Seit sechs Jahren unterwegsWie zwei Rentner durchs Reisen ihr Glück finden

Lesezeit 7 Minuten
Neuer Inhalt

Rund 400 Städte haben Debbie und Michael Campbell in den letzten sechs Jahren bereits – hier sind sie in Peking. 

Köln – Debbie und Michael Campbell sind seit 2013 auf Reisen und entdecken die Welt. Ihr Haus in Seattle haben der 74-Jährige und seine 63-jährige Frau verkauft. Was sie erleben, teilen sie auf ihrem Blog „Seniornomads“. 85 Länder, sechs Kontinente und rund 400 Städte haben die beiden schon besucht. Momentan sind sie in Cannes, dort übernachten sie in ihrem 240. Airbnb. Das Einzige, was sie manchmal vermissen, ist ihre gut ausgestattete Küche und die Küchengeräte.

Die beiden Amerikaner sprechen nur ihre Muttersprache. Doch mit Zeichnungen, Händen und Gesten haben sie es bisher überall auf der Welt an ihr Ziel gebracht. Was sie so sehr am Reisen lieben und warum sie es jung hält, haben Debbie und Michael Campbell uns im Gespräch verraten.  

Bevor Sie zu Ihrem Abenteuer aufgebrochen sind, haben Sie Ihr Haus und Ihre Sachen verkauft. Wie hat sich das angefühlt?

Debbie Campbell: Es war etwas, an was man sich erst gewöhnen musste. Aber jetzt sind wir froh, dass wir keine Sachen mehr besitzen. Wir reisen nur mit ein paar Dingen und kaufen kaum etwas. Wir vermissen es nicht. Bevor wir auf Reisen gingen, haben wir Sachen eingelagert – heute wissen wir nicht mal mehr, was genau sich in der Lagerhalle befindet.

Was haben Sie behalten?

Michael Campbell: Jeder von uns hat einen Koffer und einen Rucksack. Sie sind sehr schwer – 23 Kilogramm. Wir haben Kleidung mit und einen Computer.

Debbie Campbell: Das wichtigste ist wohl, dass wir mit unseren Kissen aus Seattle reisen. Jedes Mal, wenn wir in einem anderen Bett schlafen, legen wir die Kissen hin und haben immer ein Stück Zuhause dabei.

Neuer Inhalt

Ihre Kissen sind für Michael und Debbie Campbell ein Stück Zuhause, was sie auf jeder ihrer Reisen begleitet. 

Was braucht man um ein „Senior-Nomade“ zu sein?

Debbie Campbell: Man muss ein bisschen verrückt sein. Ein „Senior-Nomade“ muss neugierig sein, muss lebenslang lernen wollen und immer an den nächsten Ort gehen wollen. Man muss verstehen, dass man nicht in den Ferien ist, sondern unterwegs seinen Alltag lebt. Es ist sehr wichtig, seinen Reisepartner zu mögen.

Michael Campbell: Es ist wichtig, flexibel zu sein: Reisen bedeutet nicht der Himmel auf Erden – das gibt es nicht. Unabhängig wo man ist, muss man in den Supermarkt gehen, man muss ein gutes Airbnb finden – manche sind toll, manche in Ordnung und einzelne sind weniger gut. Man verpasst mal einen Bus oder einen Zug.

Sie waren schon an so vielen Orten. Welches Land oder welche Stadt hat Ihnen bisher am besten gefallen?

Debbie Campbell: Wir haben uns angeschaut, welche Länder wir am meisten bereist haben: Deutschland ist die Nummer drei. Uns gefällt Deutschland sehr gut – wir haben acht Städte besucht und die Zeit dort sehr genossen. Wir haben Italien und Frankreich schon oft bereist, weil unsere Tochter dort lebt. Wir mögen es in Italien, Kroatien und Neuseeland sehr gerne.

Michael Campbell: Wir mögen viele Städte in Deutschland: Schwerin, Stuttgart, Nürnberg und Hamburg haben uns sehr gut gefallen. Als ich 23 Jahre alt war, war ich ein Rennfahrer. Mit anderen Rennfahrern bin ich durch Europa gefahren – auch durch Ostdeutschland. Mein ganzen Leben habe ich mich für die Teilung von Deutschland interessiert. Als wir in Schwerin waren, war es sehr interessant zu sehen, wie sich die Stadt nach der Wende entwickelt hat. Ich finde es sehr spannend, über die Teilung und die Wiedervereinigung zu lesen.

Neuer Inhalt

Michael und Debbie Campbell sind von der deutschen Geschichte fasziniert. 

Was sind die Vorteile als Senior zu verreisen?

Debbie Campbell: Man muss nicht zurück an die Arbeit gehen. Die Kinder sind aus dem Haus – wir haben als Rentner keinen Grund, an einem Ort sein zu müssen. Wir können sehr flexibel sein und manchmal bekommen wir tolle Rabatte.

