Sinnvoll oder übertriebenMuss ich Leitungswasser vor dem Trinken filtern?

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Trinkwasser_Symbol

Viele Menschen trinken regelmäßig Leitungswasser.

Köln – Wir brauchen es morgens zum Zähneputzen, mittags zum Nudelnkochen, für die Kaffeepause am Nachmittag oder für den abendlichen Tee: Leitungswasser begleitet uns durch den gesamten Tag. In Deutschland genießen wir das Privileg, uns beim Öffnen des Wasserhahns keine Sorgen machen zu müssen über Schadstoffe oder Bakterien, die uns krank machen könnten. Denn kein Lebensmittel wird so sorgfältig kontrolliert wie unser Wasser. Oder? Denn gleichzeitig scheint es einen Trend zu Filteranlagen zu geben, die den natürlichen Geschmack des Leitungswassers leicht abändern, wenn er missfällt. Die Anlagen sollen außerdem sämtliche Rückstände, etwa von Medikamenten, aus dem Wasser herauspumpen. Notwendig oder sinnlos? Gut für die Gesundheit – oder sogar schlecht? Ein Überblick.

Trinkwasser nach der Hochwasserkatastrophe

Die Aussagen und Empfehlungen der Experten und der Verbraucherzentrale NRW beziehen sich auf die allgemeine Trinkwasserlage in Deutschland – berücksichtigen aber nicht, dass in den betroffenen Hochwasserregionen das Leitungswasser gegebenenfalls nur eingeschränkt ungefiltert nutzbar ist. Halten Sie sich bitte hier an diejeweiligen Empfehlungen zum Abkochen, Filtern, usw.

Grundsätzlich durchläuft unser Leitungswasser ein aufwändiges, standardisiertes Aufbereitungsverfahren in Wasserwerken. Trinkwasserverordnung und Gesundheitsämter stellen darüber hinaus sicher, dass die Grenzwerte von Rückständen im Wasser nicht überschritten werden – sodass dessen Qualität stets gewährleistet ist. Das Umweltbundesamt hat erst im April 2021 bestätigt: Das Trinkwasser von größeren wie kleineren Trinkwasserversorgern ist zu mehr als 99,9 Prozent von „guter bis sehr guter Qualität“. Und laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Bundesverbandes der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW) trinken auch immerhin 83 Prozent der Deutschen regelmäßig oder zumindest gelegentlich Leitungswasser.

Was ist nachhaltiger?

Fakt ist: Wer Leitungswasser trinkt, ist auch generell nachhaltiger unterwegs. Laut der Verbraucherzentrale wirken sich vor allem die Transportwege von Mineralwasser negativ auf die Umweltbilanz aus, sodass die Klimabelastung durch Mineralwasser fast 600 Mal höher ist als die von Leitungswasser. „Im Falle einer bundesweiten CO2-Ersparnis durch den Umstieg von Mineralwasser auf Leitungswasser wäre die Ersparnis so hoch wie das eineinhalbfache des innerdeutschen Flugverkehrs pro Jahr“, so Kerstin Effers von der Verbraucherzentrale NRW. Hinzu kommt das unschlagbare Argument: Leitungswasser wird frei Haus geliefert – ist also nicht mit zusätzlichen Kosten verbunden.

Was ist an den Vorurteilen rund um Leitungswasser dran?

Doch wer Leitungswasser konsumiert, ist oft auch mit Mythen und Vorurteilen konfrontiert. Ein Argument lautet, es enthalte Medikamentenrückstände. Die Menge der Arzneimittel ist aber laut Verbraucherzentrale so gering, dass die Gesundheit des Menschen hierdurch nicht beeinträchtigt werde. Auch die Sorge, Trinkwasser könne Nitrat enthalten, sei unbegründet. Hier greifen die regelmäßigen Kontrollen der Grenzwerte.

Wer darüber hinaus fürchtet, Ablagerungen aus den Bleirohren des alten Mietshauses würden Leitungswasser ungesund machen, dem empfiehlt die Verbraucherzentrale NRW einen Blick in den Bauplan des jeweiligen Gebäudes: In Häusern ab dem Baujahr 1973 gibt es grundsätzlich keine Bleirohre mehr. Auch bei älteren Häusern ist die Wahrscheinlichkeit dafür gering, gelten Bleirohre seit 2013 in Deutschland doch als unzulässig. Wer auch aus anderen Gründen misstrauisch bleibt, der kann sein Leitungswasser untersuchen lassen. Für einige Verunreinigungen sind Teststreifen in der Apotheke erhältlich, alternativ kann eine Probe ins Labor geschickt werden. Kontakte hierzu können Gesundheitsämter und Wasserversorger vermitteln.

Warum schmeckt Leitungswasser immer unterschiedlich?

Abgesehen von der Filterfunktion ist für Verbraucherinnen und Verbraucher vor allem der Geschmack des Leitungswassers ein Grund, einen Wasserfilter zu nutzen – weil das Wasser aus dem Hahn etwa einen unangenehmen, beispielsweise metallischen, Beigeschmack hat. Woran kann das liegen, wenn Wasser den immer gleichen Vorschriften unterliegt? Warum schmeckt es trotzdem von Stadt zu Stadt, von Hausleitung zu Hausleitung, so verschieden?

