Hans-Peter Meyer„Ich bin relativ normal bekloppt“

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Dieser Mann will nicht in einem Heim leben. Der Schlebuscher Hans-Peter Meyer möchte ein Haus bauen, in dem Behinderte selbstständig leben können.

Dieser Mann will nicht in einem Heim leben. Der Schlebuscher Hans-Peter Meyer möchte ein Haus bauen, in dem Behinderte selbstständig leben können.

Schlebusch – Die Wintersonne schickt ihre Strahlen in das Wohnzimmer von Hans-Peter Meyer. Direkt auf die vielen unterschiedlichen orthopädischen Geräte, die der 53-jährige um eine kleine Sitzgruppe formiert hat. An den Wänden hängen gerahmte Erinnerungen aus einer Zeit vor seinem jetzigen Leben. Sie dokumentieren, dass er einst ein fröhlicher und geselliger Mensch war. Gegenüber der Sprossenwand hat er Fragmente seiner Kreativität in die Jetztzeit hinüber gerettet. Er malt. Es sind Bilder mit kräftigen Farben. Eine Kunsttherapeutin unterstützt den in Leverkusen geborenen ehemaligen Ingenieur bei der Wahl der Motive. „Das ist jetzt mein Hobby“, sagt Meyer, der bis zu seinem 37 Lebensjahr mit Leidenschaft segelte oder Motorrad fuhr. Und als musikalischer Alleinunterhalter, der einst seinem Mitschüler aus Schlebusch, Henning Krautmacher von den Höhnern, das Gitarrenspiel beibrachte, mischte er manche Party ordentlich auf. „Da war ich mitten im Leben“, sagt Meyer. Dabei senkt er ein wenig den Blick und ein Hauch von Traurigkeit und Wehmut liegt in seiner Stimme.

Jetzt bittet er in sein Arbeitszimmer, als wolle er sich lösen von der Vergangenheit und den Besucher mit seiner Gegenwart konfrontieren. Denn dieser Raum ist ein Dokument des Kampfes mit seiner Behinderung und Meyers Kampf gegen die Behörden. In unzähligen Ordnern hat er seinen Leidensweg zwischen Verzweiflung und Euphorie archiviert. Und derzeit, sagt er, überwiegt die Euphorie, weil „ich relativ normal bekloppt bin“. Sagt einer, der halbseitig gelähmt auf den Rollstuhl angewiesen ist, eine gestörte Atmung hat, dessen Sprechvermögen eingeschränkt ist, der zwei Jahre künstlich ernährt wurde, weil er kein Schluckvermögen hatte, sein Temperaturempfinden, sein Seh- und Orientierungsvermögen gestört sind und zum Aufstehen, Waschen, Frühstücken, bei allen anderen Mahlzeiten und dem Ankleiden fremde Hilfe benötigt.

Seine Euphorie speist sich auch aus seinem Wunsch nach einem eigenständigen Leben. Er will nicht mehr in einem Heim „vegetieren, schon gar nicht mehr in einem Altenheim“, sondern in einer Hausgemeinschaft ein selbständiges Leben führen, „schließlich muss man in meinem Alter an die Rentenzeit denken“, sagt er und man entdeckt ein verschmitztes Lächeln auf seinem Gesicht, welches schnell einer Entschlossenheit weicht, mit der er sein Projekt durchziehen will. Drei Jahre hat er in Krankenhäusern und Heimen verbracht. Doch da will er nie wieder hin. Weil die Leute, die dort hin abgeschoben werden, „keine Bewohner, sondern Insassen sind“.

Sein Plan: Von seinem „Restgeld“, wie er das nennt, will er ein Haus bauen lassen, ebenerdig und barrierefrei, möglichst parallel zur Fußgängerzone in Schlebusch. Keine Wohn- sondern eine Hausgemeinschaft will er gründen, in der jeder seine eigene Wohnung hat, in der jeder selbstständig leben kann. Seine Vision: Eine Interessengemeinschaft, die sich gegenseitig hilft, in einem gemeinsam zugänglichen Raum sich zwanglos trifft und Ideen austauscht. Unterstützt von einem Zivildienstleistenden oder einer Pflegekraft und „einem Therapeuten, der uns fit hält“. Die wichtigste Vorgabe: Sein Plan und seine Vision für ein Wohnprojekt Gleichgesinnter will er ohne klerikale Träger, ohne Unterstützung sozialer Einrichtungen „privat durchziehen", damit wir „wieder am normalen Leben teilhaben können“. Zwei Gleichgesinnte hat er bereits für seine Idee begeistert, die bei der Finanzierung mit einsteigen und mit ihm in sein Wunschhaus einziehen wollen. Außerdem kennt er noch mehr Behinderte, die in der Lage sind, eine von zehn geplanten Wohnungen zu kaufen oder zu mieten. Eine Bank hat bereits verbal Interesse signalisiert, einen fiskalischen Anschub für das nach Meyers Schätzungen 1,8 bis 2,5 Millionen Euro teure Objekt zu leisten. Investoren wollen die drei bei ihrer einmaligen Initiative unterstützen. Wenn alle Planungen abgeschlossen und die notwendigen Genehmigungen erteilt worden sind, rechnet er damit, dass Ende 2009 der Rohbau steht und im ersten Quartal 2010 bezugsfertig ist. Dann, sagt Meyer, dessen Eltern längst verstorben sind und dessen zwei Brüder vor zehn Jahren einem Krebsleiden erlagen, „dann sitze ich nicht mehr allein am Tisch.“

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