Nachhaltigkeits-CheckPlastikbeutel oder Obst- und Gemüsenetze – was ist besser?

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Statt in Einwegbeutel packen Verbraucher Obst und Gemüse immer häufiger in Mehrweg-Netze. 

  • Obst und Gemüse muss vom Supermarkt-Regal nach Hause transportiert werden. Nur wie? Damit befasst sich unser aktueller Nachhaltigkeits-Check.
  • In der Serie beleuchten wir Produkte mit ähnlicher Funktion und klären: Welches ist besser für uns und unseren Planeten?
  • Mehrweg-Netze gibt es heute in fast allen Supermärkten als Alternative zum dünnen Plastik-Knotenbeutel. Doch das eigentliche Übel ist ein anderes.

Köln – Äpfel, Birnen und Zucchini, sie liegen einladend im Regal und müssen irgendwie mit. Also ab in das dünne Plastikbeutelchen, schnell zugeknotet und mitgenommen. Kein Chaos im Einkaufswagen und entspanntes Abwiegen an der Kasse. Keine Möhre fällt durchs Gitter und keine Tomate rollt davon. 

Wir mussten erst viele erschreckende Bilder sehen von Meerestieren, denen unser Plastikmüll zum Verhängnis wurde, um diese gängige Praxis zu hinterfragen. Inzwischen bieten fast alle Supermärkte Mehrweg-Netze als Alternative zu den Plastiktütchen  – auch Knotenbeutel genannt – an. Aber ist deren Nutzung wirklich ökologisch sinnvoller?

Der Plastikbeutel: Er ist dünn und leicht und kostenlos. Er fällt beim Abwiegen von Obst und Gemüse nicht ins Gewicht, belastet das Einkaufsbudget des Verbrauchers also nicht zusätzlich. Die Materialmenge ist sehr gering, zur Herstellung wurde also auch eine überschaubare Menge an Ressourcen verbraucht. Doch die Anzahl macht’s.

Beim Wochenendeinkauf nutzt ein einzelner Verbraucher gut und gerne mal acht Beutel. Äpfel, Birnen, Kiwis. Ein Kopf Salat, Tomaten, Paprika, Kartoffeln, Champions, Zwiebeln. Und schon sind es neun. Deutschlandweit werden nach Schätzungen der Umweltorganisation Nabu jährlich mehr als drei Milliarden dieser Beutel verbraucht.

Das ist dann doch ziemlich viel Plastik, für dessen Herstellung Erdöl und Energie benötigt werden, und das dann für maximal eine Stunde (vom Regal bis in den Kühlschrank) genutzt wird, bevor es im Müll, bestenfalls im Gelben Sack landet. Apropos: Ab in den Gelben Sack, schwupp in die Recycling-Maschinerie, aus alt mach neues Plastik. Daran stirbt kein Fisch. Wo also ist das Problem?

„Das geht nicht ohne Verluste“, betont Rolf Buschmann, Abfall-Experte beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Zwar liegen wir mit unserem Gelbe-Säcke-System, das in den 90er Jahren (damals Grüner Punkt) eingeführt wurde, europa- und weltweit ziemlich vorn. Doch nur knapp 50 Prozent unseres Plastikmülls werden tatsächlich wiederverwertet, ein Teil davon zudem unter nicht immer ganz klaren Bedingungen im Ausland – wo die Tüten dann eben doch im Meer landen könnten.

Der Rest wird verbrannt. Und die dadurch gewonnene Energie könne nur einen sehr geringen Teil der Ressourcen aufwiegen, die für die Herstellung der jeweiligen Produkte verbraucht wurden, sagt Buschmann. 

Das Mehrweg-Netz: Es ist ökologisch gesehen ein Fortschritt, aber kein Heilsbringer. Der Lebensmittel-Einzelhändler Rewe hat die Netze 2018 als eine der ersten Supermarktketten eingeführt. 8,5 Millionen Stück davon seien bis heute verkauft worden, teilte der Konzern auf Anfrage mit. Allerdings sei mittlerweile „eine Sättigung der Nachfrage feststellbar – die monatlichen Verkaufszahlen sinken leicht“.

