Hilfe bei sexueller Belästigung„Gerade an Karneval meinen viele Männer, alles sei möglich“

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11.11.2021 Köln Elfter im Elften auf der Zülpicher Straße.

Im Gedränge kann viel passieren: Hier der Elfte im Elften auf der Zülpicher Straße.

Sexuelle Belästigung ist nicht nur an Karneval ein Thema, aber da besonders. Wo Frauen und Männer in Köln Schutz finden. 

Karneval in Köln, das heißt vor allem viele Menschen, enges Schunkeln und Bützen. Doch was, wenn andere einem näher kommen, als man möchte? Wohin können sich Frauen und Männer wenden, die bedrängt werden? Zum Beispiel an Edelgard. Das Projekt richtet sich an alle, die sexualisierte Gewalt im öffentlichen Raum erfahren. Das sind in den allermeisten Fällen Frauen und Mädchen, selbstverständlich können sich aber auch Männer melden. Zu Karneval sind besonders viele Helferinnen in der Stadt im Einsatz. Im Gedränge ist die Gefahr hoch, Opfer eines Übergriffs zu werden. Wir erklären, wie Edelgard funktioniert und wie man sich beim Feiern am besten verhalten sollte. 

Was ist Edelgard und wie funktioniert es?

Edelgard ist ein Zusammenschluss verschiedener Schutzangebote in Köln, zum Beispiel der Diakonie Michaelshoven, dem Frauenberatungszentrum Köln, dem Notruf für vergewaltigte Frauen, dem Sozialdienst katholischer Frauen, der Polizei und der Stadt Köln. Träger ist die Kölner Initiative gegen sexualisierte Gewalt, die sich nach den Silvester-Übergriffen 2015/2016 gegründet hat. Der Begriff Edelgard steht für edel und aufrecht, gard bedeutet Zaun oder Schutz. Die Kampagne besteht aus mehreren Bausteinen.

Edelgard-Logo

Wo dieses Edelgard-Zeichen klebt, befindet sich ein sicherer Ort.

Ein wichtiger Teil ist „Edelgard schützt“, der Frauen im Kölner Stadtgebiet sichere Orte und niedrigschwellige Hilfe bieten soll. Diese Orte sind von außen gekennzeichnet mit dem Edelgard-Aufkleber, der Zeichnung einer Frau mit feuerroten Haaren und einer Lanze in der Hand. Überall, wo dieses Zeichen klebt, finden Frauen und Mädchen Schutz, die sich durch Kommentare, Anstarren, unerwünschtes Anfassen oder körperliche Übergriffe belästigt und bedroht fühlen. Mehr als hundert Apotheken, Restaurants, Geschäfte, Unternehmen oder Cafés gehören dazu, auf der Edelgard-Homepage sind alle sicheren Orte auf einer Karte, der Edelgard Map, verzeichnet.  

Wer sich belästigt fühlt, kann hier hingehen und bekommt Hilfe. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind geschult, lassen die Frauen zur Ruhe kommen und hören ihnen zu. Dann wird geklärt, was anschließend gemacht werden soll. Wollen Sie jemanden anrufen? Möchten sie einfach nur nach Hause? Wollen sie Anzeige erstatten? Ist eine ärztliche Behandlung nötig? Sollen anonym Spuren gesichert werden?

Was bietet Edelgard an Karneval an?

Ein anderer Baustein der Kampagne ist „Edelgard mobil“. Bei Großveranstaltungen in Köln sind erfahrene und geschulte Fachfrauen vor Ort, die die Frauen beraten und unterstützen und bei Bedarf zu einem sicheren Ort begleiten. Damit möglichst schnell und umfassend geholfen werden kann, arbeitet Edelgard mit Rettungskräften und Ordnungsamt zusammen. 

An den bekannten Hotspots rund um Heumarkt, Altstadt und Zülpicher Platz sind am 11.11. Info-Teams unterwegs, die einerseits Infomaterial verteilen und andererseits ansprechbar sind für alle, die sich bedrängt oder belästigt fühlen. Außerdem sind die Beraterinnen von 11 Uhr bis 1 Uhr über die Telefonnummer 0221/221-27777 erreichbar, helfen weiter und holen die Frauen bei Bedarf da ab, wo sie sich gerade befinden.

Wie kann man sich vor Übergriffen schützen?

Irmgard Kopetzky arbeitet beim Notruf für vergewaltige Frauen in Köln, der auch zum Edelgard-Netzwerk gehört. Für sie ist es am allerwichtigsten, dass niemand alleine mit Fremden mitgeht. „Gerade an Karneval sind viele Männer unterwegs, die meinen, dass an diesen Tagen in Köln alles möglich ist“, sagt sie. Als Gruppe sollte man deshalb unbedingt zusammen bleiben, aufeinander aufpassen und möglichst auch gemeinsam nach Hause gehen. Ein weiterer Tipp von ihr: „Speichern Sie sich die Edelgard-Nummer auf jeden Fall schon mal ins Handy ein, damit Sie im Ernstfall schnell handeln können.“

Irmgard Kopetzky

Irmgard Kopetzky arbeitet beim Notruf für vergewaltige Frauen in Köln, der auch zum Edelgard-Netzwerk gehört.

