Querbeat-Sänger im GesprächWarum wir falsch über die Klimakrise sprechen

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Julien Gupta vom Klima-Newsletter Treibhauspost mit Jojo Berger, Sänger der Kölner Band Querbeat

Köln – In Debatten über die Klimakrise überwiegen allzu oft verhärtete Fronten. Jojo Berger, Sänger der Kölner Band Querbeat hat sich mit Julien Gupta, Autor des Klima-Newsletters „Treibhauspost“, getroffen, um exklusiv für den neuen Themenschwerpunkt des „Kölner Stadt-Anzeiger“, „KStA Green“, darüber zu diskutieren, wie es uns gelingen kann, besser über das Klima zu sprechen. 

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Für ihr Gespräch haben Julien und Jojo sich zwei Kölsch zur Hilfe genommen und sich auf die Suche nach Antworten gemacht: Wie können wir über das Klima reden, ohne Rot zu sehen? Wie kann es gelingen, die oft verbissene politische Debatte in den Alltag der Menschen zu verlagern? 

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Julien Gupta ist einer der beiden Autoren des Klima-Newsletters Treibhauspost.

Im kostenlosen Newsletter „Treibhauspost“ beschäftigen sich Julien Gupta und sein Kollege Manuel Kronenberg jeden zweiten Samstag mit Informationen, neuen Publikationen und Lösungsansätzen rund um die Klimakrise. Was ist möglich und was nötig? Sie sprechen mit Expertinnen, Aktivisten und Politikerinnen - oder eben mit engagierten Musikern wie Jojo Berger von Querbeat.

Gupta und Kronenberg betreiben den Newsletter unabhängig in Eigenregie und finanzieren sich allein über Spenden. 

Julien: Im Radio lief gerade „Hurra, die Welt geht unter“.

Jojo: Aus der Sicht mancher bedeutet das Ende der Welt gerade vor allem Windräder, Tempolimit, Flugverbot und Veggie-Days…

Julien: Alles so Alarmwörter, oder? Ich glaube, das hängt auch damit zusammen, dass diese Begriffe mit Mythen aufgeladen sind. Das blockiert das eigene Handeln.

Jojo: Die Antwort auf „Was kann jeder tun“ könnte also auch sein, damit anzufangen, die ganzen Alarmbegriffe zu entpolitisieren. Leider macht das Denken in politischen Lagern das Thema aber manchmal einfacher. Experten schaffen es zu oft nicht, die Klimakrise greifbar zu machen. Alles wirkt so abstrakt.

Julien: Meiner Meinung nach muss man die Zusammenhänge, die hinter der Klimakrise stehen, gar nicht zu 100 Prozent verstehen. Aber man muss akzeptieren, dass es sie gibt und dementsprechend auch Konsequenzen des eigenen Handelns ableiten. Das Thema muss raus aus der politischen Ebene der Talkshows und dem ewigen Parteiengerangel und rein in die Stammtische und Vereine.

Jojo: Beim Schnitzel über Tierhaltung reden…

Julien: Auch das! Da wäre so ein Gespräch doch am wichtigsten. Das ist auch so ein Thema, das ganz dick mit Mythen paniert ist. Veganer sind weder automatisch die besseren Menschen, noch verlangt irgendwer, dass alle von heute auf morgen kein Fleisch mehr essen. Es geht doch vielmehr um den individuellen nächsten Schritt. Wenn du heute dreimal pro Tag Fleisch isst und etwas fürs Klima tun willst, dann gönn dir ab morgen eben nur noch einmal Fleisch. Egal, wo du gerade stehst – Hauptsache, du fängst an loszulaufen.

Jojo: Es nimmt auch den Druck aus der Teilnahme an einer Veränderung, wenn man sich nicht mit einem Mal um 180 Grad drehen muss. Sondern 180 Mal um ein Grad. Auch wenn wir in der Klimakrise nicht unendlich viel Zeit haben. Aber wenn nicht alle an Bord kommen, wird es schwierig. Man kann nicht mit hundertprozentiger Perfektion loslegen, diesen Maßstab müssen wir ablegen. Wir haben auf der letzten Fridays for Future-Demo einen kleinen Auftritt gespielt. Da gab es Backstage Wasser und Kaffee aus To-Go-Bechern. Das finde ich nicht inkonsequent, denn das ist leider in vielen Momenten einfach noch die Realität. Und es ist gut, dass es Bewegungen gibt, die dazu führen, dass sich diese gesellschaftlichen Realitäten ändern.

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Julien: Es ist wahrscheinlich auch gar nicht so kompliziert. Die Frage, die sich jeder stellen muss, ist: Wo will ich hin, was ist meine Zukunft? Sie wird sich so oder so verändern und die Frage ist: wohin? Entscheide ich mit oder gebe ich es aus der Hand? Und das hieße nun mal Ahrtal und trockenste Hitzesommer würden keine Ausnahmen mehr sein.

Jojo: Stimmt, aber die Frage muss auch sein: Was ist noch Positives möglich? Die Horrorszenarien sind viel lauter in der Diskussion. Überall Bilder vom runter gerockten Korallenriffen, von brennenden Wäldern oder zu engen Schweineställen.

Julien: Wir dürfen bei der ganzen Debatte niemals vergessen: Was heißt es konkret, wenn wir es schaffen, wenn wir die Klimaziele erreichen und darüber hinaus unseren rastlosen Lebensstil wandeln? Hinter abstrakten Begriffen wie 1,5-Grad-Grenze oder Biodiversität steckt im Endeffekt der unbezahlbare Moment, in einem blühenden Wald zu stehen und kühle, unversmogte Luft einzuatmen.

Jojo: Statt an abstrakte 1,5-Grad sollten wir also eher an eine gesunde, faire, entspannte Welt für alle denken, vielleicht motiviert das mehr! Um sich dafür einzusetzen, muss man auch nicht jeden Freitag auf die Straße gehen und demonstrieren. Aktiv werden heißt in dem Fall auch Sportverein, Stammtisch und Kneipe. Austausch eben. Das wär’s doch: Wenn Leute anfangen, im Brauhaus ein Gespräch über das Klima und eine lebenswerte Zukunft zu führen, ohne dabei auch nur einmal eine Partei zu nennen.

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