Mariele Millowitsch„Bitte guckt in meine Seele“

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Mariele Millowitsch als Marie Brand. Die Kölner Schauspielerin verkörpert in der neuen Krimi-Serie eine Ermittlerin mit dem siebten Sinn. (Bild: ZDF)

Mariele Millowitsch als Marie Brand. Die Kölner Schauspielerin verkörpert in der neuen Krimi-Serie eine Ermittlerin mit dem siebten Sinn. (Bild: ZDF)

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Frau Millowitsch, die Rolle der Marie Brand ist Ihnen wie auf den Leib geschneidert. . .

MARIELE MILLOWITSCH: Der Autor Alexander Adolph hatte bei unserem ersten Treffen bereits ein dickes Paket voller toller Ideen dabei. Da war schnell klar, wo es hingeht und es lief mit meinen Vorstellungen konform.

Kennen Sie Maries „Ich habe alles falsch gemacht“-Gefühl?

MILLOWITSCH: Nein, das ist mir Gott sei dank noch nicht passiert, dass ich mit dem Rücken zur Wand stand. Marie Brand ist so empfindlich, wenn sie nicht auf ihre Instinkte und ihren Bauch hört, dann geht etwas schief. Aber man kann es auch so sehen: Es gibt keine Fehler, es gibt nur Erfahrungen.

Wobei das Macho-Getue von Jürgen Simmel alias Hinnerk Schönemann einigermaßen gewöhnungsbedürftig ist.

MILLOWITSCH: Der guckt zu viel „CSI: Miami“. Und er hört nicht richtig hin. Aber dafür hat er die Kollegin an seiner Seite, die aufpasst. Er schafft es ja auch nicht, sie zu verprellen, obwohl er sich richtig viel Mühe gibt. Marie sagt zu ihm: „Sie können machen was Sie wollen, tief innen drin sind Sie ein guter Mensch“.

Marie zieht dann blitzschnell Schlüsse aus ihren Beobachtungen. Wie steht's da mit Mariele Millowitsch?

MILLOWITSCH: Ich bin nicht so flott im Analysieren und habe auch keine gute Menschenkenntnis. Ist leider so.

Als Marie können Sie mit beiden Händen gleichzeitig Formulare ausfüllen. Wie geht das denn?

MILLOWITSCH: Daran habe ich lange gearbeitet.

Und sie liebt Zahlen...

MILLOWITSCH: Primzahlen, das ist ihre Meditationsebene, dort kommt sie zur Ruhe.

Ist das Fernsehen wirklich so schlecht wie Marcel Reich-Ranicki meint?

MILLOWITSCH: Irgendjemand hat einmal gesagt: Das Fernsehen macht Kluge klüger und Dumme dümmer. Ich glaube, das stimmt. Die Klugen müssen nur leider immer lange aufbleiben.

Wobei das Internet inzwischen neue Möglichkeiten des Fernsehkonsums bietet...

MILLOWITSCH: Da ist ein Umbruch im Gange. Ich bin aber kein intensiver Internet-Nutzer. Mails sind ganz praktisch, aber nach einer halben Stunde surfen habe ich genug und nehme mir ein Buch. Ich bin ein Bücher Freund

Sie lieben Frauen, die hellsehen können, analytisch denken und sich nicht einschüchtern lassen.

MILLOWITSCH: So wäre man doch selbst gerne. Ich finde Menschen toll, die alles mitkriegen. Im Alltag geht einem doch so viel durch die Lappen.

Es fällt auf, dass immer mehr ältere Schauspielerinnen und Moderatorinnen auf dem Bildschirm zu sehen sind.

MILLOWITSCH: Ich glaube, weil man gemerkt hat, dass eine Schauspielerin, die ein paar Jahre mehr auf dem Buckel hat, auch mehr zu erzählen hat. Und man hat wohl endlich festgestellt, dass die Erde keine Scheibe ist und Frauen gar nicht so blöd sind. Aber es gibt immer noch einen Unterschied zu Männern zum Beispiel was die Bezahlung angeht. Da sind wir noch weit weg von Emanzipation.

Wie gelingt es Ihnen, als bekannte und viel beschäftigte Schauspielerin im Kontakt mit „normalen Menschen“ zu bleiben?

