„Es ist ein bisschen wie Karneval“

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Gleich, Kinder wird's was geben: Zahlreiche Gäste begrüßte Zwieback-Wirtin Doro Kies schon vor der Bescherung am weihnachtlich gesch,ückten Tresen. Besonders hoch im Kurs standen Sekt und Wein.

Gleich, Kinder wird's was geben: Zahlreiche Gäste begrüßte Zwieback-Wirtin Doro Kies schon vor der Bescherung am weihnachtlich gesch,ückten Tresen. Besonders hoch im Kurs standen Sekt und Wein.

Vom Fest der Lieben und der alten Bekannten in der Opladener Neustadt, wo der Heilige Abend nach Sekt schmeckt.

Alle Jahre wieder kommen die Opladener, oft noch mit letzten Weihnachtseinkäufen unter dem Arm, bevor sie das Fest ins Besinnlich-familiäre übergehen lassen, in die Neustadtkneipen, um sich mit Freunden und Bekannten noch stilvoll eine alkoholhaltige Brause zuzuführen. Meistens tropft dazu „Last christmas“ aus den Lautsprechern, das Lied, das von einem jungen Mann erzählt, der sich während des vorigen Weihnachtsfestes unglücklich verliebt hat, oder andere mal mehr, mal weniger beschwingte Weihnachtslieder, die in den vergangenen zwanzig Jahren entstanden sind.

Einstimmung

Etwas länger noch, nämlich seit 1981, so glaubt sich Axel Treyde, Wirt des Schmalztöpfchens an der Wilhelmstraße, erinnern zu können, öffnen die Opladener Wirte ihre Gaststätten, um die Kundschaft gemütlich auf das Fest einzustimmen. „Zwischen 12 und 14 Uhr war es wieder richtig voll“, so Treyde nach dem Frühschoppen am Freitag. Der „Heilige Morgen“ ist auch im „Cotta Nova“ ein paar Schritte weiter zur Tradition geworden, spätestens nach Geschäftsschluss am frühen Nachmittag wird es hier eng, klirren die Sektgläser. Bier schenkt Wirt „Heppes“, dem Anlass angemessen, nicht aus, nur Sekt, Longdrinks oder Wein. Susanne Wildenbusch hat an der Theke alle Hände voll zu tun, während sich die Kundschaft auf den Abend einstimmt.

Heidrun Kopp musste noch bis 14 Uhr arbeiten, Geschenke hatte sie alle beisammen, nur Blumen standen noch auf ihrer Einkaufsliste, bevor ihr Weg sie ins „Cotta“ führte. Seit 20 Jahren, so schätzt sie, kommt sie Heiligabend hierher und trifft Freunde: „Wir stoßen hier nochmal an“, am Abend geht es dann zur Mutter nach Bonn. Sie prostet ihrer Freundin Angelika Twieroff aus Leichlingen zu, die in diesem Jahr das erste Mal vor der Bescherung noch aus ist: „Da ich ein Kind habe, war ich bislang nie dabei.“ Auch sie lässt sich den Sekt schmecken, am Abend geht es nach Düsseldorf zur Familie. „Ich denke, so bis 15 Uhr bleiben wir noch.“

Treffen mit Freunden

Ralf Müller hat es geschickt eingerichtet: Der gebürtige Opladener trifft sich seit Jahren Heiligabend mit Freunden und alten Bekannten: „Früher habe ich mich hier mit Schulfreunden getroffen, jetzt begegnet man hier ehemaligen Mitschülern und alten Bekannten.“ In Köln, wo er jetzt wohnt, bereitet derweil seine Frau das Gelingen des gemeinsamen Weihnachtsabends vor. Auch der Leverkusener Musiker Pit Hupperten sah im Cotta alte Bekannte. Er ist seit mehreren Jahren an Heiligabend unterwegs, bevor „die Prozedur Kirche, Essen, Bescherung“ beginnt. Auf die Kirche bestehe seine Mutter, „sie achtet aus der ersten Reihe genau darauf, ob ich auch da bin“, erklärt er augenzwinkernd. Im vergangenen Jahr war er das erste Mal auch abends „auf der Rolle“, und ihm hat's gefallen: „Man trifft Leute, die man Jahre nicht gesehen hat“, so Hupperten, „und es ist ein bisschen wie Karneval: An dem Tag sind alle gut drauf!“

