Die Leiche aus dem Moor hat jetzt ein Gesicht

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Wesley Neville ist Spezialist für Gesichtsrekonstruktionen. Hier verfeinert er den nachgebildeten Kopf der Leiche aus dem Worringer Bruch.

Wesley Neville ist Spezialist für Gesichtsrekonstruktionen. Hier verfeinert er den nachgebildeten Kopf der Leiche aus dem Worringer Bruch.

Kölner Mordkommission hatte ihre Arbeit im Juli vorigen Jahres eingestellt. Jetzt hofft sie, den Fall doch noch klären zu können.

Der Fall schien ausweglos. Es gab keine Hinweise, niemand hatte etwas gesehen oder konnte Angaben zu der Person machen. Mitte Oktober des vorletzten Jahres fand ein Pilzsammler im Worringer Bruch eine skelettierte Frauenleiche, die vermutlich schon länger als ein Jahr dort gelegen hatte. Sämtliche Methoden, mehr über die Frau herauszufinden, waren erfolglos. Die Leiche hatte zu lange in dem feuchten Moorgebiet gelegen.

Lediglich die Kleidung war noch halbwegs erhalten: eine auberginefarbene Damensteppjacke, eine helle Jeanshose und ein schwarzer Rollkragenpullover. Immerhin konnte ermittelt werden, dass die 20- bis 30-jährige, vermutlich afroasiatische Frau gewaltsam zu Tode gekommen war.

Bei der Klärung der Identität sollte schließlich eine aufwendige Gesichtsrekonstruktion helfen - ein kompliziertes Verfahren, das nur wenige Spezialisten beherrschen. Die Staatsanwaltschaft hoffte nach dem Leichenfund auf die Mithilfe des amerikanischen FBI, doch dessen Experten waren nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 völlig überlastet. Ein Bonner Gerichtsmediziner wurde zurate gezogen - Fehlanzeige. Eine Identifizierung würde zu lange dauern. Die „Mordkommission Moor“ stellte schließlich im Juli 2002 ihre Ermittlungen aufgrund mangelnder Hinweise ein. Die Hintergründe des spektakulären Mordes blieben im Dunkeln.

Seit kurzem gibt es für die „MK Moor“ aber wieder Hoffnung. Die Kölner übertrugen die Arbeit an Wesley Neville, einen amerikanischen Spezialisten für Gesichtsrekonstruktion. Neville arbeitet im „Florence County Sheriff's Office“ in South-Carolina, eine der wenigen Einrichtungen im Land, die sowohl zwei- als auch dreidimensionale Gesichtsrekonstruktionen anbieten. Neville nahm sich des Falls an und stellte in nur wenigen Wochen anhand des Schädels und einiger Haare der Toten ein dreidimensionales Modell des Kopfes wieder her.

Auf der Internetseite des „Forensic Artist“, wie sich Neville selbst nennt, beschreibt er das Verfahren: Der Schädel wird auf einen drehbaren Ständer gesteckt, um rundherum frei arbeiten zu können. Dann steckt Neville mit Holzstäbchen markante Punkte im Gesicht ab, zum Beispiel am Kinn, unter den Augen und an den Wangen, um später die charakteristische Form des Gesichtes beizubehalten. Er misst die Länge und Dicke der Nase, Mundform und den Augenabstand und setzt dem Schädel Glasaugen ein. Dann übergießt Neville den Schädel mit einer lehmartigen Substanz, die sich den Gesichtsformen genau anpasst. Doch nicht nur die Messungen am Schädel selbst, sondern auch äußere Umstände spielen eine Rolle: In welcher Region und unter welchen Umständen der Tote gelegt hat, verrät den Maskenbildnern später, wie die Haut aussehen muss - eher zart oder vom Leben gezeichnet.

Um die Haare nachzubilden, verwendet Neville echtes Menschenhaar, dem Original möglichst ähnlich. Accessoires wie Brille, Hut und Kleidung fügen die Mitarbeiter in Nevilles forensischem Institut später hinzu. Nur mit solch präzisen Angaben steht am Ende ein möglichst lebensnahes Abbild des Toten da. Dieses hilft möglicherweise bei der Aufklärung eines scheinbar aussichtslosen Mordfalls. Wie im Fall der Frauenleiche aus dem Worringer Bruch, bei dem die „MK Moor“ unter der Rufnummer 02 21 / 2 29-0 nun auf neue Hinweise hofft, die den Fall knapp zwei Jahre später doch noch aufklären könnten.

Wesley Neville bekommt fast täglich Anfragen von Polizeistellen aus der ganzen Welt, die ihn um Hilfe in ungeklärten Fällen bitten. Die Rekonstruktion eines Gesichtes nur mit einem Schädel und einigen Haaren ist dementsprechend teuer.

 www.forensicartist.com

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