„Den Ansturm habe ich unterschätzt“Anwalt hilft Opfern von Rassismus – kostenlos

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Blaise Francis El Mourabit ist ein junger Anwalt aus Düsseldorf, der sich aktiv gegen Rassismus einsetzt.

  • Das Video von der Ermordung des Amerikaners George Floyd hat den Anwalt Blaise Fancis El Mourabit wachgerüttelt.
  • Beleidigung, Racial Profiling, Gewalt – der Jurist hilft kostenlos bei Fällen von Rassismus und das neben seinem Job in einem großen Unternehmen.
  • Ein Fall aus Düsseldorf schockiert ihn besonders: Als eine Schwarze mit ihrem Baby eine Familie besuchen will, attackiert deren Nachbarin sie und sprüht Mutter und Kind Pfefferspray ins Gesicht.

Köln – Seit rund vier Wochen schlägt sich der Anwalt Blaise Francis El Mourabit aus Düsseldorf die Nächte um die Ohren, um Menschen zu helfen, die rassistisch beleidigt oder angegriffen wurden, von Racial Profiling betroffen sind oder Polizeigewalt erlebt haben. Er vertritt sie als Anwalt – pro bono – also kostenlos und das neben seiner Arbeit als Anwalt in einem großen Unternehmen. Angefangen hat alles mit einem Post auf dem sozialen Netzwerk Instagram, einem Aufruf mit dem der junge Mann seine rechtliche Hilfe bei Fällen von Rassismus anbietet. Die Bilanz: über 700 Nachrichten und rund 230 rechtliche Anliegen. „Den Ansturm habe ich unterschätzt“, sagt El Mourabit. Trotzdem will er etwas tun, sich aktiv gegen Rassismus einsetzen: „Es ist eine Herzensangelegenheit für mich“, erzählt der 36-Jährige.

Wie so viele Menschen rund um den Globus hat auch ihn das Video der Ermordung des Amerikaners George Floyd bewegt: „Diese circa neun Minuten haben mich geschockt und wachgerüttelt. Ein Problem mit Rassimus gibt es nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland.“ Er wolle verhindern, dass es Menschen hier so ergehen kann, wie Oury Jalloh, der in Dessau in einer Gewahrsamszelle der Polizei verbrannte und dessen Tod bis heute nicht aufgeklärt ist.

Rassismus in allen Lebensbereichen

Die Fälle, die Menschen El Mourabit in ihren Nachrichten schildern, kommen aus allen Lebensbereichen: Schüler, die von Lehrern rassistisch beleidigt werden, Menschen, die in der Probezeit gekündigt wurden, weil die Kollegen nicht mit einem Schwarzen zusammen arbeiten wollten, Fälle von Polizeigewalt oder Racial Profiling, also eine Polizeikontrolle, die nur wegen äußerer Merkmale durchgeführt wird. Die Leute würden sich nicht an ihn wenden, weil er seine Hilfe kostenlos anbiete, sondern, weil sie sich von ihm verstanden fühlen, wissen, dass Blaise Francis El Mourabit als Schwarzer selbst weiß, wie es ist, Rassismus zu erfahren.

Einer der jüngsten Fälle, der den Anwalt erreicht hat, schockiert ihn besonders: „Eine Schwarze Familie aus Düsseldorf, die schon länger von ihrer Nachbarin rassistisch beleidigt und schikaniert wird. Die Nachbarin hat bereits den kleinen Sohn der Familie angefasst, den leeren Kinderwagen der Familie mit Pfefferspray besprüht und in den Hinterhof geworfen. Als eine Schwarze Bekannte mit ihrem einjährigen Kind die Familie besuchen will, griff die Nachbarin sie an. Das Baby hatte die junge Frau auf dem Rücken getragen. Als sie das Treppenhaus betrat, beleidigte die Nachbarin sie, sprühte erst mit einem Pfefferspray in das Gesicht der Frau und anschließend gezielt auf das Baby.“ Dass ein Baby, ein unschuldiges Geschöpf, wegen seiner Hautfarbe angegriffen werde, sei für ihn sehr schlimm, schildert El Mourabit. Was ihn auch trifft, sind die Berichte von Menschen, die wegen ihrer Hautfarbe von der Justiz keine gerechte Behandlung erfahren, wenn Polizisten sie „menschenunwürdig behandeln“.

Wenn die Hautfarbe eine Rolle spielt

Das Hautfarbe eine Rolle spielt, wenn es um Polizeikontrollen geht, weiß der junge Anwalt aus eigener Erfahrung: „Ich kann es mir fast gar nicht vorstellen, dass man in seinem Leben noch nie von der Polizei kontrolliert worden ist, wenn weiße Freunde mir das schildern – denn mir passiert es regelmäßig.“

Solche Kontrollen könnten schnell eskalieren. „Der Ton ist oft unverschämt, man wird sofort geduzt“, schildert El Mourabit. Einer seiner Mandantinen erging es so: „Die Kontrolle meiner Mandantin aus Karlsruhe begann mit der Unterstellung, dass sie Drogen dabei hätte. Sie wollte die Kontrolle filmen, um sich Beweise für den Fall weiterer unfairer Behandlungen zu sichern. Daraufhin warfen die Polizeibeamten die junge Frau auf eine ein Meter fünfzig hohe Mauer und ein Beamter setzte sich so auf sie, dass sie keine Luft mehr bekommen hat. Sie hat geschrien, dass sie keine Luft mehr kriegt. Ein Beamter reagierte mit der Frage: ‚Warum schreien Sie denn, wenn Sie keine Luft bekommen?‘ Die junge Frau wurde bewusstlos und wurde, nachdem sie das Bewusstsein wiedererlangt hatte, bis zum nächsten Tag in Gewahrsam genommen.“ Laut Angabe seiner Mandantin, war diese bis 12 Uhr am nächsten Tag in einer Zelle, ohne Essen, ohne Trinken. Zudem habe sie berichtet, dass ihr keine Hygieneprodukte gegeben wurden, die sie wegen ihrer Periode benötigte, berichtet El Mourabit.  Als Schlag ins Gesicht empfindet es Blaise Francis El Mourabit deswegen, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer eine ergebnisoffene Studie zu Racial Profiling ablehnt und stattdessen eine Studie zu Gewalt an Polizisten fordert – ein Problem über das schon jährlich statistische Daten erhoben und durch das Bundeskriminalamt veröffentlicht werden.

