Studie zum Sex-Leben der DeutschenVon wegen Jüngere haben am häufigsten Sex

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Symbolbild Sex

Jüngere haben am häufigsten Sex? Laut einer aktuellen Studie ist das nicht ganz der Fall.

  • Sex dient nicht nur der Fortpflanzung. Sondern auch dem Vergnügen. Und sogar der Gesundheit?
  • Mit einer Studie zum Thema „Gesundheit, sexuelle Aktivität und sexuelle Zufriedenheit“ wurde das nun überprüft.
  • Ein Forscherteam um den Sexualwissenschaftler Peer Briken hat knapp 5000 Frauen und Männer befragt. Und ist dabei auf teils erstaunliche Antworten gestoßen.

Hamburg – Spätestens seit der sexuellen Revolution in den 1960ern scheint gewiss: Sex dient nicht nur der Fortpflanzung, sondern auch dem Vergnügen. Und der Gesundheit. Doch ist das wirklich so? Eine aktuelle Studie gibt Antworten auf diese Frage – und offenbart überdies noch weitere Details zum Liebesleben hierzulande.

Ein Forscherteam um den Sexualwissenschaftler Peer Briken vom Uni-Klinikum Hamburg-Eppendorf hat knapp 5000 Männer und Frauen zwischen 18 und 75 Jahren zu deren Sexualleben interviewt. In der Auswertung ging es zunächst um das Thema „Gesundheit, sexuelle Aktivität und sexuelle Zufriedenheit“, und in diesem Zusammenhang wurden die Studienteilnehmer auch danach gefragt, ob sie in den letzten vier Wochen vor dem Interview sexuell aktiv waren. Und bereits da deutete sich etwas an, das so gar nicht zur sexuellen Befreiung unseres Zeitalters passen will. Denn nur 70 Prozent der Männer und 60 Prozent der Frauen antworteten hier mit einem „Ja“. Heißt: Rund jeder Dritte hatte schon einen Monat keinen Sex mehr gehabt.

Junge leben enthaltsamer

Mindestens genauso bemerkenswert: Es sind nicht zuletzt die Jüngeren, unter denen Enthaltsamkeit herrscht. Bei den 18- bis 25-jährigen Männern etwa berichteten nur knapp 65 Prozent von sexuellen Aktivitäten im letzten Monat. Das sind drei Prozent weniger als bei den 56- bis 65-jährigen, und nur 14 Prozent mehr als bei den 66- bis 75-jährigen Männern. Bei den 66- bis 75-jährigen Frauen hingegen liegt die sexaktive Quote gerade noch bei 26 Prozent.

Weiterer Befund der Forscher: Die sexuellen Aktivitäten gehen deutlich zurück, wenn es mit der Gesundheit bergab geht. Laut Studie schlagen beim Mann vor allem Prostataoperationen und psychische Erkrankungen aufs Liebesleben. Frauen hingegen werden vor allem durch Bauchoperationen, starkes Übergewicht und neurologische Erkrankungen eingeschränkt. Dafür erwacht ihre sexuelle Aktivität, sofern sie rauchen und überdurchschnittlich viel Alkohol konsumieren. Letzteres dürfte daran liegen, dass Alkohol enthemmt. Auch dass Nikotin die Ausschüttung luststeigernder Hormone mobilisiert, ist bekannt.

Singles sind unzufriedener mit ihrem Sexualleben

Zudem fanden die Forscher um Briken heraus, dass wer wenig bis keinen Sex hat, unzufrieden mit seinem Sexleben ist. „Im Umkehrschluss ist aber sexuelle Aktivität keine Garantie dafür, auch sexuell zufrieden zu sein“, so die Forscher. So sind etwa sexuell aktive Singles mit ihrem Liebesleben deutlich unzufriedener als jemand, der in fester Partnerschaft lebt. Was die These bestätigt, dass der Spaß im Bett zunimmt, sofern sich die Beteiligten besser kennengelernt haben. Zu gut sollten sie sich aber auch nicht kennen. Denn, so die Forscher weiter, „in festen Partnerschaften nimmt die sexuelle Zufriedenheit mit zunehmender Beziehungsdauer ab.“