MILLOWITSCH: Ich bin seit elf Jahren mit dem Anwalt Alexander Isadi zusammen und habe ein wunderbares Privatleben. Vor Kurzem hat mich die Leiterin eines Altenheims gefragt, was eigentlich ein Regie-Assistent beim Film macht und im Gegenzug hat sie mir erklärt wie die Arbeiter-Wohlfahrt funktioniert. Das sind für mich Helden des Alltags.

Sie haben über Ihren Vater Willy Millowitsch gesagt, dass er im Grunde seines Herzens von großen Versagensängsten getrieben worden sei. Kennen Sie diese von sich selbst?

MILLOWITSCH: Die haben wir Schauspieler alle. Davon bin ich überzeugt. Das ist der Motor. Ich glaube nicht, dass man gut sein kann, wenn man keine Angst davor hat, es nicht zu sein. Das Paket schleppt man mit sich rum. Da können Sie auch andere Kollegen fragen. Das ist die Kehrseite der Medaille. Und manche greifen deswegen auch zu vermeintlichen „Hilfsmitteln“ wie Alkohol oder ähnlichem.

Bei Bühnen-Schauspielern scheint das nicht anders zu sein.

MILLOWITSCH: Armin Mueller-Stahl hat kürzlich bei „Beckmann“ gesagt, er sei am Anfang seiner Karriere nicht gut gewesen, weil er Angst hatte, sich zu blamieren. Wenn es Szenen gibt, in denen man sich bloß stellt, nackte Angst oder Demütigungen zeigen muss, ist das sehr schwer. Es ist nicht so einfach zu sagen: „Hier, bitte guckt in meine Seele“. Danach braucht man jemanden, der einen in den Arm nimmt.

Woher beziehen Sie Ihr Selbstbewusstsein?

MILLOWITSCH: Keine Ahnung, ich hab's einfach. Glück gehabt. Ich habe kein so tolles Selbstwertgefühl, das ist bei uns Frauen ja häufig so. Wir können uns so schlecht verkaufen. Aber es wird immer besser.

Ist das einer der wenigen Vorteile des Älterwerdens?

MILLOWITSCH: Absolut. Die Gelassenheit nimmt zu, das kann ich nur unterschreiben.

Zurück in die Vergangenheit: 1983 waren Sie ein Jahr lang im Ensemble des Düsseldorfer Kom(m)ödchens.

MILLOWITSCH: Von Kay Lorentz habe ich viel gelernt. Aber es war auch ein ziemlicher Druck, auf einer Kabarett-Bühne zu stehen. Ich wollte da ganz besonders gut sein.

Da kommt es wie in einer guten Comedy auf präzises Timing an.

MILLOWITSCH: Der Rhythmus muss sitzen. In einem Krimi hat man etwas mehr Spielraum. Mein Lieblingsspruch ist: „Der Hänger ist die Schwester des Ausdrucks“. Im Ernst: wenn man in einem dramatischen Moment plötzlich den Text vergisst, kann man drei bis vier Sekunden intensiv gucken bis man weiter weiß und es fällt nicht auf. Das gibt es bei der Comedy gar nicht.

Ganz schwere Frage: wozu sind wir auf der Erde?

MILLOWITSCH: Dass Sie mich das fragen. Da müssten Sie zu einem Philosophen gehen. Das weiß keiner. Aber es gibt einen schönen Witz: Treffen sich zwei Planeten. Fragt der eine: „Wie geht's?“ Sagt der andere: „Mir geht's ganz schlecht, ich hab' Homo sapiens“. Antwortet der: „Kein Problem, das gibt sich“. Vielleicht sind wir ja eine Hautkrankheit für unseren Planeten.

Sind Sie gläubig?

MILLOWITSCH: Wenn da oben jemand ist, der einen Plan hat, dann verstehe ich ihn nicht. Vielleicht ist es ja so, dass wir uns selber ausrotten und eines Tages ist Ruhe.

Sie haben erzählt, dass Sie sich seit dem Tod Ihres Vaters immer wieder mit ihm unterhalten.

MILLOWITSCH: Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde als wir uns träumen lassen. Die Naturwissenschaften haben auch noch nicht das Gegenteil bewiesen.

Das Gespräch führte Marianne Kolarik

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