Anwalt spricht sich für Gesetzesänderungen aus

Doch was können Betroffene tun, wenn sie von der Polizei wegen ihrer Hautfarbe ungerecht behandelt werden, rassistisch beleidigt oder gar körperlich verletzt? Ist es erlaubt, die Polizei zu filmen? Blaise Francis El Mourabit erklärt: „Die Polizei will häufig vermitteln, dass es immer verboten ist, die Beamten zu filmen – das ist in dieser Pauschalität falsch.“ Es komme auf den Einzelfall an. Wer die Polizei zu Beweiszwecken filmen möchte, sollte dies immer so ankündigen und auch erklären, dass er das Video nicht veröffentlichen will, erklärt El Mourabit. Denn Videos dürfen nur unter bestimmten Bedingungen veröffentlicht werden. Eine weitere Norm aus dem Strafgesetzbuch betrifft den Ton des Videos: Tonaufnahmen des öffentlich gesprochen Wortes sind erlaubt – Aufnahmen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes dagegen verboten. Heißt: Haben Passanten eine Mithörgelegenheit, ist es das öffentlich gesprochene Wort und eine Aufnahme ist erlaubt.

Blaise Francis El Mourabit plädiert für eine Gesetzesänderung: Wichtig wäre es, wenn in diesem Fall der Gesetzgeber eindeutige Gesetze schaffen würde – in den USA beispielsweise dürfen Bürger Polizisten zu ihrem eigenen Schutz filmen. Sinnvoll sei es auch, wenn Polizisten ihre Bodycams einschalten müssen, wenn sie durch Polizeimaßnahmen in Grundrechte eingreifen wollen. Bisher können Polizisten selbst bestimmen, ob sie die Kamera einschalten, wenn sie sich oder Dritte in Gefahr sehen.

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Was Passanten tun können, wenn sie ungerechte Polizeimaßnahmen sehen

Wer Zeuge von Racial Profiling und ungerechter Behandlung von Menschen durch die Polizei wird, sollte als Zeuge stehen bleiben und die Situation beobachten. „Passanten sollten sich nicht verunsichern lassen, wenn Polizeibeamte sie auffordern zu gehen. Mit einem Abstand von vier bis fünf Metern dürfen Passanten eine Polizeimaßnahme beobachten – so lange man diese nicht behindert.“ Es sei auch erlaubt, kritische Fragen zu stellen oder zu kommentieren. Außerdem sei es wichtig, die Kontaktdaten von der Polizei notieren zu lassen und dem Betroffenen zu geben. Als Passant habe man auch die Möglichkeit, eine informelle Beschwerde bei der Polizei einzureichen. „Zwar sind die Verfahren mit Polizeibeamten oft nicht erfolgreich, doch es ist wichtig, dass sich Menschen beschweren oder gegen Rassismus ankämpfen. Es ist wichtig, dass sich die Polizei kontrolliert fühlt und Fragen gegenüber Polizisten gestellt werden – sei es vom Dienstherren, Staatsanwaltschaften oder Gerichten“, sagt El Mourabit. 

Wer Gewalt durch einen Polizeibeamten erfährt, sollte einen schriftlichen Strafantrag direkt bei der Staatsanwaltschaft stellen, rät der Anwalt. Problematisch sei, dass Polizisten gegen Polizisten ermitteln – nicht selten würden sie wegen der Zuständigkeit sogar in einem Gebäude sitzen. „Die Folge sind teilweise einseitige Ermittlungen.“ Blaise Francis El Mourabit fordert deshalb:  „Wir brauchen dringend eine unabhängige Behörde, die in solchen Fällen ermittelt, um zu vermeiden, dass Polizei gegen Polizei ermittelt.“

Was Betroffene gegen Rassismus im Alltag tun können

Ob eine rassistische Beleidigung, eine Kündigung oder die Absage einer Wohnung ein Gesetz überschreitet, müsse immer im Einzelfall geprüft werden. Deshalb empfiehlt der Anwalt sich in Zweifelsfällen rechtlich beraten zu lassen, um beispielsweise herauszufinden, ob eine Beleidigung gegen ein Gesetz verstoße oder nicht. Ist eine Aussage strafrechtlich eine Beleidigung, sollte man dies immer anzeigen, empfiehlt El Mourabit.

Wer körperlich angegriffen werde, sollte auf jeden Fall die Polizei rufen und eine Anzeige erstatten. „Ich äußere mich zwar sehr häufig polizeikritisch, doch die meisten Polizisten machen eine gute Arbeit. Es ist wichtig, dass wir nicht das komplette Vertrauen in die Polizei verlieren, weil es einige Polizisten gibt, die Racial Profiling betreiben, sagt der Anwalt. Er appelliert an Menschen, die sehen, wenn jemand angegriffen werde: „Bei Straftaten ist es immer wichtig, dass man sich als Zeuge anbietet und Zivilcourage beweist.“

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