin schwierig zu erhalten, heißt es. Die Gründe sind vielfältig: Deutschland machte sich von wenigen Herstellern in Fernost abhängig, zudem werde zu wenig gezahlt und teilweise horteten manche Großhändler auch zu viel Medikamente, heißt es.

Der WDR beruft sich auf Aussagen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, nach denen Ende Januar bei den antibiotischen Kinderarzneimitteln Lieferengpässe für 14 Wirkstoffe bestanden. Zwar könnten Kinder- und Jugendärzte auf andere Antibiotika ausweichen, die dann allerdings oft nicht genauso gut wirkten oder unerwünschte Nebenwirkungen hätten. Laut Apothekerverband Nordrhein ist derzeit fast jedes zweite Rezept von Lieferengpässen betroffen, heißt es.

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