Hitlers langer SchattenDas ist Mallorcas dunkle Nazi-Vergangenheit

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Hakenkreuz-Flaggen wehten auf Mallorca: Konsul Hans Dede 1938 als Redner bei einer Maikundgebung am Strand von Portals Nous.

Mallorca blieb von den Schrecken Nazideutschlands nicht unberührt. Hitlers langer Schatten reichte bis auf die Balearen-Insel, wie Alexander Sepasgosarian in seinem kürzlich erschienen Buch „Mallorca unterm Hakenkreuz 1933 – 1945“ deutlich macht.

Schon in den dreißiger Jahren war Mallorca bei den Deutschen sehr beliebt. „Allein in Palma, der Hauptstadt der Balearen, waren damals über 3000 Reichsangehörige gemeldet, kaum weniger als heute“, so der stellvertretende Chefredakteur des Mallorca-Magazins. „Bereits am 28. Juni 1932 gründeten Reichsangehörige einen Ableger der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) in Palma.“

Bevor Hitler Reichskanzler wurde, gab es schon einen NSDAP-Ableger auf Mallorca

Damit gründete sich der mallorquinische NSDAP-Ableger noch bevor Hitler 1933 Reichskanzler wurde. „Insgesamt verzeichnen die Parteiunterlagen der Ortsgruppe 55 Mitglieder, eine durchaus hohe Zahl, wenn in Betracht gezogen wird, dass bei Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges viele Deutsche die Insel verlassen hatten“, so der ehemalige Korrespondent der Deutschen Presseagentur. „‘Heil Hitler‘ auf der Sonneninsel, das war für nicht wenige Deutsche in jenen Jahren durchaus Programm. Die NS-Ortsgruppe existierte auf Mallorca bis zum Untergang des Dritten Reichs.“

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NSDAP-Parteitreffen mit dem deutschen Konsul Hans Dede (rechts) und Vertretern der Falange auf Mallorca: Ortsgruppenführer Walter Rup (stehend) hält das Hitler-Portrait in die Kamera.

Bei Maikundgebungen, an der deutschen Schule oder auch an deutschen Hotels wehten auch auf Mallorca die Hakenkreuz-Fahnen, wie historische Aufnahmen in dem Buch belegen. Auch der deutsche Konsul Hans Dede arbeitete den Nazis zu. „Bereits im August 1933 war Dede von seinen Vorgesetzten angewiesen worden, Berichte anzufertigen über die in seinem Bereich ‚befindlichen deutschen Emigranten, nach jüdischen und marxistischen Flüchtlingen getrennt, mit Angaben der Namen besonders tätiger Führer und deren antinationaler Betätigung“.“ In die Pässe von Juden stempelte er das rote „J“, Frauen erhielten den abwertenden Zusatznamen „Sara“, Männer den Namen „Israel“.

„Auf Mallorca waren die wenigsten Deutschen vor den Nazis sicher“

Die Verfolgung der Juden reicht schließlich bis auf die Balearen-Insel. General Franco, der seit 1936 in Spanien an der Macht war, kooperierte bekanntermaßen mit Hitler. „Auf Mallorca waren die wenigsten Deutschen vor den Nazis und ihren Helfershelfern sicher“ , schreibt Sepasgosarian. Das Buch versammelt einige Schicksale von Regime-Gegnern, Pazifisten und Juden, die sich auf Mallorca zunächst in Sicherheit vor den Nazis wähnten.

Da ist zum Beispiel die Geschichte des deutsch-jüdischen Ehepaars Heinemann, das bereits 1933 von Magdeburg nach Mallorca ausgewandert war. Doch dann drohte ihnen 1940 schließlich die Abschiebung nach Deutschland. „Ohne einen Ausweg in Sicht und unmittelbar von der Deportation nach Nazi-Deutschland bedroht, entschieden Ernst und Irene Heinemann, ihrem Leben ein Ende zu setzen.“

Suizid als Ausweg, um den Nazis zu entkommen

In dem Abschiedsbrief an ihre beiden erwachsenen Töchter schreibt Irene Heinemann: „Meine heißgeliebten Kinder. Wenn ihr diese Zeilen erhaltet, sind wir nicht mehr unter den Lebenden. Was wir hier durchmachten, das was uns morgen bevorstehen wird, ist zu viel für mein krankes Herz […].“ Die Töchter lebten zu diesem Zeitpunkt schon im Exil, unter anderem in Frankreich, später in den USA.

