UpskirtingWarum ist das Unter-den-Rock-Fotografieren in Deutschland nicht verboten?

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Wer Frauen unter Röcke fotografiert, muss künftig in England mit bis zu zwei Jahren Gefängnis rechnen – in Deutschland bisher nicht. 

Köln – In der U-Bahn, an der Supermarktkasse, auf dem Schulhof oder auf offener Straße – es kann überall passieren: Upskirting. So nennt man es, wenn jemand Frauen heimlich unter den Rock (engl. „skirt“) fotografiert oder filmt. Mit Smartphones oder auch kleinen Kameras, die an den Schuhen festgeklebt sind, machen Männer voyeuristische Fotos oder Videos. Verboten ist das in Deutschland nicht – das wollen Ida Marie Sassenberg und Hanna Seidel mit einer Online-Petition ändern.

Die Initiatorin Hanna Seidel ist selbst schon zweimal Opfer von Upskirting geworden: „Einmal, mit 13, auf einer Klassenfahrt, wo Lehrer anderer Schulen unbemerkt den Mädchen unter die Röcke gefilmt haben“, schildert Seidel den einen Fall auf der Petitionsseite. Nicht nur die beiden Frauen wollen, dass es in Deutschland strafbar ist, einfach Fotos vom Intimbereich einer Frau zu knipsen – schon über 34.000 Menschen haben die Petition unterschrieben.

Ohne ein genaues Verbot, ist die Rechtslage zum Thema Upskirting kompliziert. Der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke erklärt, wie es in Deutschland ist.

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Rechtsanwalt Christian Solmecke

Wie ist die jetzige Rechtslage?

„Tatsächlich ist Upskirting unter fast allen denkbaren Umständen nicht strafbar“, sagt Solmecke. Es gibt andere Gesetze, die man bei Upskirting anwenden könnte. Doch diese Rechtsvorschriften bestrafen andere Taten und sind bei den heimlichen Fotos nicht immer anwendbar.

Seit 2014 gibt es in Deutschland den Paragrafen 201a im Strafgesetzbuch zur „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereich durch Bildaufnahmen“. Dadurch kann jemand bestraft werden, der heimlich Fotos in einer Wohnung, einer Toilette oder einer Umkleidekabine aufnimmt.

„Fotos auf offener Straße fallen also nicht unter das strafrechtliche Verbot, zu fotografieren“, erklärt Solmecke. Allerdings könnten Täter nach diesem Gesetz möglicherweise für die Weitergabe an Dritte oder die Veröffentlichung im Internet belangt werden. Für die Speicherung der Fotos auf dem Handy allerdings nicht.

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Nach gehäuften sexuellen Straftaten an Silvester 2015 in Köln wurde der Paragraf 184i eingeführt, der sexuelle Belästigung unter Strafe stellt. Strafbar ist danach „wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt…“(§ 184i (1) StGB). „Beim Upskirting wird eine Frau aber üblicherweise nicht berührt – damit scheidet eine Strafbarkeit danach aus“, erläutert der Experte. 

Gab es schon Verhandlungen zu Upskirting in Deutschland?

„Es gibt sogar mehrere Urteile, die eine Beleidigung abgelehnt haben.“ Ein Beispiel: Bei einem Fall aus dem Jahr 2013 hatte ein Bürgermeister über 100 Fotos beziehungsweise Videos der Intimbereiche von Frauen auf seinem Handy. Das Landgericht München urteilte, dass es nicht strafbar sei, weil die Frauen nicht herabgesetzt worden seien. Sie hätten schließlich nichts von den Aufnahmen mitbekommen. Verurteilt wurde der Mann trotzdem. Sein Verhalten wurde als Ordnungswidrigkeit gewertet. Wegen „Belästigung der Allgemeinheit“ musste er 750 Euro zahlen. 

Verletzt Upskirting aber nicht die Persönlichkeitsrechte oder das Recht am eigenen Bild?

„Möglicherweise könnte die betroffene Frau den Täter vor den Zivilgerichten verklagen, weil solche Aufnahmen in der Regel eine Persönlichkeitsverletzung darstellen“, weiß Solmecke.

Das Recht am eigenen Bild sei nur anwendbar, wenn das Bild auch im Internet verbreitet wurde. „Die Frau muss aber auf dem Foto identifizierbar sein – zum Beispiel durch ein Muttermal oder die Unterwäsche.“ Nach neuer Rechtslage könnte es auch datenschutzrechtlich relevant sein, führt der Rechtsexperte aus. 

Wenn ich bemerke, dass mir jemand unter den Rock fotografiert, was kann ich dagegen tun?

Es gilt das sogenannte Notwehrrecht: „Daher darf man dem Mann, zumindest während er noch versucht, zu fotografieren, das Handy aus der Hand schlagen oder auch das Handy wegnehmen.“ Macht der Mann keine Fotos mehr, gelte dieses Recht nicht mehr.

Wenn die Situation vorbei ist, rät Christian Solmecke die Person „zur Rede zu stellen und nach den Kontaktdaten zu fragen.“ Wer verhindern wolle, dass das Bild im Netz landen, könne den Täter auffordern es zu löschen – damit habe man aber auch kein Beweismaterial mehr für einen Zivilprozess.

Was kann ich tun, wenn ich ein solches Upskirting-Foto von meinem Intimbereich im Netz finde?

Betroffene können gegen die Plattform, auf der es veröffentlicht wurde, vorgehen. In einem „notice-and-takedown-Verfahren“ kann man die Plattform auffordern, das Bild umgehend zu löschen.

Wenn die Frau den Täter kenne, könne sie sich auch gegen ihn wenden und von jedem, der das Bild im Internet veröffentlicht hat, verlangen es zu löschen. 

Ist ein Gesetz, dass Upskirting verbietet, sinnvoll?

„Dem Gerechtigkeitsgefühl trägt die deutsche Rechtslage nicht Rechnung“, meint Christian Solmecke. Es könne nicht sein, dass ein solches Verhalten kaum sanktioniert wird.

„Ich halte es für realistisch, dass ein solches Gesetz kommt.“, meint der Anwalt. In der Vergangenheit hätten auch konkrete Anlässe zu einem Gesetz geführt, wie zum Beispiel nach den sexuellen Übergriffen an Silvester 2015 in Köln. 

Ein Vorbild kann das Gesetz aus Großbritannien sein. Dort ist Upskirting seit Januar 2019 verboten. Tätern droht bis zu zwei Jahren Haft. Auch in England hat eine junge Frau den Anstoß zu dem Gesetz gebracht.

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