Psychotherapeutin soll die idyllische Wasserburg räumen

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Sieglinde Esch bei der Arbeit: Die Therapeutin verdient vorwiegend mit Tantra-Massagen ihren Lebensunterhalt.

Sieglinde Esch bei der Arbeit: Die Therapeutin verdient vorwiegend mit Tantra-Massagen ihren Lebensunterhalt.

Neun Millionen Mark investierte der Eigentümer Professor Harald von Elmendorff in das Gemäuer.

Euskirchen / Burg Veynau - „Jetzt ist uns auch noch das Öl ausgegangen. Und ich sitze mit meinen beiden Kindern im Kalten“: Sieglinde Esch ist momentan nicht zu beneiden. Sie wohnt und arbeitet seit Sommer 2003 auf der idyllischen Wasserburg Veynau. Zunächst lief auch alles prima - bis Ende vergangenen Jahres das Euskirchener Bauordnungsamt auf der Matte stand. Die Herren von der Stadt schlugen die Hände über dem Kopf zusammen: Sie dürfe kein Gewerbe in der Burg ausüben, hieß es.

Namasté-Institut

Sieglinde Esch ist seit 15 Jahren Psychotherapeutin und ausgebildete Heilpraktikerin, verdient aber einen wesentlichen Teil ihres Lebensunterhalts mit Tantra-Massagen und anderen esoterischen Therapien. Im Juli hatte die Therapeutin ihr „Namasté“-Institut von Erftstadt in die Wasserburg Veynau bei Satzvey verlegt. Nachdem der Reiner-Nitschke-Verlag, der seit 1997 auf der Burg residierte, ins „Klösterchen“ nach Euskirchen umgezogen war, standen die Räumlichkeiten der historischen Burg leer.

Professor Harald von Elmendorff, der Eigentümer der Burg, war schließlich froh, mit Sieglinde Esch wenigstens einen neuen Mieter für den Westflügel gefunden zu haben. Er hätte die historische Feste zwar lieber komplett vermietet. Aber für ein solch großes Objekt gibt es nicht allzu viele Interessenten, wie von Elmendorff im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erklärte.

Monatelang konnte Sieglinde Esch unbehelligt ihre Kundschaft empfangen. In einem der runden Turmzimmer hatte sie einen Therapieraum mit viel Atmosphäre eingerichtet, in einem weiteren einen Raum für ihren gehbehinderten Sohn. Das geräumige Kaminzimmer im Hauptgebäude diente als Empfangsraum und Büro. Ein Stockwerk höher war Platz genug für die Küche und ein Schlafzimmer, das von Frau Esch und ihrem zweiten Sohn benutzt wird.

Nach dem Besuch des Bauordnungsamtes flatterte der Therapeutin eine mehrseitige Ordnungsverfügung ins Haus. In diesem Schreiben wurde ihr von der Behörde untersagt, den Rundturm im Westflügel der Burg gewerblich oder zu Wohnzwecken zu nutzen. Außerdem wurde ihr die „sonstige Wohnnutzung in den von Ihnen bezogenen Räumen der Burg Veynau“ untersagt. Unter Gewährung einer Übergangsfrist bis zum 1. April 2004. Mit anderen Worten: Die Stadt forderte Sieglinde Esch und ihre beiden Kinder auf, sich eine neue Bleibe und einen neuen Sitz für das als Ich-AG geführte Namasté-Institut zu suchen.

„Ich gehe hier freiwillig nicht raus“, gibt sich Frau Esch kämpferisch. Schließlich habe sie auch eine erkleckliche Summe in den Bau eines Badezimmers gesteckt, das das Bauordnungsamt ebenfalls für illegal hält. „Ich habe durch die Ordnungsverfügung zurzeit kein Einkommen mehr und kann deshalb auch keine Miete oder Nebenkosten zahlen“, erklärte sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Kreuzunglücklich über die verfahrene Situation ist auch Burgherr Professor Harald von Elmendorff. Der emeritierte Hochschullehrer aus Köln ist nach dem Auszug des Nitschke-Verlags finanziell arg in die Bredouille geraten, weil er keinen solventen Nachmieter finden konnte. Ein weiterer, Anfang des Jahres geschlossener Mietvertrag platzte, weil der Mieter nicht zahlte.

Millionen-Zuschuss

Von Elmendorff gibt Sieglinde Esch die Schuld an dem Dilemma: Als Mieterin habe sie sich selbst um die Genehmigungen kümmern müssen, die eine gewerbliche Nutzung der Räumlichkeiten in der Burg erfordert hätten. Andererseits hat der Professor kein Verständnis für die Rigorosität, mit der die Stadt gegen die Therapeutin vorgegangen sei. Selbst dem Nitschke-Verlag habe man eine dreistündige Nutzung des Turms pro Tag zugestanden.

Berthold Rothe, der Leiter des städtischen Bauordnungsamtes, wollte sich diesen Schuh nicht anziehen: „Wir müssen uns in diesem Fall streng an die Brandschutzverordnung halten. Für den Turm gibt es keinen zweiten Fluchtweg. Deshalb mussten wir eine Nutzung untersagen“, erklärte Rothe auf Anfrage. Möglichkeiten, dem Eigentümer und der Mieterin auf irgendeine Weise entgegenzukommen, sah er nicht.

Von Elmendorff hatte in den 90er Jahren fünf Millionen Mark in die Renovierung der Wasserburg investiert; vier Millionen zusätzlich waren vom Denkmalschutz geflossen. „Ich hätte die Burg von Anfang an selbst als Wohnhaus nutzen sollen. Dann wäre das alles nicht passiert“, klagte der Professor. Derartige Immobilien seien derzeit so gut wie unverkäuflich.

„Wenn ich hier wirklich ausziehen muss, kann ich nur noch Sozialhilfe beantragen. Dann hat sich die Stadt ins eigene Fleisch geschnitten“, meinte Sieglinde Esch schulterzuckend. „Der Brandschutz geht vor: Mir ist eine lebende Sozialhilfeempfängerin lieber als eine tote Therapeutin“, verteidigte sich Amtsleiter Rothe.

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