Leben am WasserWo Napoleon den Rheinblick genoss

Lesezeit 4 Minuten
Vom vorderen Bereich des Wohnzimmers blickt man auf die geschwungene Holztreppe, den Flügel und die Sitzgruppe an der Fensterfront zum Rhein. (Bild: Stefan Worring)

Vom vorderen Bereich des Wohnzimmers blickt man auf die geschwungene Holztreppe, den Flügel und die Sitzgruppe an der Fensterfront zum Rhein. (Bild: Stefan Worring)

Köln – Zu den Begriffen, die für den Kölner Stadtteil Mülheim charakteristisch sind, gehört das Adjektiv „exquisit“ eher nicht. Dennoch hat es seine Berechtigung, wenn man den Wiener Platz (oder das damit verbundene Bild) ausblendet und sich auf den Charme von „Haus Krahnenburg“ einlässt, das Baron Freiherr Othmar von Diemar mit seiner Frau Gaby, Sohn und Hund bewohnt.

Der fremde Besucher ist nach Betreten des Anwesens überwältigt und überfordert zugleich: Wo - bitteschön - soll man sich niederlassen, wenn nahezu jeder Raum derart einladende Gelegenheiten und obendrein so viele reizvolle Betrachtungspunkte bietet? Nimmt man auf dem entzückenden antiken Sesselpaar im vorderen Bereich des Wohnzimmers Platz, um den geschwungenen Treppenaufgang und den Bechstein-Flügel aus den 1930er Jahren bewundern zu können?

Schaut man der steinernen Schutzpatronin „Beatrice“ über die Schulter und späht dabei die Wildcamper am anderen Ufer aus? Begibt man sich auf Kunst-Entdeckungstour, die in diesem Haus immer wieder zu Bildern oder Skulpturen von Dieter Teusch führt? Wählt man den Schattenplatz im Garten mit Blick auf die sorgfältig restaurierte Fassade; den Beifahrersitz im Ferrari; die Stelle im Innenhof, wo der Brunnen sprudelt oder prescht man direkt hoch ins Schlafzimmer, genießt vom Bett aus den Blick auf den Rhein und fühlt sich einen Moment wie Napoleon, der einst in diesem Gebäude logiert haben soll?

In einem Anwesen, wo selbst im Ankleidezimmer eine Corbusier-Liege wartet, ist die Platzwahl wahrlich nicht leicht. Knapp 1000 Quadratmeter Wohnfläche sind viel. „Zu viel!“, wie der Hausherr betont. Dabei dürfte es dem 63-Jährigen nicht allein aufgrund seiner Rennfahrer-Vergangenheit leicht fallen, geschwind von einem Gebäudeflügel zum anderen zu gelangen. Was ihn bremst, ist eher seine Neigung zum Perfektionismus, seine Penibilität. Hier ein Unkrautpflänzchen, das vorwitzig über das Hofpflaster schießt, dort eine glanzlose Stelle im Parkett - das darf bei einem „Oberflächenfetischist“, wie er sich lächelnd bezeichnet, nicht sein. Also greift er selber zur Bohnermaschine und sorgt eigenhändig für „eine Patina wie in einem Schloss“.

Baron von Diemar hat das direkt neben dem „Rhein-Gymnasium“ gelegene Anwesen 2004 „sehr spontan erworben“ und „nur aus Prinzip“ eine Nacht drüber geschlafen. Ausschlaggebend für den Kauf sei neben der Lage am Wasser vor allem „die tolle Energie“ des Gebäudes gewesen. Es sei „ein richtiges Wohlfühlhaus“; geprägt von den Menschen, die früher darin gelebt hätten. Allerdings habe er damals den Faktor Arbeit unterschätzt, sagt von Diemar, den es deshalb schon wieder wegzieht. „Am liebsten in die Innenstadt. Etwa 200 Quadratmeter würden ihm genügen. Aber darüber sei seine Frau nicht so glücklich.

Das gesamte Interieur sei von ihrem Gespür für Ästhetik geprägt, bekennt der Baron. Augenscheinlich trug aber auch er zum Gesamtbild bei. Viele der antiken Stücke, die in harmonischem Kontrast zur modernen Kunst und den Möbelklassikern stehen, hat er von Reisen nach Polen oder Italien mitgebracht. Das „atemberaubende Tischchen“ vor dem Wohnzimmerfenster etwa stammt aus Krakau, das marmorne Fundament für die gläserne Esstisch-Platte hat er in Assisi aufgelesen.

Angesprochen auf den Faktor Neid antwortet von Diemar: „Ich versuche, nicht darauf zu achten.“ Er selber habe bereits „mit 14 nix mehr von zu Hause bekommen“ und sein Geld zunächst auf dem Bau verdient. Lange saß er im Vorstand der Schmalbach-Lubeca AG, eines Unternehmens der Verpackungsindustrie in Ratingen. Seit seinem Ausscheiden 2002 ist der ehemalige Unesco-Botschafter im Immobilien-Bereich tätig und als Management-Coach. Wahrscheinlich werde er auch wieder „einen Job als Interims-Manager annehmen“.

„Hier waren früher Appartements“, sagt der Hausherr mit einer Geste zum Esszimmer. Dann erzählt er, das um 1758 erbaute Haus sei zuletzt eine Art Hostel gewesen, wo Mitarbeiter aus Mülheimer Fernsehproduktionsfirmen gewohnt hätten. Von Diemar führt die Besucher ein Stockwerk tiefer zu den Räumlichkeiten, die selbst bei größter Hitze wohltemperiert bleiben. Das sind der Wellness- und Fitnessbereich, wo im Winter ab und zu Theaterspiele stattfinden, und natürlich der Weinkeller mit den flüssigen Kostbarkeiten. Er selber trinke wenig Wein, sagt er.

Die zahlreichen weißen Ledersessel und Sofas im Haus zeigen keinerlei Abnutzungsspuren. Der Boden glänzt. Das Foto von der Audienz beim Dalai Lama ebenfalls. Lediglich am hinteren, zum Rhein gerichteten Wohnzimmerfenster liegen - dahingestreckt - drei, vier Fliegenleiber. Sie hätten bei ihrem letzten Flug - zumal in Mülheim - weiß Gott schlechter landen können.

KStA abonnieren