Ein Wein, der nicht sein darf

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Winzer Ulrich Stein aus Alf an der Mosel.

Winzer Ulrich Stein aus Alf an der Mosel.

Der Moselwinzer Ulrich Stein kämpft für den in Deutschland verbotenen Strohwein.

Alf / Bullay - Der Moselwinzer Ulrich Stein zieht nur sehr zögernd den Korken aus der Flasche mit echtem Strohwein. Immerhin dürfte es diesen 20 Jahren alten edelsüßen Riesling ohne Etikett nach dem Deutschen Weingesetz gar nicht geben. Der 53-Jährige aber mag den Tropfen aus Trauben, die zuerst auf Stroh getrocknet und dann zu Wein vergoren werden, so gern, dass er für eine Strohwein-Genehmigung sogar die Justiz bemüht. „Es ist nicht einzusehen, warum das Verfahren zum Beispiel in Österreich, Frankreich und Italien erlaubt ist, in Deutschland aber nicht“, schimpft er.

Der Weinbau-Ingenieur beruft sich auf eine Jahrhunderte alte und in Büchern überlieferte Tradition der Herstellung von Strohwein in Deutschland, die erst im Jahr 1971 mit einem neuen Weingesetz abrupt beendet wurde. Richter am Verwaltungsgericht Trier wiesen den promovierten Weinbauern daher im vergangenen Jahr in die Schranken und pochten auf das Gesetz, das den Strohwein nicht vorsehe. „Ich mag keine bürokratische Bevormundung und werde für eine Änderung des Weingesetzes notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen“, kündigte der Biologe darauf an.

Stein gilt in Winzerkreisen keineswegs als Querulant, eher als findiger Unternehmer, der seine Weine aus sonnenverwöhnten Steillagen wie der „Alfer Hölle“ gekonnt vermarktet. Einer seiner Rieslinge trägt den Fantasienamen „Traubenflüsterer“.

„Weinhändler sind immer auf der Suche nach Spezialitäten“, sagt Stein, der in seinem Haus auf einem Berg hoch über der Mosel oft auch Kabarett, Literaturlesungen und Musik zum Wein serviert. Seine besondere Spezialität ist seit einigen Jahren Rotwein aus Merlot- und Cabernet-Trauben. „Das Beispiel Rotwein, der bis 1987 an der Mosel nicht angebaut werden durfte, zeigt, dass man nicht jeden bürokratischen Schwachsinn hinnehmen muss“, sagt Stein. Er hofft, dass der nicht gerade billige und immer nur als Nischenprodukt hergestellte Strohwein ähnlich wie der vergorene rote Traubensaft eines Tages legal sein wird.

Bei dem Verfahren entzieht das Stroh den Trauben das Wasser, so dass - wie bei Eiswein oder Trockenbeerenauslesen - Inhaltsstoffe konzentriert werden und eine bessere Qualität des künftigen edelsüßen Weins erreicht wird. Als Stein sich das Verfahren vom Land Rheinland-Pfalz genehmigen lassen wollte, lehnte die zuständige Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier ab. Daraufhin klagte der ehemals als Wissenschaftler bei der Bundesforschungsanstalt beschäftigte Weinbau-Ingenieur gegen das Land - und verlor. Frische und allenfalls auf natürliche Weise leicht eingetrocknete Trauben, aber nicht auf Stroh geschrumpelte Rosinen seien Ausgangsprodukt für Wein, argumentierten die Richter.

Doch ob die Trauben am Rebstock eintrocknen oder auf Stroh - für Winzer Stein ist das einerlei. Mit Blick auf den Strohwein in anderen Ländern der Europäischen Union ließen die Juristen denn auch die Berufung gegen das Urteil zu. Stein hatte immerhin mit einer Flasche „Zeller Kapertchen“ Strohwein von 1970 einen seinerzeit von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) prämierten Wein vorweisen können.

Bis es zur neuen gerichtlichen Bewertung kommt, füllen Stein und sein Bruder Peter in Bullay an der Mosel jährlich rund 45 000 Flaschen mit Tropfen aus naturnahem Weinbau ab. Nur hin und wieder öffnet der Winzer trotz Verbots eine Flasche Strohwein. Doch der Korken trägt nicht den sonst üblichen Namen des Weinguts, sondern die Aufschrift: „Nur für uns.“ (dpa)

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