Erinnerungen ans Bayer-Kaufhaus„Da war's mir zum Heulen“

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Leverkusen – „Wenn ich nach Wiesdorf gekommen bin und in das schwarze Loch geguckt hab', da war's mir zum Heulen.“ Dietrich Bischoff ist 53 Jahre alt, und er hat rund 70 Prozent seines Lebens als Einzelhandelskaufmann im Bayer-Kaufhaus gearbeitet, in dem Leverkusener Traditionshaus, das am 20. Dezember 2007 dicht machte. Richtig Fuß gefasst hat Bischoff seitdem nicht. Und es bedarf auch nicht des Blicks auf die Baustelle im Herzen der Stadt, um den Mann traurig zu stimmen.

Wie er von früher erzählt, von der großen Bayer-Kaufhaus-Familie, von dem Zusammenhalt der Angestellten, von der Hilfsbereitschaft, da legte sich Enttäuschung um seine Mundwinkel. Als ihm eine junge Frau liebevoll in die Wange kniff und fragte, wie es ihm gehe, da wurden seine Augen feucht. Dietrich Bischoff war einer von rund 90 ehemaligen Kaufhaus-Mitarbeitern, die sich am Donnerstagabend in einer Schlebuscher Gaststätte trafen. Und diese Zusammentreffen waren herzlich: Ein Küsschen hier, eine Umarmung dort: „Schätzelein, was machst Du jetzt?“ Es gab sehr unterschiedliche Antworten.

Als der schwarze Tag für das Bayer-Kaufhaus gekommen war, da habe es nur noch rund 65 feste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegeben, erzählte die frühere Betriebsrätin Margarete Daniel. „Viele sind doch vorher schon gegangen, haben sich was gesucht.“ Seit 1998 ist Margarete Daniel in Rente, aber der großen Familie Bayer-Kaufhaus hat die Frau nie den Rücken gekehrt, stand den Leuten in diesen schweren Stunden bei. Sie kennt nicht nur Statistiken und Sozialpläne, sie kennt auch die Menschen, die dahinter stehen, die Sorgen, die Ängste, die Freuden. „Die meisten haben wieder was bekommen“, sagte sie, „bis auf 20“. Die kämpfen heute immer noch um eine Arbeitsperspektive. Eine von ihnen ist 55 Jahre alt. Sie war als Sachbearbeiterin in der Verwaltung tätig und möchte nicht mit Namen genannt werden. Eine Computerschulung habe sie seit der Kaufhaus-Schließung gemacht. „Mal sehen, was jetzt kommt“, sagte sie, und das hörte sich nicht hoffnungsfroh an.

Auch eine ehemalige Kollegin aus der Radio- und Fernsehabteilung lebt zur Zeit noch von Arbeitslosengeld. Die Frau, die 36 Jahre und zehn Monate im Traditions-Kaufhaus gearbeitet hat, brachte rund 40 Bewerbungen zur Post - die Antworten waren Absagen: „Ich bin 53. Da ist es schwer.“ Inzwischen hat sie einen Mini-Job angenommen. Der größte Teil ihres schmalen Verdienstes wird auf ihr Arbeitslosengeld angerechnet. Rund 150 Euro im Monat bleiben ihr zusätzlich durch die Arbeit. „Aber es gibt Leute, die schlimmer dran sind. Ich hab' eine warme Wohnung, ich kann mir noch Essen kaufen, ich habe noch ein Auto.“ Und so ein Klima, wie im Bayer-Kaufhaus, das gebe es sowieso nicht mehr. Das sei vorbei.

Viele Tränen

Elvira Gülden nickte zustimmend. Sie hat vier Monate lang in einem Lederwaren-Geschäft in Köln gearbeitet. Am 1. Januar beginnt sie in einem Schlebuscher Geschäft für Büroartikel. Kollegin Cornelia Ostrowski steht heute an der Rezeption des Frisörladens der Schwester. Sie verdiene heute deutlich weniger als früher, „aber ich hatte keine Lust auf Bewerbungen“, so die 48-Jährige.

Sie haben geheult wie die Schlosshunde, als „ihr“ Kaufhaus dichtmachte. Heute sind Elke Göltzer, Christiane Janke und Margit Franzen ihre eigenen Chefinnen. Die drei Frauen, die auch jahrzehntelang im Bayer-Kaufhaus gearbeitet haben, eröffneten ihren eigenen Laden für gehobenere Mode in Langenfeld. Nicht überhastet, sondern wohlüberlegt und mit Beistand der Industrie- und Handelskammer. Noch können die drei nicht sagen, ob sich das rechnet, „aber unser Steuerberater ist richtig guter Dinge“, sagte Elke Göltzer. „Ohne die Kaufhaus-Schließung hätten wir das nie gewagt.“

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