Schwieriges UnterfangenCorona macht Vorbereitung der Bundestagswahl zum Hürdenlauf

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Berlin: Ein Wähler wirft seinen Stimmzettel zur Bundestagswahl in die Wahlurne. (Symbolbild)

Berlin – Ein großes Hallo zur Begrüßung, Umarmungen, Köpfe-Zusammenstecken auf den Fluren, Sitzen Schulter an Schulter - Parteitage sind irgendwie politische Familienfeiern. Und das macht sie für die Parteien gerade zu einem Riesenproblem. Denn Familienfeiern stehen in diesem Corona-Herbst im Verdacht, ein Hotspot für Infektionen zu sein. Doch in ziemlich genau einem Jahr wird der Bundestag neu gewählt. Mehr noch: Im kommenden Jahr gibt es auch sechs Landtagswahlen,

Mitte März schon in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz. Es ist wahrscheinlich, dass diese Wahlen und ihre Vorbereitung allesamt noch unter den Bedingungen der Corona-Pandemie und des Infektionsschutzes stattfinden müssen. Sollte sich Covid-19 wieder deutlich stärker ausbreiten, ist offen, in welcher Form die Programmparteitage und Kandidatenwahlen stattfinden werden. Entscheidend ist, was das jeweilige Bundesland entscheidet. Auch der organisatorische Ablauf der Bundestagswahl könnte sehr aufwendig werden, sollte nicht bald ein Impfstoff gefunden sein.

Rechtliche Schwierigkeiten

Aufstellungsversammlungen können rechtlich bisher nicht als ganz oder teilweise digital organisierte Veranstaltungen ablaufen. Das verhindert das Parteien- und das Bundeswahlgesetz. Allerdings haben die Fraktionen von CDU/CSU und SPD einen Entwurf zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vorgelegt. Er sieht „für Fälle einer Naturkatastrophe oder eines ähnlichen Ereignisses höherer Gewalt“ vor, das Bundesinnenministerium per Rechtsverordnung zu ermächtigen, abweichende Regelungen zuzulassen. Kandidaten könnten sich dann schriftlich bewerben und auch auf diesem oder elektronischem Weg vorstellen. Die Schlussabstimmung über die Nominierung müsste dann aber per Briefwahl erfolgen.

Die Grünen halten Versammlungen mit Abstands- und Hygieneregeln zwar für besser als digitale Veranstaltungen. Ihren dreitägigen Parteitag mit 829 Delegierten im November in Karlsruhe planen sie deshalb als Präsenzveranstaltung. Trotzdem wäre Bundesgeschäftsführer Michael Kellner wohler, wenn die Parteien jetzt schon an einer Reform arbeiteten, die gewährleistet, dass Personenwahlen notfalls digital stattfinden können: „Mein Vorschlag zur Gründung einer gemeinnützigen Stiftung, die Software für geheime und sichere digitale Wahlen für gemeinnützige Organisationen und Vereine zur Verfügung stellt, liegt bereits auf dem Tisch.“

Parteitag im Dezember

Bei der CDU geht man derzeit davon aus, dass der schon einmal verschobene Parteitag, wo 1001 Delegierte den neuen Parteichef wählen sollen, nun im Dezember mit Abstands- und Hygienekonzept stattfinden kann. Über das genaue Format will der Vorstand am 14. September entscheiden. Die Aufstellungsversammlungen organisierten Kreis- und Landesverbände in Eigenregie, erklärt ein Sprecher. Einige Verbände seien dazu in große Hallen ausgewichen, manche auf Sportplätze. „Und es gibt auch erste Pläne für Hybrid-Veranstaltungen, bei denen sich die Kandidaten in Video-Schalten vorstellen.“ Gewählt werden solle dann am Versammlungsort „innerhalb eines langen Zeitfensters“.

Die SPD will Ende März 2021 einen eintägigen Parteitag in Berlin abhalten. Dabei geht es um das Programm für die Bundestagswahl im Herbst. Ob es bei dem angedachten Präsenzkonvent - immerhin 600 Delegierte plus Vorstand - bleibt, will man im Willy-Brandt-Haus später im Licht der Pandemie-Entwicklung entscheiden. Für Parteitage und Versammlungen zur Kandidatenaufstellung würden verschiedene Szenarien ausgearbeitet - inklusive Einsatz digitaler Beteiligungsinstrumente, soweit möglich, erläutert ein Sprecher.

Anderer Bundestagswahlkampf als wie bisher

Der Bundestags-Wahlkampf 2021 dürfte nach Einschätzung aus der SPD-Zentrale anders aussehen als bei früheren Wahlen - wohl nach dem Motto: weniger Marktplatz, mehr online. „Da wird es neue Formate geben“, ist man sich bei den Sozialdemokraten sicher. Mit ihrer Reihe „Zukunftsdialog“ veranstaltet die SPD bereits jetzt Online-Debatten. Die FDP macht mit ihrem Parteitag am 19. September eine Art Testlauf. Wegen der Wahlen - vor allem des neuen Generalsekretärs - führt an einem Präsenzparteitag kein Weg vorbei.

662 Delegierte kommen normalerweise - müssen sie aber nicht. Das Stimmrecht könne auch übertragen werden, sagt eine Sprecherin. Eigentlich hätte der Parteitag schon im Mai stattfinden sollen. Nun wird er mit Sicherheit anders ausschauen als früher. Geladene Gäste werde es nicht geben, Flanieren im Saal und auf den Gängen werde nicht möglich sein und für Journalisten werde es nur eine begrenzte Zahl von Arbeitsplätzen geben, so die Sprecherin.

AfD sucht passende Halle

Die AfD ist aktuell auf der Suche nach einer passenden Halle für ihren Parteitag, der Ende November oder im Dezember stattfinden soll. Dort soll ein sozialpolitisches Programm beschlossen werden. Die Wahl der Kandidaten für die Bundestagswahl planen die meisten AfD-Landesverbände für Februar oder März - und suchen dafür jetzt schon extra große Hallen. Nur in Baden-Württemberg, wo Alice Weidel Landesvorsitzende ist, würde man am liebsten schon im kommenden Monat die Kandidaten küren.

Offiziell wird das mit der Angst vor möglichen weiteren Corona-Einschränkungen begründet. Für den Vorsitzenden Tino Chrupalla ist wichtig, dass nicht entschieden wird, die Bundestagswahl selbst nur per Briefwahl stattfinden zu lassen. Er sagt: „Das öffnet der Manipulation Tür und Tor.“ Auch die Linkspartei sieht Video-Formate für Wahlparteitage mit Skepsis. Ihr nächster Parteitag, bei dem nach dem angekündigten Rückzug von Katja Kipping und Bernd Riexinger neue Vorsitzende gewählt werden müssen, ist für den 30. Oktober/1. November geplant.

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„Die Dynamik der Veranstaltung verändert sich massiv, wenn sie online stattfindet“, sagt eine Sprecherin. „Das betrifft die Debatten, aber natürlich auch die Wahlen.“ Deshalb suche ihre Partei nach Wegen für Präsenzveranstaltungen auch unter erschwerten Bedingungen. (dpa)

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