Das Training der Fußmuskulatur nützt nicht nur Sportlern. Gerade ältere Menschen können sich dadurch vergleichsweise leicht gegen Stürze wappnen.
Tipps für Training und SchuheWas man tun kann, um seine Füße gesund zu halten

Biomechaniker Dr. Jan-Peter Goldmann zeigt im Domforum, wie man den Fuß möglichst lange gesund, kräftig und schmerzfrei hält.
Copyright: Georg Hinz
Sie tragen unser gesamtes Körpergewicht und transportieren es täglich mehrere Kilometer weit. Dennoch werden sie beim Training selten in den Mittelpunkt gestellt. Wir haben dem Biomechaniker Jan-Peter Goldmann von der Deutschen Sporthochschule Köln darüber gesprochen, wie man seine Füße möglichst lange gesund, stark und schmerzfrei hält und mit dem richtigen Training nicht nur sehr sportlich werden, sondern sich auch vor Stürzen wappnen kann.
Was muss so ein Fuß eigentlich alles aushalten?
Wer Sport treibt, der trainiert oft die Brust, den Oberschenkel, den Bauch, den Bizeps. Die Fußmuskulatur dagegen steht selten im Mittelpunkt, wenn wir ein Fitness-Studio aufsuchen. Biomechaniker Jan-Peter Goldmann von der Deutschen Sporthochschule findet das fatal. Schließlich wirken auf unsere Füße enorme externe Kräfte. „Die Muskulatur unseres Körpers arbeitet die ganze Zeit gegen die Gravitation der Erde. Die Füße tragen dabei unser gesamtes Körpergewicht und darüber hinaus.“ Wer steht, stemmt pro Fuß die Hälfte seiner Pfunde. Aber schon beim Gehen wird schnell das eineinhalbfache daraus. Sprinter belasten den Fuß mit dem Vierfachen ihres Körpergewichts. „Im Kunstturnen bei einem Salto kann dieser Wert auf das zehnfache des eigenen Gewichts anwachsen“, sagt Goldmann. Die Fußmuskulatur sei also „hoch belastet, aber wenig beachtet“.
Wie gut ist der Fuß an seine Aufgaben angepasst?
Die menschlichen Füße sind grundsätzlich gut ausgestattet. 29 Muskeln und 60 Bänder halten 26 Knochen, 30.000 Nervenenden fühlen jede Unebenheit. Seit der Entwicklung des aufrechten Gangs ist dem Fuß die Greiffähigkeit verloren gegangen. „Der Fuß hat sich zu einem reinen Fortbewegungsmittel spezialisiert“, sagt Goldmann. Die Fußmuskulatur muss in dieser Funktion vor allem das Körpergewicht vom Boden abstoßen und ständig den Gang stabilisieren. Wichtig dafür sind die Zehengrundgelenke, die beim Gehen und Laufen in die Dorsalflexion gebeugt werden. „Insgesamt hat die Muskulatur im menschlichen Fuß im Vergleich zum Gorilla aber deutlich abgenommen“, sagt Goldmann. Schuld daran ist auch das Schuhwerk, „wodurch die Füße nicht mehr so viel Arbeit verrichten müssen“.

Jan-Peter Goldmann zeigt im Domforum auch den „Big Toe Power Pro“, der im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Deutschen Sporthochschule entstanden ist.
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Wozu ist eine starke Fußmuskulatur wichtig?
Sie trägt beispielsweise zur Stabilisierung des Ganges bei. Gerade bei unebenem Untergrund müssen die Füße viel ausgleichen, damit der Mensch nicht ins Stolpern gerät und sich im Notfall fangen kann. „Eine kräftige Fußmuskulatur ist also nicht nur für Spitzensportler wichtig, sondern auch und gerade für ältere Menschen, die sich gegen Stürze wappnen wollen“, sagt Goldmann. Zudem stabilisieren starke Muskeln die Knochen und bewahren sie vor Brüchen. Auch die Achillessehne reißt bei gut trainierter Fußmuskulatur Goldmann zu Folge weniger leicht. Studien zeigen zudem, dass eine starke Muskulatur vor Deformitäten wie beispielsweise Hallux valgus schützt.
Wie trainiere ich?
Gut geeignet sind Fitnessbänder, die man sich um beide Füße schlingt und dann jeweils einen gegen den Widerstand des anderen anarbeiten lässt. Oder man drückt stehend die Zehen in den Boden, dabei nicht Krallen, und den Fußinnenrand anheben, dabei bis fünf zählen und alles fünf Mal wiederholen. Auch das Stehen mit einem Bein auf einem halben Tennisball oder einem Balanceboard, wahlweise auf dem Vorfuß, sei empfehlenswert. Im Rahmen eines Forschungsprojekts hat die Sporthochschule den „Big Toe Power Pro“ entwickelt, ein Trainingsgerät, das vor allem den Großzeh mit seinen Zehenbeugemuskeln stärkt. Goldmann empfiehlt dreimal in der Woche dreimal zehn bis 15 Wiederholungen. „Das kann man einfach beim Fernsehen machen.“
Welchen Schuh sollten wir tragen?
