Familiendrama in Lohmar: Vier Tote

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Auf dem Hochwasserschutzdeich an der Agger lag die Leiche des 16 Jahre alten Sebastian S.

Auf dem Hochwasserschutzdeich an der Agger lag die Leiche des 16 Jahre alten Sebastian S.

Lohmar - Vier Tote - das ist die Bilanz eines schrecklichen Familiendramas, das sich gestern Morgen in einem Bungalow an der Straße In der Hühene in Donrath abspielte. Nachdem er seine 41 Jahre alte Frau, mit der er in Scheidung lebt, ihren 40 Jahre alten Lebensgefährten und seinen 16 Jahre alten Sohn erschossen hatte, richtete der 42 Jahre alte Volker S. die Waffe gegen sich selbst. Der Notarzt konnte auch bei ihm nur noch den Tod feststellen. Einzig die elf Jahre alte Tochter Jessica blieb verschont. Der Täter ließ sie nach 30-minütiger Verhandlung mit der Polizei frei.

Gestern um kurz nach sieben Uhr muss der Mann, der in Köln Taxi fährt, in das Haus, in dem er nicht mehr wohnte, eingedrungen sein. Das ergaben die Ermittlungen der Polizei. Nachbarin Irma Schmitz (73) war um Punkt sieben Uhr wach geworden. „Ich habe die Schüsse gehört“, erzählt sie, noch sichtlich unter dem Einfluss des Geschehens.

Ohrenzeuge wurde auch Rolf Mehling. „Ich habe dumpfe Explosionen gehört, das war um 7.12 Uhr“, sagt er. Die Hunde der elfjährigen Tochter hätten aber nicht weiter angeschlagen. Kurz darauf gab es weitere Schüsse. „Dann wurde drüben das Licht ausgemacht“, fährt er fort. An ein Verbrechen dachte er zu diesem Zeitpunkt gar nicht. Familie Mehling ging weiter ihrem Alltag nach, Tochter Anna machte sich zu Fuß auf den Weg zur Schule, direkt vorbei an dem Bungalow.

Volker S. traf im Flur wohl auf seine Tochter, ihr tat er nichts. Doch er bewegte sich weiter zum Schlafzimmer. Im Bett dort lagen Sabine S. und ihr neuer Partner, Robert W. Mit einer Maschinenpistole vom Typ „Uzi“ eröffnete er sofort das Feuer. Mehrere Schüsse trafen die Wehrlosen in Oberkörper und Kopf. Direkt im Anschluss suchte er das Zimmer seines Sohnes Sebastian auf. Der 16-Jährige schlief ebenfalls noch. Sein Vater schoss ihm in den Kopf. „Wir vermuten, dass die Waffe eher auf Einzel- als auf Dauerfeuer eingestellt war“, gab der Leiter der Mordkommission, Reinhold Jordan, später bekannt.

Mittlerweile ist es 7.27 Uhr. Volker S. nimmt sein Handy und ruft die Polizei an. „Ich habe soeben meine Frau, ihren Freund und meinen Sohn umgebracht. Wenn die Polizei kommt, erschieße ich meine Tochter und mich“, die Meldung lässt die Leitstellenbeamten aufhorchen. Direkt werden Kräfte nach Donrath geschickt, die verdeckt arbeiten, um das Kind nicht zu gefährden. Einer der Polizisten ist so genannter Erstsprecher und darauf geschult, Situationen zu stabilisieren. Er spricht mit dem Täter. Nach 30 Minuten kann er ihn dazu bringen, Jessica frei zu lassen. Sie ist unverletzt, bekommt aber sofort einen Arzt und einen Psychologen zur Seite gestellt.

Derweil haben Spezialeinsatzkommandos (SEK) den Tatort erreicht. Sie betreten die Räume, die Terrassentür ist offenbar von dem Taxifahrer bewusst nicht zugeschlagen worden. Sie entdecken die beiden Toten im Schlafzimmer. Sie schlagen ein Fenster ein und sehen den Jugendlichen in seinem Bett. Sie tragen ihn sofort hinaus, weil sie nicht sicher sind, ob er noch lebt. Immer noch gibt es den Telefonkontakt, der Erstsprecher versucht, den Mann zur Aufgabe zu bewegen. Plötzlich hören die SEK-Kräfte einen Schuss, sie gehen nun schneller vor und finden den 42-Jährigen auf dem Dachboden, Waffe und Handy liegen neben ihm. Es ist 9.48 Uhr. „Bei mir war ein Mann auf dem Balkon, der hatte eine Sturmhaube auf und ein Gewehr dabei“, mitten hinein gezogen in das Drama wurde Irma Schmitz, nach dem sie aufgestanden war. „Der kommt schon mal vorbei“, beschreibt sie die Besuche von Volker S., nach dem sich das Paar im März getrennt hatte. Eine Vereinbarung, dass er zur Untermiete weiter im gemeinsamen Haus wohnen könne, funktionierte auf Dauer nicht. „Irgendwas war da im Busch“, erinnert sich Irma Schmitz. Nachbarin Karla Hartstock weiß noch mehr zu berichten. „Er schickte auch seine Freunde vorbei.“ Geheuer waren ihr die nicht. Von lautstarken Auseinandersetzungen am Telefon und im Haus berichten Nachbarn. Auf dem neuen, grauen Briefkasten mit dem Namen des Lebensgefährten ist in Großbuchstaben „BALD“ eingeritzt.

Im vergangenen Jahr hatte Volker S. seine Gattin, so erinnern sich die Anwohner, auf der Straße verprügelt. Danach wurde die Trennung akut. Eine besondere Bedrohungslage gab es für die Polizei nicht. Zu zwei Einsätzen wurden sie zwar in diesem Jahr gerufen, ein von ihm angedrohter Selbstmord mit Tochter per Verkehrsunfall stellte sich für die eingesetzten Polizisten jedoch als nicht glaubwürdig heraus. Der versuchte Einbruchdiebstahl gab ebenfalls keinen Anlass zur Sorge.

Karla Hartstock denkt noch an ein Gespräch, das sie vor kurzem mit Sebastian geführt hat. „Sein angehender Vater sei so toll, hat er stolz verkündet. Der Junge war so happy. Er hatte ja auch eine schwere Jugend“, meint sie. Früher habe er sich kaum vor die Tür getraut, jetzt sei er aufgetaut. Das bestätigt Antoinette G., sie habe einen guten Draht zu ihm gehabt und öfter ein Schwätzchen mit ihm gehalten, berichtet sie. Sichtlich betroffen sind die Menschen in dem kleinen und ruhigen Donrath, dass mitten unter ihnen so etwas passieren kann.

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