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Auch hier weht die Hakenkreuz-Fahne: die Deutsche Schule auf Mallorca.

In dem Brief heißt es weiter: „So nehmen wir Abschied von Euch für immer. Ihr wart unser ganzes Glück, unser Stolz und unsere Freude. Ich bitte und flehe Euch an, seid tapfer, wenn diese Zeilen Euch erreichen, Ihr seid jung, das Leben kann Euch noch Glück bringen nach dieser schweren Zeit.“

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„Inoffizielles Mahnmal, das von der Verfolgung deutscher Juden auf Mallorca Zeugnis ablegt“

Ihre Tochter Lore Krüger ist schließlich mit 91 Jahren im Jahr 2005 zum Grab der Eltern auf die Balearen-Insel gereist. 2009 verstarb Lore Krüger mit 94 Jahren, das Grab ihrer Eltern ist jedoch noch heute auf Mallorca zu finden. „Es ist, wenn man so will, ein zwar inoffizielles, aber gleichsam einzigartiges Mahnmal, das von der Verfolgung deutscher Juden auf Mallorca zeitlos Zeugnis ablegt.“

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Das deutsch-jüdische Ehepaar Heinemann wählte auf Mallorca den Suizid – um den Nazis zu entgehen.

Dias Schicksal der Heinemanns ist kein Einzelfall. „Die Repression zeigte sich in vielerlei Weise“, schreibt Sepasgosarian. „Wer nicht wie die Heinemanns in den Selbstmord getrieben wurde, fand sich wie der Pazifist Heinz Kraschutzki willkürlich in Gefangenschaft wieder oder wurde wie die Familie Sy ohne ihrer Kinder von der Insel verwiesen.“

Junge Jüdin vertraut ihre Ängste in den Sommerferien einem Mallorquiner an

Auch die Geschichte der 19-jährigen Jüdin „Bob“ ist erschreckend. Die junge Frau, die mit vollem Namen möglicherweise Roberta Warburg hieß, verbrachte ihren Urlaub regelmäßig mit ihren Eltern im Badeort Port de Pollença. Hier traf sie auch auf den gleichaltrigen Mallorquiner Andres Jaume, der die Ferien im Strandhaus seines Onkels verbrachte.

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Da war die Welt noch in Ordnung: Die junge Bob und ihre mallorquinischen Freunde 1935.

Bob hatte eine richtige Ferien-Clique, ein Bild von ihr zeigt sie 1935 im Badeanzug inmitten einer Gruppe junger Männer, die sie so tragen, als wollten sie sie gleich in den Pool werfen. Doch diese unbeschwerten Zeiten sollten für die Jugendliche bald vorbei sein. „Eines Tages, Anfang August bei einem Ausflug nach Cap Formentor, öffnete sich Bob gegenüber Andres und seinem Cousin, sprach von ihren Ängsten, die sie im Alltag in Deutschland verspürte, aufgrund der Tatsache, dass sie Jüdin sei.“

Die Spur der Familie verliert sich in Auschwitz

Für den Mallorquiner Andres Jaume war dies ein einschneidendes Erlebnis. Noch Jahrzehnte später berichtet er seinem Sohn davon. „Mit Tränen in den Augen berichtete Bob […], wie sie sich sorgte, ihre Ausbildung in Berlin nicht fortsetzen zu können.“ In dem Sommer darauf kam Bob nicht wieder.

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Cover: Alexander Sepasgorian: Mallorca unterm Hakenkreuz 1933 – 1945, MatrixMedia Verlag, Göttingen, 343 Seiten, 29,90 Euro.

Andres Jaume hat nach dem Krieg Nachforschungen über den Verbleib ihrer Familie angestellt und zwei Suchanfragen an das Rote Kreuz gerichtet. Die Antwort lässt ihn kaum auf ein Wiedersehen hoffen: „Man weiß nichts über Bob, teilt aber mit, dass sich die Spur der Familie in Auschwitz verliert.“

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