Experten-InterviewEin Spiel mit Kommunikationsformen

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KÖLNER STADT-ANZEIGER Frau Würtz, Sie haben für ein Forschungsprojekt zu einem Flashmob auf der Hofgartenwiese vor der Bonner Uni aufgerufen. Wie kam es dazu?

KATHRIN ROSI WÜRTZ Die Idee dazu kam von unseren Studenten, die praktische Untersuchungen für ein Seminar über visuelle Sozialforschung anstellen sollten. Meine Kollegin und ich waren von von diesem Einfall begeistert. Letztendlich hat uns das ein neues Forschungsfeld eröffnet. Also haben wir unter anderem über das Internetportal studivz zu einem Flashmob aufgerufen. Wir wollten sehen, wie viele Leute daraufhin teilnehmen, aber auch, wie die Zuschauer auf diese Aktion reagieren. Der Flashmob bestand darin, auf der Hofgartenwiese einen 20 Meter langen roten Teppich auszurollen, auf dem sich die Teilnehmer als Stars und als Publikum inszenieren sollten.

Wie groß war die Resonanz?

WÜRTZ Fünf Minuten vorher wussten wir nicht, ob 200 oder zwei Flashmobber kommen würden. Es waren 35. Die Medien waren in einem Umfang vertreten, den wir vorher nicht abschätzen konnten. Sie haben sich offenbar über studivz informiert. Es ist erstaunlich, wie schnell, präzise und gezielt man heute über das Internet solche Aktionen planen kann und wie schnell sich dort Nachrichten verbreiten.

Welche Reaktionen kamen von den Passanten?

WÜRTZ Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Manche haben zugeschaut, andere haben mitgemacht, wieder andere haben so getan, als interessiere es sie gar nicht, was da passiert. In der Soziologie gilt der Grundsatz, dass man sich nicht nicht inszenieren kann. In unserem Fall konnten sich die Passanten an Ort und Stelle nicht dem roten Teppich entziehen. Selbst wenn ein Fahrradfahrer scheinbar unbeteiligt über den Teppich fährt, ist diese Aktion interessant für uns. Im Gegensatz dazu haben es einige Flashmobteilnehmer wahrlich genossen, wie ein Filmstar über den Teppich zu schreiten und sich „in Szene“ zu setzen.

Was schließen sie daraus für Ihre Forschungen an Flashmobs?

WÜRTZ Das Phänomen Flashmob ist in dieser rasanten Form relativ neu, so dass es bislang nur wenige Forschungsergebnisse dazu gibt. Auch wir haben gerade erst angefangen, unsere Ergebnisse auszuwerten. Wir können aber allgemein sagen, dass die Intention der Flashmobber je nach Form der Aktion sehr unterschiedlich ist. Bei nicht politisch motivierten Flashmobs wie unserem geht es vor allem darum, zu schauen, wie die Öffentlichkeit auf etwas reagiert, was nicht ins Alltagskonzept passt. Das macht für die Teilnehmer den Reiz aus. Sinnfrei sind Flashmobs damit keineswegs. Jede soziale Handlung erfährt eine Sinnzuschreibung in Bezug auf einen Anderen.

Was ist das Neue an diesen Aktionen?

WÜRTZ Im Grunde genommen ist das Erlebnis bei einem Flashmob vergleichbar mit dem bei einem Popkonzert: Leute, die sich gar nicht kennen, treffen sich zu einem Gemeinschaftserlebnis, haben zusammen Spaß und gehen dann wieder getrennte Wege. Neu ist allerdings die Verquickung von virtueller und realer Welt. Man verabredet sich im Internet, trifft sich dann zum realen Gemeinschaftserlebnis, dann folgt die Rückanbindung ans Internet, denn die Videos und Kommentare dazu werden in der Regel anschließend ins Netz gestellt. Es handelt sich sozusagen um ein Spiel mit den verschiedenen heute verfügbaren Kommunikationsformen.

INTERVIEW: JASMIN MICHELS

Weitere Infos im Internet unter

 www.hofgartenwiese.de

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