Sogar Tiere kennen das GefühlWie viel Eifersucht ist normal, wann wird es krankhaft?

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Wem schreibt er denn da? Nicht immer ist Eifersucht begründet. 

Frau van Santen, wie sind Sie zur Expertin für Eifersucht geworden?

Daniela van Santen: In meiner Praxis beschäftige ich mich im zwölften Jahr beruflich mit Liebeskummer und Beziehungsproblemen. Da war natürlich auch krankhafte Eifersucht immer mal wieder ein Thema. Ich habe eigentlich auf alles eine Antwort, aber bei der krankhaften Eifersucht kam ich oft nicht weiter. Obwohl sie sehr verbreitet ist, gibt es dazu nur unzureichend Fachliteratur. Ich habe mich auf die Suche nach einer Lösung gemacht und bin auf die Eifersuchtssprechstunde von Dr. Harald Oberbauer in der Allgemeinen Psychiatrischen Ambulanz der Universitätskliniken Innsbruck gestoßen. Er gilt als der „Eifersuchtspapst", beschäftigt sich seit 1999 intensiv mit dem Thema. Mit ihm habe ich gemeinsam einige Tage lang seine Patienten betreut, dabei extrem viel gelernt und Antworten gefunden. Das war ein erfolgreicher Ansatz, er als Mediziner und ich als Coach. Kurz danach habe ich in Deutschland die Eifersuchtssprechstunde ins Leben gerufen.

Wie gehen Sie vor, wenn jemand mit Eifersuchtsproblemen zu Ihnen kommt?

In der ersten Sitzung lasse ich mir von den vorherigen Beziehungen erzählen und ausführlich von der aktuellen. Ich frage nach, ob es auch früher Eifersucht gab. So mache ich mir ein genaues Bild vom Klienten und seiner Situation und finde dabei heraus, um welche Form der Eifersucht es sich überhaupt handelt.

Zur Person

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Daniela van Santen hat sich als Coach auf Eifersucht und Liebeskummer spezialisiert. 

Foto: Petra Wedler

Daniela van Santen hat vor elf Jahren in Hamburg „Die Liebeskummerpraxis“ gegründet und arbeitet als Personal Coach bei Eifersucht, Trennung und beruflichen und Beziehungs-Problemen. Sie bietet auch Telefoncoaching an.

www.liebeskummer-hamburg.de

Welche Formen der Eifersucht gibt es denn?

Die erste Form ist die reaktive Eifersucht, die ganz normal und gesund ist und die die meisten Menschen kennen. Sogar Babys und Tiere kennen dieses Gefühl, das entsteht, wenn man sich in seinem Status bedroht fühlt. Das kann zum Beispiel passieren, wenn der Partner mit einer attraktiven anderen Person flirtet oder intime Nachrichten austauscht. Es wäre sehr merkwürdig, wenn man seinen Partner liebt und dann nicht eifersüchtig werden würde. Menschen, die in Swinger-Clubs gehen, spielen mit diesem Gefühl, dem Reiz, und versuchen es zu kontrollieren. Die zweite Form ist die krankhafte Eifersucht, die nicht begründet ist und allein der Fantasie entspringt. Dazu zählt zum Beispiel das Rebecca-Syndrom, bei dem man eifersüchtig auf den ehemaligen Partner ist. Mit diesen Menschen arbeite ich in meiner Praxis. Die dritte Form ist der Eifersuchtswahn. Der ist pathologisch begründet und muss medizinisch behandelt werden.

Ist es für Sie schwierig zu erkennen, ob die Eifersucht begründet ist?

Zu mir wurden schon oft Klienten von ihrem Partner geschickt, der ihnen vorwarf, krankhaft eifersüchtig zu sein.  Es ist häufig passiert, dass ich im Gespräch herausgefunden habe, dass das nicht stimmt. Es gab sehr wohl einen Grund für die Eifersucht, sie war also reaktiv. Anders ist das bei der krankhaften Eifersucht, sie ist immer unbegründet. Es gibt in der Realität keinen Grund für dieses Gefühl, der Partner ist treu. Sie zeigt sich zum Beispiel im Nachspionieren und Lesen von Nachrichten, ständiger Kontrolle und Vorwürfen. Betroffene steigern sich oft bis zur Eskalation in dieses Gefühl hinein. 

Kommen mehr Männer oder mehr Frauen zu Ihnen?

Freiwillig und aktiv kommen mehr Frauen, bei Männern ist das Schamgefühl oft zu hoch. Sie kommen erst dann, wenn die Frauen sie zu mir schicken, um die Beziehung zu retten. Das macht allerdings meist wenig Sinn. Man kann niemanden zu solchen Gesprächen zwingen. Auch, wenn mehr Frauen kommen, betrifft Eifersucht beide Geschlechter gleichermaßen. Leider kommen meine Klienten oft viel zu spät, wenn schon viel böses Blut geflossen ist und die Beziehung schon fast zerstört ist. Sie schämen sich dafür, eifersüchtig zu sein oder wollen es ist nicht wahrhaben. Das ist schade, denn in den meisten Fällen könnte man zu einem frühen Zeitpunkt gut einhaken. Dann sind die Wunden noch nicht so tief. Auf Dauer wird jede Beziehung scheitern, wenn einer von beiden krankhaft eifersüchtig ist.

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Welche Menschen sind besonders eifersüchtig und warum?

Die wichtigsten Ursachen sind Verlustängste, Selbstzweifel und ein zu geringes Selbstwertgefühl. Bei manchen hat es körperliche Gründe wie Depressionen, Psychosen oder Angsterkrankungen. Aber auch Alkoholsucht oder geringgradige Impotenz können Eifersucht begünstigen, ebenso ungleiche Paarkonstellationen – einer ist gebildeter oder attraktiver als der andere – ein großer Altersunterschied oder pures Besitzdenken. Auch das Träumen von jemand anderem oder latente Homosexualität können Gründe sein: Wenn jemand in seinen geheimen Träumen an jemand ganz anderen denkt, kann es sein, dass man dem Partner automatisch das gleiche unterstellt.

Wie lässt sich Eifersucht behandeln?

Bei mir geht es darum, das geringe Selbstwertgefühl zu steigern und die Verlustängste zu überwinden. Das funktioniert bei jedem Klienten anders. Wir suchen nach einer Möglichkeit, um so schnell wie möglich aus dem Eifersuchtsstrudel herauszufinden und den Rausch bereits in den Anfängen zu lenken. Ich finde heraus, was die Person eigentlich in dem Moment braucht, in dem die Eifersucht in Form eines Rausches ausbricht. Würden Nähe und eine Umarmung beruhigen? Oder wäre Distanz besser? Auf jeden Fall sollte dazu der Partner mit eingebunden werden, damit er abfedern und helfen kann. Beschimpfen und Distanz schaffen ist das Schlimmste, was man in dieser Situation machen kann. Meistens bleibt ein Satz, den wir beschließen, den der Partner dann mit ruhiger Stimme wiederholt – entweder mit Umarmung oder nicht. Das kann helfen, sich nicht in das schlimme Gefühl hineinzusteigern.

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