In jedem Fall keine Highheels, sagt Goldmann. „Damit bekommen Sie alles, was Sie nicht haben wollen: Arthrose in den Kniegelenken, Hallux valgus, eingeengter Vorfuß, verkürzte Achillessehne, verkürzte Wadenmuskulatur.“ In einer Studie an der Sporthochschule fand man heraus, dass sich die Kraft bei einem flachen Schuh im Schnitt auf 83 Quadratzentimeter verteilt, während sie beim Highheel auf 35 Quadratzentimetern wirkt. „Somit entsteht ein höherer Druck. Insbesondere die Großzehe, wo auch der Hallux valgus entsteht, ist stark belastet.“ Gut ist ein flacher, breiter Schuh, der gerade den Zehen genug Spielraum bietet. „Achten Sie auch darauf, dass die Sohle sehr biegsam ist. Das garantiert, dass die Muskeln arbeiten können.“ Auch auf weiches Obermaterial sollte man achten. Wer seine Schuhe mit vier Fingern leicht biegen kann, trage die richtigen.
Was nützen speziell gedämpfte Laufschuhe?
Die waren laut Goldmann vor allem in den 1980er und 1990er Jahren sehr in Mode. Das Ziel: Den vielen Fußverletzungen vor allem im Sport entgegenzuwirken. „Man entwickelte also Dämpfungssysteme und wirre Bewegungskontrollmechanismen in Schuhen, die verhindern, dass der Fuß hart aufsetzt und nach innen kippt. Genützt hat all das nichts. Die Verletzungsrate ist seit Jahrzehnten auf demselben hohen Niveau“, sagt Goldmann. Seine Einschätzung dazu: Es liegt häufig viel mehr an einem falschen Trainingsreiz und einer schlechten Bewegungstechnik und weniger am Schuhwerk. In jedem Fall helfe eine starke Muskulatur, um Knochen, Bänder und die Plantarfaszie zu entlasten.
Man entwickelte Dämpfungssysteme und wirre Bewegungskontrollmechanismen in Schuhen. Genützt hat all das nichts
Ist Barfußlaufen eine gute Idee?
Zuhause oder im Sommer im Rasen oder am Strand gilt: So oft wie möglich die Schuhe ganz ausziehen. „Ohne Schuhe werden die Strukturen am besten trainiert und gekräftigt.“
Was ist mit Einlagen?
In wenigen Fällen, beispielsweise nach akuten Verletzungen oder Entzündungen können Einlagen sinnvoll sein. Goldmann sieht das inflationäre Verschreiben aber äußerst kritisch. „Es gibt keinen Idealfuß wie im Lehrbuch. Jeder Fuß ist anders, wie auch der Fingerabdruck. Und das ist erstmal auch nicht schlimm. Egal ob Platt- oder Senk- oder Spreizfuß: In der Regel funktionieren alle tadellos.“ In vielen Fällen seien Einlagen daher überflüssig, zum Teil gar kontraproduktiv, weil sie die Muskulatur noch mehr schwächten. Studien zeigten, dass sich die knöcherne Bewegung durch sie gar nicht veränderte, also keinerlei Verbesserung brächten. „Ganz anders sieht es bei Muskeltraining aus. Hier konnten wir zeigen, dass schon bei einem Training mit einer Art Barfußschuh nach sechs Monaten zwanzig Prozent an Kraft aufgebaut werden konnten“, sagt Goldmann. Mit dem an der Sporthochschule entwickelten „Big Toe Power Pro“ gelang innerhalb von nur sieben Wochen sogar bei Spitzenathleten ein Kraftzuwachs von mehr als 15 Prozent. Goldmann rät also dazu, das Training den Einlagen vorzuziehen: „Wenn ich Rückenprobleme habe, steckt mich der Orthopäde ja auch nicht in ein Korsett, sondern verordnet Krafttraining.“
Was ist bei Fersensporn zu tun?
In diesem speziellen Fall befürwortet Goldmann tatsächlich das Tragen einer Carbon-Einlage für wenige Wochen. „Die ist sehr starr und schränkt damit die Beugung der Zehen ein.“ Die Zehen ziehen also auch weniger an der Plantarfaszie, was den Fersensporn wiederum entlaste. Zudem kann ein Gelkissen unter der betroffenen Region den Druck reduzieren.
Hilft das Training auch Menschen, deren Füße schon krank sind?
In manchen Fällen ja. Natürlich muss nach akuten Verletzungen eine Schonung erfolgen, sagt Goldmann. Aber Muskelaufbau helfe beispielsweise auch Diabetikern. „Ihnen wird oft empfohlen, den Fuß so gut wie möglich zu schonen, am besten in Watte einzupacken. Wir haben aber herausgefunden, dass auch bei Polyneuropathie ein Kraftzuwachs von gut 50 Prozent möglich ist.“ Goldmann spricht von einem „Gamechanger“. Denn: Jeder gekräftigte Muskel könne absterbendem Gewebe und letztlich Amputationen entgegenwirken, sagt Goldmann. Er sieht dringenden Handlungsbedarf, schließlich würden schon heute pro Jahr 40.000 Amputationen aufgrund des Diabetischen Fußsyndroms durchgeführt – allein in Deutschland.
Wie teste ich, ob beispielsweise die Zehenmuskulatur kräftig genug ist?
Goldmann rät: „Legen Sie stehend eine Kreditkarte unter ihre Großzehe und versuchen Sie sie festzuhalten während ihr Partner daran zieht. Wenn das klappt, sind Sie ganz gut in Schuss.“
Werden Füße im Alter größer?
Ja. Das hat auch mit Kraftverlust zu tun. „Die Muskulatur lässt mit Ende 30 nach. Dadurch dehnt sich der Fuß langsam aus “, sagt Goldmann. Zudem mangelt es im Alter an der Qualität des Kollagens, das ist der Baustoff für Bänder und Faszien, die den Fuß stramm in Form halten.