Um bedrohlichen Situationen möglichst aus dem Weg zu gehen, sollte man sich nicht mitten im Gedränge, sondern am Rand aufhalten, wo man einfacher flüchten kann. „Menschenmassen sind unberechenbar“, weiß Kopetzky. Grundsätzlich sollte man immer auf das eigene Gefühl hören und ernst nehmen, wenn es einem zu viel wird. Wird die eigene Grenze überschritten, gilt es, sich räumlich zu distanzieren. „Wo diese Grenze ist, ist bei jedem anders. Die einen finden es super, wenn sie dauernd gebützt werden, die anderen mögen das gar nicht und wollen nicht so viel Nähe. Nein heißt nein, auch im Karneval. Das muss klar sein“, sagt Kopetzky.

Wie schützt man sich vor K.o.-Tropfen?

„Nehmen Sie keine offenen Getränke von Fremden an, sondern nur verschlossene Flaschen. Wenn es unbedingt etwas im Glas sein muss, nehmen Sie es nur, wenn Sie selbst gesehen haben, wie es zubereitet wurde. Lassen Sie Ihr Getränk keinesfalls unbeaufsichtigt stehen“, rät Kopetzky. Wer das Gefühl hat, dass mit ihm irgendwas nicht stimmt, sollte das unbedingt seinen Freunden oder auch dem Thekenpersonal, Ordnern oder Sanitätern sagen.

„Holen Sie sich unbedingt rechtzeitig Hilfe, wenn Sie sich benommen fühlen. Von K.o.-Tropfen fällt man nicht von einer Sekunde auf die andere um. Die Wirkung kommt schleichend. Manche wissen das nicht und denken, sie seien einfach nur stark betrunken“, erklärt Kopetzky. Wer sich schwach fühlt, sollte das Gefühl ernst nehmen und mit einer Freundin an die frische Luft gehen. Je nach Stärke der Dosierung und der eigenen Konstitution muss man sogar ins Krankenhaus. Im schlimmsten Fall können die Tropfen zu Atemlähmung und Herzstillstand führen.

Anonyme Spurensicherung nach einem Übergriff

In Köln gibt es die Möglichkeit, nach Sexualstraftaten oder auch nach einem möglichen K.o.-Tropfen-Einsatz anonym Spuren sichern zu lassen. Dieses Angebot gilt auch für Männer. In Köln bieten die Frauenklinik im Krankenhaus Holweide, das Evangelische Krankenhaus in Kalk, die Universitäts-Frauenklinik, das Evangelische Krankenhaus Weyertal, das Heilig-Geist-Krankenhaus in Longerich und das Krankenhaus Porz am Rhein die anonyme Spurensicherung an. Alle Spuren am Körper werden gerichtsverwertbar gesichert sowie – bei Verdacht auf K.o.-Tropfen – Blut und Urin abgenommen. Die Proben werden anonym und zehn Jahre lang in der Rechtsmedizin gelagert. Entscheidet man sich doch zu einer Anzeige, kann man mit einer Chiffre-Nummer darauf zurückgreifen.

Wo finden Männer Hilfe, die sich bedroht fühlen?

„Bei uns haben auch schon einige Jungs und Männer angerufen, die Probleme hatten, auch wenn das bei Frauen deutlich häufiger passiert“, erklärt Kopetzky. Grundsätzlich gelten für Männer die gleichen Vorsichtsmaßnahmen wie für Frauen. Kopetzky rät außerdem dazu, sich vor Ort zunächst an die jeweiligen Ordnungskräfte zu wenden. 

Beratungsstellen und Hilfsangebote

Am 11.11. ist das Edelgard-Team unter der Nummer 0221/221-27777 von 11 Uhr bis 1 Uhr erreichbar.  www.edelgard.koeln

Notruf und Beratung für vergewaltigte Frauen, Frauen gegen Gewalt e.V., 0221/562035. Hier hinterlässt man eine Nachricht und wird so schnell wie möglich mit unterdrückter Nummer zurückgerufen. Melden kann man sich auch per Mail an mailbox@notruf-koeln.de. Hier finden Sie auch Informationen zur anonymen Spurensicherung nach Sexualstraftaten. www.notruf-koeln.de

Bundeshilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 116 016, Beratung in 18 verschiedenen Sprachen, auch in Gebärdensprache und leichter Sprache, außerdem Chat und Online-Beratung,  rund um die Uhr erreichbar www.hilfetelefon.de

Informationen zu KO-Tropfen: www.ko-tropfen-koeln.de

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