Betreuung im Kindergarten„Kein Kibiz-Wunschkonzert “

Lesezeit 4 Minuten
Barbara und Martin Kirschey haben sich bei der Stadt über die Umsetzung von Kibiz beschwert. (Bild: Ralf Krieger)

Barbara und Martin Kirschey haben sich bei der Stadt über die Umsetzung von Kibiz beschwert. (Bild: Ralf Krieger)

Leverkusen – Was ist „bedarfsgerecht“? Wer sich wie Barbara und Martin Kirschey mit dem Gesetz zur frühen Bildung und Förderung von Kindern - kurz Kibiz genannt - auseinander setzt, stößt auf dieses Wort. Bedarfsgerecht, also dem Bedarf entsprechend, soll das Angebot der Kindertageseinrichtungen ab 1. August sein. Die Kitas sollen unterschiedliche Betreuungszeiten anbieten und den Eltern die Wahl lassen zwischen 25, 35 oder 45 Stunden pro Woche. Doch wer bestimmt den Bedarf?

„Wir wurden nicht gefragt“, sagt Barbara Kirschey verärgert. Ihr Sohn Sören (5) besucht die Städtische Kita Oulustraße in Schlebusch. Im April seien sie in einem Brief darüber informiert worden, dass eine Betreuung von 45 Stunden mit Mittagessen oder 35 Stunden mit Mittagspause vorgesehen sei. Eine Wahl sei den Eltern nicht gelassen worden. „Wir haben dann den Betreuungsvertrag zum Unterschreiben bekommen, schon fertig ausgefüllt“, berichtet Kirschey. Weil ihr Kind bislang 42,5 Stunden in der Kita ist und dort verpflegt wird, sollten es ab August automatisch 45 Stunden werden.

Barbara Kirschey arbeitet als Erzieherin in einem Kölner Kindergarten. Dort sei die Sache „ganz anders abgelaufen“. Die Eltern seien befragt worden und deren Wünschen entsprechend gebe es in ihrer und anderen Kitas die Wahl zwischen verschiedenen Betreuungszeiten.

In der Kita Oulustraße hat der Elternrat schließlich eine Umfrage gemacht. Mit dem Ergebnis konfrontierte er die Stadtverwaltung: Demnach wünschten 50 Prozent der Eltern eine 35-Stunden-Woche - die meisten davon mit Mittagsbetreuung -, weitere 38 Prozent sprachen sich für die 45-Stunden-Woche aus und zwölf Prozent wollten sich mit 25 Stunden Betreuung begnügen.

Oberbürgermeister Ernst Küchler persönlich schickte ein Antwortschreiben und erklärte: Eltern könnten „zwischen den drei wöchentlichen Betreuungszeiten wählen, soweit diese als Ergebnis der kommunalen Jugendhilfeplanung von der Einrichtung als bedarfsgerecht angeboten werden“. Was „bedarfsgerecht“ sei, richte sich eben „nicht nur nach dem subjektiven Interesse betroffener Eltern“. Auch das von den Kitas Machbare sei zu berücksichtigen. Deswegen sei die Stadt wie folgt vorgegangen: Zumeist wurden bestehende Gruppenstrukturen und Betreuungszeiten im Rahmen von Kibiz übernommen. War ein Kind bislang 42,5 Stunden in der Kindertagesstätte und hatte freitags früher frei, so sind es nun 45 Stunden.

Die Kirscheys haben sich gegen die 45-Stunden-Woche gewehrt. Am liebsten hätten sie ihren Sohn Sören 35 Stunden pro Woche in der Einrichtung gelassen, allerdings mit Mittagessen. Doch dieses im Gesetz vorgesehene Modell gibt es an der Oulustraße nicht. Wegen der räumlichen Gegebenheiten kann nur die Hälfte der Kinder ein Mittagessen einnehmen. Auch die 25-Stunden-Woche wird nicht angeboten. Und dennoch wird Klein-Sören auf diese Stundenzahl kommen, weil die Oma ihn künftig mittags abholt. Zahlen müssen die Kirscheys aber für 35 Stunden. Dass es kaum 25-Stunden-Plätze in Leverkusen gibt, ärgert Barbara Kirschey: „Es gibt genügend Eltern, die Zeit haben, sich am Nachmittag intensiv mit ihren Kindern zu beschäftigen.“

Laut Jugendamtsleiter Rainer Gurk gibt es in Leverkusen nur zwei Kitas, die das geringe Stundenkontingent anbieten. „25 Stunden Betreuung sind pädagogisch wertlos“, meint Gurk. Er glaubt, dass bei den Eltern durch „die Verlautbarungen der Landesregierung der Eindruck entstanden ist, Kibiz lässt eine freie Auswahl“. Deswegen mache sich nun Enttäuschung breit. Wer einen Blick ins Gesetz werfe, werde den Passus mit der Bedarfsermittlung durch die Jugendhilfeplanung finden: „Aber wer liest schon ein Gesetz?“

Planungssicherheit

Für die Stadt und die freien Träger von Kitas sei es bei der Umsetzung von „Kibiz“ vor allem um Planungssicherheit beim Personal gegangen. 27 neue Stellen seien in Folge der Gesetzesänderung in Leverkusen geschaffen worden. Dass es bei 5000 Kindergartenkindern einzelne Unmutsäußerungen gebe, sei nicht zu vermeiden. Wer mit dem Angebot seiner Kita unzufrieden sei, könne sich an das Jugendamt wenden und nach einem alternativen Platz mit der gewünschten Stundenzahl fragen. Nach dem Bedarf der Eltern will sich die Stadt indes noch erkundigen, betont der Jugendamtsleiter: „Ende des Jahres werden wir überprüfen, ob das Angebot tatsächlich den Bedürfnissen entspricht.“ Eines jedoch werde es auch dann nicht geben - ein „Kibiz-Wunschkonzert.“

KStA abonnieren