USA kaufen Remdesivir-Produktionen auf„Das widerspricht allen ethischen Grundsätzen“

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Der Preis für Remdesivir-Behandlungen wurde von Gilead auf über 2000 Dollar gesetzt. Nicht jeder Corona-Patient in den USA wird sich das Medikament leisten können.

  • Remdesivir ist das erste Medikament, dem eine Wirkung gegen Covid-19 nachgewiesen wurde.
  • Nun kauft die amerikanische Regierung offenbar fast alle Remdesivir-Produktionen, die bis Ende August hergestellt werden. Außerdem soll eine Behandlung über 2000 Dollar kosten.
  • Der Kölner Infektiologe Gerd Fätkenheuer, der maßgeblich an der Studie zu Remdesivir beteiligt war, hat für beides kein Verständnis – und sieht mögliche Folgeprobleme.

Die amerikanische Regierung hat sich offenbar weite Teile der Remdesivir-Produktionen der kommenden Monate gesichert. Ist das im Sinne der Forschung? Nein, ich sehe das natürlich sehr kritisch. Man kann es aus meiner Sicht nur so sehen. Es ist die Formel „America first“, die nun auch im Gesundheitsbereich Anwendung findet. Spätestens hier allerdings widerspricht die Formel allen ethischen Grundsätzen. Andererseits gibt es in den USA den größten Behandlungsbedarf.

Stimmt, das Argument greift allerdings zu kurz. Weltweit gesehen machen die amerikanischen Patienten alleine nicht die Mehrheit aus. Dass sich Amerika nun 500.000 Behandlungen auf einen Schlag sichern möchte, ist absurd. Zweitens ist die Situation in den USA zu großen Teilen darauf zurückzuführen, dass man Maßnahmen, die erwiesenermaßen gegen die Ausbreitung des Virus wirken, nicht konsequent genug und nicht flächendeckend ergriffen hat. Wir sprechen hier von einer Naturkatastrophe, deren Ausmaß sich auch über politische Handlungen bestimmt. An dieser Stelle ist die amerikanische Regierung alles andere als führend – und insofern mit verantwortlich für die hohen Zahlen.

Spricht die Tatsache, dass die amerikanische Regierung überhaupt große Teile der Produktion abfangen kann, nicht für eine strukturelle Schieflage im globalen Gesundheitssystem?

Absolut, hier wird auch ein allgemeines Problem sichtbar: Medizinische Güter, die von Patienten auf der ganzen Welt gebraucht werden, sollten nicht exklusiv sein. Sie sind es aber nicht selten. Ebenso drückt sich an dieser Stelle eine oftmals unethische amerikanische Gesundheitspolitik, die es auch vor der Corona-Krise gab, aus.

Nun soll das Medikament 390 Euro pro Ampulle kosten, eine sechsmalige Behandlung liegt bei 2340 Euro. In Amerika kommen die Kosten auf die Patienten selbst zu. Wie kommt ein solcher Preis zustande?

Für Remdesivir kenne ich die genauen Kalkulationen nicht. Letztlich wird der Preis von der herstellenden Firma, in diesem Fall Gilead, festgelegt. Dieser Preis ergibt sich nicht nur aus den Produktions-, sondern auch aus den Entwicklungskosten. Diese liegen bei bis zu einer Milliarde Euro pro Medikament. Dann muss abgeschätzt werden, wie breit das Medikament zum Einsatz kommen wird. Das oberste Ziel von Unternehmen wie Gilead ist es, mit Medikamenten Gewinne zu machen.

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Überrascht Sie der Preis dennoch?

Ja, ich persönlich empfinde den Preis als enorm hoch. Ich würde schon erwarten, dass gesamtgesellschaftliche und ethische Gesichtspunkte bei einem Medikament wie Remdesivir eine Rolle spielen. Für die USA ist der Preis besonders bedenklich. Hier können nur Menschen behandelt werden, die sich Remdesivir leisten können. Dabei trifft die Pandemie ärmere Menschen, die auch öfter vorerkrankt sind, ohnehin in vielerlei Hinsicht am stärksten. Unter diesen Voraussetzungen sehe ich die Preisgestaltung sehr kritisch.

Sie haben die deutschen Teile der Remdesivir-Studie von Köln aus geleitet. Sind Sie als Wissenschaftler enttäuscht, wenn „ihr“ Medikament zunächst fast ausschließlich einer amerikanischen Elite zur Verfügung steht?

Als Wissenschaftler ist dieser Aspekt nicht Teil meiner Arbeit. Als solcher ist es meine Aufgabe, Medikamente wie Remdesivir zu erforschen und der Bevölkerung verfügbar zu machen. Doch ich bin ja nicht ausschließlich Wissenschaftler, sondern auch ein normaler Bürger und politischer Mensch. Als solcher empfinde ich die aktuellen Entwicklungen durchaus als sehr kritikwürdig und persönlich als enttäuschend.

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