Angelika Henrichs schlägt seit etwa 25 Jahren den Weg zu Wirt „Heppes“ ein, „seitdem der diesen Frühschoppen anbietet“. Zu Hause ist die Gans bereits gerupft und alles vorbereitet für den besinnlichen Anlass. Abends öffnete sie ihre eigene Kneipe, den „Dschungel“ an der Uhlandstraße. Sie rechnete mit rund 350 Besuchern. Ein anderes Trinkverhalten bei den Gästen an Heiligabend hat sie registriert: „Mehr Sekt, Wein oder Cocktails“ werde bestellt, „vielleicht, weil viele gerade Geld bekommen haben und einfach eine andere Stimmung herrscht.“ Sohn Dennis begleitete sie ins „Cotta“, abends musste er im „Dschungel“ helfen, auch wenn er gerne selbst unterwegs wäre.

Etwas ungebundener konnte Darko Vratonjic das Fest angehen, zumal er als orthodoxer Christ erst am 7. Januar das Weihnachtsfest feiert. Entsprechend genehmigte er sich am Nachmittag mit seiner Freundin ein Glas Wodka-Lemon. Fast alle Opladener Kneipen hatten am Freitag etwa zwischen 10 und 16 Uhr geöffnet.

Hochbetrieb

Ungefähr bis 15 Uhr herrschte in nahezu allen Läden Hochbetrieb, bevor sich langsam alle Gäste in den Kreis der Familie begaben. Gerhard Prattki im „Pentagon“ an der Karlstraße hatte zwischen 14 und 15 Uhr volles Haus, ab 22 Uhr lief die Kneipenszene dann geschlossen langsam wieder weihnachtlich heiß.

Im „Zwieback“ treffen sich seit einigen Jahren unter anderem jüngere Abitur-Jahrgänge des Lützenkirchener Werner-Heisenberg-Gymnasiums, darunter die Zwillingsschwestern Kerstin und Kathrin Braun. Die Stimmung ist gelöst, Küsschen hier, Umarmung da, alle in Schale geworfen, auf dass bloß niemand auf die Idee kommt, man sei womöglich immer noch Bettelstudent. Philipp Schwenke und Philip Ortner haben sich vom gediegenen Outfit im Kreise der Familie mit Anzug und Krawatte erst gar nicht getrennt und stoßen nun mit ehemaligen Mitschülerinnen im schicken Kostüm an. Ortner ist sehr zufrieden mit dem Heiligen Abend, nicht zuletzt mit dem Essen und den Geschenken, in der Kirche war er allerdings, ebenso wie Schwenke, nicht. Dennoch war es auch für Schwenke ein zufrieden stellender Abend mit leckerem Essen, den er erst um ein Uhr im „Zwieback“ fortsetzte, und der um zwei Uhr noch lange nicht zu Ende war. Er wohnt in Berlin und freut sich, zu dieser Gelegenheit regelmäßig alte Bekannte wieder zu treffen: „Da kommen alte Cliquen wieder zusammen,“ alle seien satt und reich beschenkt, dementsprechend sei die Atmosphäre „extrem entspannt.“ Im vergangenen Jahr habe man zu später Stunde sogar Karnevalslieder angestimmt, aber er schwört: „Das ist geiler als Karneval!“

Eine andere Fraktion noch etwas jüngerer Menschen setzte sich rote Papp-Elchgeweihe auf den zum Teil schon benebelten Kopf und stimmte zu später Stunde noch allerneueste Weihnachtslieder an. Nach zwei Uhr wummerte sich die Heilige Nacht für viele erst noch seinem Höhepunkt entgegen, in anderen Kneipen war um ein Uhr bereits besinnliche Ruhe eingekehrt.

Und im nächsten Jahr perlt und tropft es an Heiligabend sicher wieder in der Neustadt.

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