Michael Campbell: Wenn man nach der Uni als junger Mensch verreist, fragt man sich wo das Leben hinführt und ob man einen guten Job bekommt. Über all diese Fragen, müssen wir uns in unserem Alter keine Sorgen mehr machen – wir hatten unsere Karrieren schon.

In unserem Leben haben wir durch den Job viel Wissen angesammelt, wir haben Kinder groß gezogen und sind viel gereist – dadurch weiß man, wie das Leben wirklich ist. Wenn man alle Orte bereist, sieht man wie alle Puzzleteile zusammenpassen – wie die Geschichte wirklich ist. Es ist ein sehr lohnendes und erfüllendes Erlebnis all die geschichtsträchtigen Orte zu sehen, ganz anders, als wenn man nur etwas in der Schule darüber lernt. Vor allem Europa mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs finden wir sehr spannend. 

Was ist der Unterschied zu Ihren Reisen mit 20 oder 30?

Debbie Campbell: Wir mussten nach den Ferien zurück in den Alltag und jedem von der Reise berichten. Wir geben weniger Geld aus – wir müssen nicht in jedes schicke Restaurant gehen, nicht jede Sache machen, wir sind nicht in Eile. Was wirklich einen Unterschied macht, ist die Möglichkeit, in Airbnbs zu übernachten – es ist sehr viel angenehmer als in einem Hotel. Man hat mehr das Gefühl von einem Zuhause.

Mögen Sie deshalb Airbnbs so gerne?

Debbie Campbell: Immer, wenn uns jemand seine Schlüssel gibt, wird sein Zuhause zu unserem. Wir machen ähnlich alltägliche Dinge, die wir auch in Seattle gemacht hätten – nur das wir von Stadt zu Stadt reisen.

Haben Menschen einen unterschiedlichen Einrichtungsstil rund um die Welt oder ähneln sich viele Wohnungen?

Debbie Campbell: Unabhängig in welchem Land man ist, es gibt in jeder Wohnung etwas von Ikea. Meistens Geschirr. Aber natürlich sind die Wohnungen in Asien, Afrika, Australien, und Europa unterschiedlich. Viel hängt mit dem Klima zusammen. Die Wohnungen sind vom Geschmack der Eigentümer geprägt, sie sind sehr verschieden – genau das macht den Spaß aus. Es ist immer eine Überraschung, wenn man die Tür aufmacht: Ist die Wohnung gemütlich, gibt es dort viele Bilder?

Was finden Sie am Reisen so toll?

Debbie Campbell: Die Vielfalt und die Möglichkeit, jeden Tag etwas Neues zu lernen. Wir fragen uns mittlerweile, wenn wir uns entschließen an einem Ort zu bleiben, ob wir es dort länger als einen Monat aushalten würden. Wir recherchieren auch immer, was in der Stadt ist, welche Veranstaltungen dort sind oder wie die Nachbarschaft aussieht. Es gibt viel zu entdecken und das hält uns fit – vor allem im Geist.

Michael Campbell: Neue Informationen, neue Menschen, neue Orte – jede Woche oder alle zwei Wochen. Wir versuchen Bücher zu lesen, die an den Orten spielen, an die wir reisen. Es ist eine tolle intellektuelle Stimulation.

Neuer Inhalt

Michael und Debbie Campbell in einem Massai-Dorf in Tansania. 

Gab es auch mal schlechte Momente?

Debbie Campbell: Die schlimmsten Momente sind immer, wenn wir in einen Zug einsteigen, der in die falsche Richtung fährt. Oder ein Gepäckstück verloren geht. Wir schätzen uns glücklich, dass wir so gesund sind und nicht in eine Notaufnahme mussten. In Vietnam wurde Michael von Taschendieben bestohlen, das war herausfordernd.

Doch das Gute überwiegt das Schlechte. Wir haben so viele Menschen getroffen, tolle Gastgeber gehabt. Es gibt so viele Situationen, die einem die Augen öffnen.

Was ist der wichtigste Tipp, den Sie anderen Reisenden geben können?

Debbie Campbell: Verreise mit einer Person, die du magst. Tue es nur für dich und nicht für andere Menschen. Lege ein Budget fest und halte dich daran – sonst geht dir das Geld aus und du kannst nie wieder verreisen. Nimm die langsame Route: Wir bevorzugen Busse und Züge, das ist besser als mit dem Flugzeug. Schau dir die lokale Kultur an und esse, was die Menschen in dem Land essen.

Michael Campbell: Sei freundlich und lerne neue Menschen kennen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wie lange wollen Sie noch reisen?

Debbie Campbell: Wir werden weiter reisen, wenn wir noch mehr lernen können, Spaß daran haben, gesund bleiben, genug Geld haben und es noch lieben. Die Pläne für 2020 haben wir schon gemacht.

KStA abonnieren