Andere Supermärkte sind nachgezogen, die Netze gibt es inzwischen fast überall und viele Menschen haben ein paar davon im Einkaufskorb. Damit sich an der Kasse das Gewicht der Netze nicht auf den Preis des jeweiligen Gemüses oder Obstes niederschlägt, bedarf es allerdings des richtigen Netzes im richtigen Supermarkt.

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Das kritisiert Rolf Buschmann vom BUND: „Viel effizienter wäre es natürlich, wenn sich die Supermärkte auf ein genormtes Netz für alle einigen könnten.“ Ob und wie viele Plastikbeutel durch den Verkauf der Netze eingespart wurden, weiß man bei Rewe nicht. Darüber wird nicht Buch geführt.

Und aufgepasst, wie bei allen Mehrwegverpackungen gilt: In Sachen Nachhaltigkeit macht das Netz nur dann Sinn, wenn es wirklich mehrfach genutzt wird. Je häufiger, desto besser. Wird es nur einmal verwendet, verhindert es also nur den Verbrauch eines einzigen Plastikbeutels, weist es eine deutlich schlechtere Öko-Bilanz auf als dieser.

Plastikfasten Umdenken zur Fastenzeit: In Deutschland werden 14 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr verbraucht, so viel wie in keinem anderen Land in Europa. Deshalb ruft die Umweltorganisation BUND parallel zur österlichen Fastenzeit dazu auf, bewusst auf Plastik zu verzichten und unter #plastikfasten Erfahrungen, Tipps und Ideen rund um einen Alltag ohne Plastik in den sozialen Medien zu teilen. www.plastikwende.de

Plastikatlas Es ist im Boden, im Wasser und in der Luft. Wir essen Plastik, tragen Plastik als Kleidung am Körper und schmieren uns Kosmetik mit Mikroplastik ins Gesicht. Das Ausmaß der „Plastikkrise“ umreißt der „Plastikatlas“, in dem die Heinrich Böll Stiftung und der BUND „Daten und Fakten über eine Welt voller Kunststoff“ zusammengestellt haben.

www.bund.net

Es gibt die Mehrwegnetze aus Plastik oder aus nachwachsenden Rohstoffen wie Baumwolle oder Hanf. Der Unterschied: Plastik ist leichter, langlebiger und verbraucht in der Produktion weniger Ressourcen. Baumwoll- oder Hanfbeutel bedürfen bei der Herstellung eines größeren Aufwands, liegen dafür aber in Sachen Abfallentsorgung vorn: Sie hängen nicht auch in 400 Jahren noch im Gebüsch, sondern sind biologisch abbaubar.

Fazit: Egal ob wiederverwendbares Netz oder Plastikbeutel – besser als die bei Obst und Gemüse noch immer sehr häufig angebotene Vorverpackung sind beide. Hier gilt es umzudenken, denn die Kunststoffschalen, Folien und Pappverpackungen, in denen Äpfel, Tomaten, Salat oder Möhren gern angeboten werden, sind die viel größere Verschwendung von Ressourcen und Energie.

Zumal: Wozu brauchen wir sie eigentlich? Ließe sich der Transport vom Supermarktregal zu Kasse und bis in den Vorratsschrank nicht anders bewerkstelligen? „Natürlich“, sagt Abfall-Experte Buschmann. „Das ist reine Gewöhnung.“ Die Supermärkte könnten den Kunden zum Beispiel kleine Körbe zur Verfügung stellen, in denen lose angebotenes Obst und Gemüse zur Kasse transportiert werden kann.

Dort räumt der Verbraucher seine Waren dann direkt in die mitgebrachten, dauergenutzten Taschen oder Körbe. Und schon sind weder Plastikbeutel noch Obst- und Gemüsenetze noch aufwändige Vorverpackungen von Nöten. 

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