Ein weiterer Schwerpunkt der Studie bildete das Thema „Sexuelle Dysfunktionen“. Demnach haben schon ein Drittel der Männer und mehr als die Hälfte aller Frauen mit nachlassender Libido zu tun gehabt. „Bei Männern steigt mit zunehmendem Alter der Anteil derer, die ein reduziertes Verlangen als stark beeinträchtigend empfinden“, so die Studienautoren. „Bei Frauen ist das Gegenteil der Fall.“ Sie fühlen sich im Alter durch das Abebben des Sexualtriebes eher erlöst. Vielleicht kommt dieser unbeschwerte Umgang mit dem Libidoverlust auch daher, dass Frauen den Sex oft als unangenehm empfinden und sie nicht gerade selbstverständlich zum Höhepunkt kommen.

Schmerzen und Orgasmusprobleme sind keine Seltenheit

So berichten über 16 Prozent der jungen Frauen von Schmerzen beim Sex, und bei Orgasmusproblemen ist die Quote mit rund 40 Prozent noch höher. Männern hingegen sind Schmerzen beim Sex nahezu unbekannt, und in vier von fünf Fällen kann er sich auch auf seinen Orgasmus verlassen. Frauen können sich demgegenüber darauf verlassen, dass sich ihre Höhepunktsorgen irgendwann einmal legen werden. Denn sie sind typisch für die Jugend, während 66- bis 75-jährige wieder recht zuverlässig zum Orgasmus kommen. Insgesamt kann sich also das weibliche Geschlecht darauf freuen, dass der Sex im Alter zwar seltener, dafür aber euphorischer wird.

Die GeSiD-Studie

Die GeSiD („Gesundheit und Sexualität in Deutschland“)-Studie hat das Ziel, repräsentative Daten der Bevölkerung für die Zusammenhänge zwischen Sexualität und Gesundheit zu schaffen. Obwohl die Existenz dieser Zusammenhänge unbestritten sind, erfahren sie in Deutschland bishernur wenig Beachtung. Die Studie wird gefördert durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Die Studie machte auch deutlich, dass die meisten Deutschen sexuell übertragbare Infektionen wie HIV/AIDS kennen (71,1 Prozent), gefolgt von Tripper (38,6 Prozent) und Syphilis (31,9 Prozent). Nur jeder Zehnte kennt Chlamydien, genitalen Herpes oder Genitalwarzen, obwohl sie teilweise häufiger vorkommen. „Hier ist der Aufklärungsbedarf noch sehr hoch“, sagte Prof. Heidrun Thaiss, Leiterin der BZgA.

Ganz anders beim Mann: Jenseits des 55.Lebensjahres berichtet jeder fünfte Mann über Erektionsprobleme, ab 66 ist es sogar jeder dritte. Mehr als die Hälfte der Betroffenen fühlt sich dadurch deutlich beeinträchtigt, aber zum Arzt gehen nur wenige.

Tröstlich immerhin: Beim frühzeitigen Samenerguss verläuft die Alterskurve in umgekehrter Richtung. Er betrifft etwa acht Prozent der jungen Männer, aber nur knapp zwei Prozent der Betagten.

Sexualität als Ressource

„Mit unserer Studie gibt es endlich auch für Deutschland eine umfassende Untersuchung zur Sexualität“, betonte Studienleiter Peer Briken, Direktor des Instituts für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie des UKE. „Wir haben eine Vielzahl bedeutsamer Daten erhoben, die wir in den nächsten Monaten weiter auswerten und mit den Daten aus anderen Ländern in Beziehung setzen können.“

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Dabei würde Sexualität in ihrer Komplexität und ihren verschiedenen Facetten nicht nur im Hinblick auf Probleme, sondern auch im Hinblick auf Ressourcen betrachtet. „Dieses Wissen sollte nun in den alltäglichen Umgang mit sexueller Gesundheit, gerade auch im Bereich der Medizin, einfließen.“

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