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Wassersommelier Achim Schönenberger erklärt den Grund für diese Nuancen und Unterschiede in der Zusammensetzung der Mineralstoffe – sie würden den Geschmack des Wassers prägen. „Es gibt vier Grundrichtungen: Natrium schmeckt salzig, Magnesium bitter-süßlich, Calcium schmeckt seifig, kalkig, kreidig. Hydrocarbonat verleiht dem Wasser Fülle und Körper. Das spezifisch Bittere von Chlorid und Sulfaten zu identifizieren, ist dann schon die Königsdisziplin“, sagt der Experte gegenüber des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW). Welches Wasser nun von welchen Inhaltsstoffen wieviel enthält, hänge von den jeweiligen geologischen Bedingungen ab. Ist man mit dem natürlichen Geschmack aus der Hausleitung also unzufrieden, scheint ein Filter eine praktische Möglichkeit, diesen zu verändern.

Ist ein Filter sinnvoll?

Ohne es womöglich zu wissen, nutzen alle Verbraucherinnen und Verbraucher mindestens einen Filter: Seit 2012 ist der Einbau von sogenannten Partikelfiltern am Hausanschluss Pflicht. Sie verhindern, dass kleine Rost- oder Sandbestandteile in die Wasserleitungen gelangen und müssen deshalb regelmäßig gewartet werden.

Was jeder selbst beeinflussen kann: Die kleinen, runden Siebaufsätze der Wasserhähne, genannt Perlatoren. Laut Verbraucherzentrale NRW können sich hier besonders viele Bakterien und Keime ansammeln. An genau diesem Punkt setzen auch viele Firmen für Trinkwasserfilter an. Sie sagen etwa: Zwar könne man das Trinkwasser in den meisten Gebieten Deutschlands bedenkenlos trinken. Jedoch seien für die Qualität auf den letzten Metern, bis das Wasser schließlich aus dem Hahn komme, die Verbraucher verantwortlich – und die leidet darunter im schlechtesten Fall. Auch die Wahl der jeweiligen Armatur können Verbraucherinnen und Verbraucher beeinflussen und hier mangelnder Qualität vorbeugen. Stiftung Warentest hat dazu 15 verschiedene Küchenarmaturen unter die Lupe genommen.

Was empfehlen Experten?

In diesem Zusammenhang werden Aktivkohlefilter oder Umkehrosmoseanlagen beworben. Sie sollen mögliche Schadstoffe wie Chlor, Eisen, Schwermetalle oder etwa Kolibakterien aus dem Wasser herausfiltern können. Doch das ist umstritten: Kritikerinnen und Kritiker machen im Gegenzug darauf aufmerksam, dass sich in genau diesen Anlagen zusätzliche Keime sammeln können – etwa, wenn das Trinkwasser zu lange im Behälter steht oder mit alten Filtern in Kontakt kommt. Eine regelmäßige, gründliche Reinigung sei deshalb Grundvoraussetzung. Und: Einige fürchten, dem Wasser würden durch die Filterung sogar gesunde Mineralien entzogen.

Beispiele für Wasserfilter

Aktivkohlefilter: Sie sollen Verunreinigungen aus dem Leitungswasser filtern. Das geschieht durch Einsatz von sogenannter Aktivkohle, die etwa auf Basis von Kokosnussschale gewonnen wird. Einige Aktivkohlefilter enthalten auch Wasserenthärter, der dem Wasser unter anderem Kalk entziehen kann.

Umkehrosmoseanlage: Sie sollen ebenfalls Verunreinigungen aus dem Leitungswasser filtern. Eine Besonderheit außerdem: Der Mineraliengehalt des Wassers soll individuell einstellbar sein, sodass Verbraucherinnen und Verbraucher den Geschmack des Wassers anpassen können. Kannen- oder Tischwasserfilter: Sie sind in der Regel mit Aktivkohlegranulat gefüllt und enthalten je nach Modell auch sogenannte Ionentauscher, Kügelchen aus Kunststoffharz. Bei diesem Filtern geht es vor allem um die Geschmacksveränderung des Leitungswassers. Die Filterleistung als solche gilt als nicht ganz so stark. Dem Wasser wird vorrangig etwa Kalk entzogen. Destillation: Hierdurch sollen Schadstoffe wie Asbest, Blei, Bakterien, aber auch Medikamentenrückstände aus dem Wasser gefiltert werden.

Die Verbraucherzentrale NRW schließt sich der Kritik an: „Wir empfehlen, abgesehen von den vorgeschriebenen Partikelfiltern, auf eine weitere Wasseraufbereitung zu verzichten. Eine weitere zusätzliche Wasseraufbereitung kann negative Auswirkungen auf die Trinkwasserqualität haben, weil zum Beispiel Filter verkeimen oder ‚durchbrechen‘ oder durch die Aufbereitung unerwünschte Substanzen in das Wasser gelangen können“, sagt Sprecherin Kerstin Effers. Und ergänzend fügt sie hinzu: „Außerdem ist diese Aufbereitung nicht notwendig, weil die Trinkwasserqualität in Deutschland gut ist.“

Welche Entscheidung ist richtig?

Wer dennoch an der Qualität seines Leitungswassers zweifelt, dem kann nur eine Trinkwasseruntersuchung darüber Aufschluss geben. Die Verbraucherzentrale NRW listet entsprechende Labore auf (ein Preisvergleich für die Kosten solch einer Untersuchung lohnt sich). Und wer sich weiter für den Konsum von Leitungswasser entscheide, für den gelte: Das Wasser vor dem Trinken erst mal laufen lassen. Denn Wasser, das länger in der Leitung stand, sei nicht mehr frisch. Verschwendet werden muss das Wasser natürlich trotzdem nicht – und kann etwa zum Blumengießen oder Putzen genutzt werden.

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