Die Mattscheibe wird zum Tribunal

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Fernsehrichterin Barbara Salesch richtet auf der Erfolgswelle.

Fernsehrichterin Barbara Salesch richtet auf der Erfolgswelle.

In Deutschland boomen seit einiger Zeit die Gerichtssendungen. Einschaltquoten in Millionenhöhe sind die Folge dieses Trends. Jeder Sender versucht, sich ein großes Stück vom Gerichtsshow-Kuchen zu sichern.

Im Jahr 1997 / 1998 beschloss das ZDF, eine Gerichtssendung ins Programm zu nehmen. In der Reihe sollten Alltagskonflikte verhandelt werden, und in Folge dessen bekam die Sendung den einfachen Namen „Streit um drei“. Auf echte Richter wurde nicht so viel Wert gelegt, lieber auf realitätsnahe Fälle. Und so wurde der Kölner Rechtsanwalt Eugen Menken zum Richter.

Die Einschaltquoten waren so gut, dass das ZDF nach der ersten Staffel noch weitere Beiträge produzieren wollte, aber Eugen Menken stieg aus. Neue, diesmal richtige Richter waren schnell gefunden: der pensionierte, aber „rückfällig“ gewordene Jurist Guido Neumann (70) und Arbeitsrichter Ulrich Volk. Dank dieser beiden Juristen gibt es „Streit um drei“ auch heute noch, und zwar immer werktags um 15.10 Uhr im ZDF.

Sat 1 bemerkte den Boom um „Streit um drei“ und zog schnell nach. Im Jahr 2000 ging die Court-Show „Richterin Barbara Salesch“ an den Start. Wie der Name schon sagt, war diesmal die Juristin Barbara Salesch (52) Vorsitzende beim Schiedsgericht, an dem erstmals im deutschen Fernsehen auch Staats- und Rechtsanwälte auftraten. Die Einschaltquoten waren jedoch nicht sehr gut. Deshalb machte Sat 1 aus dem Schieds- ein Strafgericht und bewarb die Sendung mit dem Slogan „Echte Kläger, echte Fälle, Richterin Barbara Salesch“. Das brachte die Wende, denn bei der „neuen“ Barbara Salesch wurden nun echt schwere Straftaten verhandelt.

Gerade bei Frauen kam und kommt Richterin Salesch wegen ihrer freundlichen, aber entschiedenen Art sehr gut an. Aber auch die Staatsanwälte sind sehr beliebt. Einziger Nachteil der Sendung (werktags um 15 Uhr auf Sat 1) ist, dass die Rechtsanwälte nicht überzeugen können.

RTL roch den Braten ziemlich flott und schickte nach kurzer Zeit eine eigene Gerichtsshow ins Rennen, allerdings erst um 16 Uhr. Somit stand das „Jugendgericht“ nicht in direkter Konkurrenz mit „Streit um drei“ und „Richterin Barbara Salesch“. RTL engagierte Richterin Dr. Ruth Herz (58) für seine Court-Show, die das Bundesverdienstkreuz für ihr Täter-Opfer-Ausgleich-Projekt erhalten hat. Ebenfalls mit dabei: Dirk Küchmeister und Andreas Kerkhof (bei Barbara Salesch abgeworben) und die Juristen Wolfgang Lohrum, Matthias Klagge und Stefan Loske. Vor dem „Jugendgericht“ werden Straftaten von Tätern im Alter von 14 bis 21 Jahren verhandelt. Erfolg hatte und hat die Sendung vor allem bei Jugendlichen, da im „Jugendgericht“ - typisch RTL - schon mal öfters die Fäuste und schlimme Schimpfwörter fliegen.

Richterin Dr. Ruth Herz ist in der Regel sehr einfühlsam. Zwar mangelt es der guten Juristin an Durchsetzungsvermögen und Strenge, aber ihre Urteile sind fair. Staatsanwalt Dirk Küchmeister ist die Person, die gerne mit der Faust auf den Tisch haut und ab und zu mal laut wird im Gerichtssaal. Staatsanwalt Küchmeister ist sehr sarkastisch, für ihn ist jeder Angeklagte sofort schuldig, wenn er auf dem Anklagesessel sitzt.

Die Juristen sind der einzige Vorteil der Sendung „Jugendgericht“, denn die Zeugen sind absolut schlecht gespielt. Meistens merkt man schon direkt zu Beginn der Verhandlung, ob der Angeklagte schuldig ist. Die behandelten Fälle bewegen sich im Rahmen von „könnte mir auch passieren“ über „gerade noch im Bereich des Erträglichen“ bis hin zu „absolut wirklichkeitsfremd“.

Sat 1 schob eine Gerichtssendung nach (werktags um 16 Uhr) - mit dem Juristen Alexander Hold (40). Der Sender hoffte auf bessere Einschaltquoten wie beim „Jugendgericht“, was auch gelang. Überzeugende Schauspieler trugen ihren Teil dazu bei. Fazit: spannend und interessant. Hold überzeugt durch seine souveräne Art.

RTL gefiel die neue Konkurrenz gar nicht. Also hob man zusätzlich „Das Strafgericht“ und „Das Familiengericht“ ins Programm. Beim Strafgericht werden schwere Verbrechen, z.B. Mord oder fahrlässige Tötung, unter Vorsitz des Juristen Ulrich Wetzel (45) verhandelt. Wetzel bleibt dabei stets kompetent und ruhig, und auch die Schauspieler überzeugen. Resümee: spannende Unterhaltung dank besonders schwerer Vergehen. Beim „Familiengericht“ werden Fälle aus dem Familienrecht wie Scheidung oder Sorgerechtsstreitigkeiten unter Vorsitz von Richter Frank Engeland (41) verhandelt. Emotionen spielen hierbei natürlich oft die Hauptrolle.

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