LärmDie Güterzug-Hölle

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Sebastian Effinger auf dem Balkon seiner Wohnung am Alteburger Wall. (Bild: Rakoczy)

Sebastian Effinger auf dem Balkon seiner Wohnung am Alteburger Wall. (Bild: Rakoczy)

Köln – Am Sonntagabend den „Tatort“ zu gucken, ist bei Sebastian Effinger kaum möglich. Vor allem im Sommer, wenn die Fenster offenstehen. Hinter dem Haus am Alteburger Wall 31 rattern die Güterzüge auf dem Weg zum Güterbahnhof Eifeltor so laut vorbei, dass seine Frau Janine und er kaum ein Wort verstehen. Drehen sie den Ton am Fernseher lauter, wachen im Zimmer nebenan die Kinder Mattis und Lola auf. „Manchmal klirren und vibrieren die Gläser auf dem Tisch, wenn die Züge fahren. Selbst bei geschlossenen Fenstern kann man sich kaum unterhalten“, klagt Sebastian Effinger.

Seit anderthalb Jahren wohnt er mit seiner Familie in der Altbauwohnung in der Südstadt. Der in Aachen praktizierende Gynäkologe hat das Schmuckstück gemeinsam mit seiner Frau gekauft und renoviert. Die Wohnung ist groß und hell, der Chlodwigplatz und der Rhein sind um die Ecke, alles könnte so schön sein – wäre da nur nicht der Dauerlärm. „Natürlich habe ich damit gerechnet, dass es hier laut ist, als wir herzogen“, stellt er klar. „Aber nicht so laut!“

Seiner Meinung nach ist es in den vergangenen Monaten rund um sein Haus noch lauter geworden. An einem normalen Wochentag fahren die Züge im Takt zwischen 60 Sekunden und sieben Minuten; nach 23 Uhr reduziert sich die Frequenz auf fünf bis 15 Minuten, hat Effinger notiert. Die Personenzüge stören ihn wenig. Laut seien vor allem die Güterzüge. „Die rattern wir irre. Vor allem, wenn Autos drauf sind.“ Und weiter: „Natürlich muss man mit Lärm rechnen, wenn man hundert Meter neben den Gleisen wohnt. Mich ärgert aber, dass die Bahn uns Lärmschutzwände versprochen hat, aber immer noch nichts passiert ist.“

Tatsächlich steht schon seit drei Jahren fest, dass es auf den Gleisen hinter seinem Haus laut genug ist, um einen Schutzwall zu bauen: „Nach den Ergebnissen der schalltechnischen Untersuchung könnte eine zwei Meter hohe Schallschutzwand errichtet werden“, heißt es in einem Schreiben der DB Projekt-Bau. Baubeginn hätte laut Effinger in diesem Jahr sein sollen. Die Bahn habe ihm jedoch mitgeteilt, dass weitere Jahre bis zum Start vergehen würden. Die Planungen seien zwar abgeschlossen und das Geld vorhanden. Grund für die Verzögerung sei die Umleitung der Züge während der Bauarbeiten. Die Streckenplanung für die Umleitungsphase nehme zu viel Zeit in Anspruch. 2014 sollten die Bauarbeiten aber abgeschlossen sein. Sebastian Effinger tröstet das nicht. „Wir wissen ja, was in Köln von solchen Zeitvorgaben zu halten ist. Und so lange kann es wohl nicht dauern, eine Wand aufzustellen, dass dafür monatelang die Bahnen umgeleitet werden müssten.“

Auch der Preis spielt eine Rolle bei der Verzögerung: Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung schreibt, dass „bei einem Gesamtumfang von rund 3500 Kilometern zu sanierender Streckenabschnitte und Gesamtkosten in Höhe von 2,5 Milliarden Euro der zeitliche Rahmen der Umsetzung von den jährlich zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln bestimmt wird“. Es werde bevorzugt saniert, wo besonders viele Anwohner betroffen seien. Vor wenigen Wochen hat die Bahn deshalb damit begonnen, auf einer Strecke von 2,3 Kilometern an der Trasse zwischen der Venloer Straße im Norden und dem Eifelwall im Süden neue Lärmschutzwände zu bauen. Zwei weitere Wände entstehen am Zülpicher Wall und an der Gabelsbergerstraße. Das kostet 4,6 Millionen Euro. Zusätzlich werden 700 Wohnungen, die nicht unmittelbar an den Gleisen liegen, aber dennoch von Zuglärm betroffen sind, mit Schallschutzfenstern ausgestattet.

Familie Effinger kann ihre Fenster nicht auf Kosten der Bahn erneuern und doppelt verglasen lassen – weil auch für die Gleise hinter ihrem Haus Schutzwände vorgesehen sind. Einer Förderrichtlinie der Bahn zufolge wird nämlich entweder das eine oder das andere gemacht: Schallschutzfenster oder Schallschutzwände. Beides geht nicht. Und ein Rechtsanspruch besteht auch nicht. Lärmschutz an bestehenden Bahntrassen sind eine freiwillige Leistung des Bundes.

Die Bahn ist längst nicht das Einzige, was den Familienvater Effinger stört. „Es hört nie auf mit dem Lärm“, befürchtet er. Die oberirdischen Bauarbeiten zur Nord-Süd-Bahn auf der Bonner Straße seien zwar endlich beendet, dafür gebe es aber auch wieder mehr Verkehr. Oft stauten sich die Autos und hupten. „So haben wir zu den Gleisen hinten einen schönen Lärmausgleich nach vorne“, sagt er lakonisch. Vor kurzem hätten zudem Bauarbeiter den Bürgersteig vor seiner Haustür aufgestemmt, um Leitungen zu verlegen. „Meine Kinder wissen ganz genau, wie Schaufel- und Löffelbagger aussehen. Sie können aber kein Schaf von einer Ziege unterscheiden. Eigentlich liebe ich das Leben in der Stadt. Ich komme aus dem Bergischen und würde nie mehr dahin zurückwollen. Aber manchmal wird mir der Krach hier einfach zu viel.“

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