SammlerEine kleine heile Welt im Maßstab 1:48

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Anheimelnd wirkt das Porzellan-Städtchen Quester-Ville. Alle Häuschen können beleuchtet werden. (Bild: Grönert)

Anheimelnd wirkt das Porzellan-Städtchen Quester-Ville. Alle Häuschen können beleuchtet werden. (Bild: Grönert)

LINDENTHAL – Es weihnachtet sehr im amerikanischen Städtchen Quester-Ville. Allüberall glitzert feinster Pulverschnee: Auf der Kirchturmspitze und den Dächern der Häuser, auf den schmalen Straßen und dem Marktplatz. Dort hat sich ein Chor postiert, neben einer mächtigen Tanne - beileibe nicht der einzige festlich dekorierte Christbaum im Ort. Durch das erleuchtete Fenster einer hochherrschaftlichen Villa ist zum Beispiel ein weiteres Bäumchen zu sehen, mitten im Salon. Keine Frage, in dieser anheimelnden Siedlung, die sich behaglich in eineweiß überzuckerte Berglandschaft schmiegt, wartet alles sehnsüchtig aufden Weihnachtsmann.

„Er ist schon auf dem Weg“, versprechen Monika und Werner Quester, die Schöpfer der aus 30 beleuchteten Porzellanhäuschen bestehenden Stadt. Gerade hat Father Christmas seinen fliegenden Rentierschlitten außerhalb der „Ortschaft“ gelandet - direkt am Rand jener 3,50 mal 1,50 Meter großen Holzplatte, auf der das Ehepaar sein „Weihnachtsdorf“ nach amerikanischem Vorbild arrangiert hat. In dreiwöchiger Arbeit haben sie die Siedlung in ihrem Lindenthaler Wohnzimmer aufgebaut - und ihr den Namen Quester-Ville gegeben.

Normalerweise steht in dieser Ecke das Sofa. „Wir haben es in die Mitte des Raums geschoben, direkt vor die Anlage“, erklärt Monika Quester lächelnd. Was sich als praktisch erweist. Noch immer können sich die beiden nämlich nicht satt sehen an der eigenen Weihnachtswelt, an der spitzgiebeligen Fachwerk-Idylle mit ihren Kornmühlen, den putzigen Krämerläden, dem rotgestrichenen Klo-Häuschen, der Eisenbahnlinie und der altmodischen „Union Station“. Also sitzen die Questers manchen Abend auf der Couch und erfreuen sich an diesem Wunderwerk im Zuckerbäcker-Stil der Charles-Dickens-Zeit.

Wie kaum ein anderer Schriftsteller wird der englische Autor mit dem Christfest in Verbindung gebracht, seit er 1843 seine berühmte Weihnachtsgeschichte um den Geizhals Ebenezer Scrooge veröffentlichte. Und jene 200daumengroßen Figürchen, die Quester-Ville bevölkern, könnten einem seiner Werke entsprungen sein. Man bevorzugt biedermeierlich inspirierten Mode-Schick, trägt Gehröcke, bodenlange Kleider, Umhängetücher, Zylinder und Schutenhüte, deren breite Krempen das Gesicht umrahmen - und man liebt die passende Architektur.

Schon 15 Jahre lang sammelt das Ehepaar solche Püppchen und Porzellanhäuser aus Amerika. „Damals sind wir in die USA gereist und entdeckten schnell die typischen Christmas-Shops - riesige Läden, die ganzjährig Weihnachtsdekoration verkaufen“, sagt Monika Quester. Das Angebot an Weihnachtsdörfern, deren Ursprünge bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen, sei überwältigend gewesen, ergänzt die 50-Jährige. Der Brauch geht auf deutsche Einwanderer zurück. Erste Vorläufer des „Christmas Village“ erinnerten noch an klassische Krippen, die die Emigranten aus ihrer Heimat kannten - angereichert allerdings um eine Farm und eine Kirche. Im Lauf der Zeit wuchs das Ensemble zu einer Mini-Siedlung heran; als „Bau-Material“ diente neben Holz und Pappe zunehmend auch Porzellan. Inzwischen findet die Tradition in Deutschland ebenfalls immer mehr Anhänger.

Bei den Questers bildete ein Starter-Set mit Bäckerei, Optikergeschäft und Metzgerei den Grundstock für die Sammlung. Anfangs kam sie noch in einem Regalfach des Wohnzimmerschranks unter. Inzwischen sind die Questers stolze Besitzer einer handbemalten Porzellanarchitektur im Wert von mehreren Tausend Euro, und selbst auf der großen Holzplatte findet längst nicht alles Platz. Deshalb erschaffen sie alle Jahre wieder ein anderes Städtchen, manches wird ausgemustert, Neues kommt hinzu. Auch Trottoirs, Treppchen, Mäuerchen und gepflasterte Straßen. Werner Quester stellt sie selbst her, „aus Styropor, das mit einem Lötkolben mit Spezialaufsatz bearbeitet wird“, wie der 52-Jährige erläutert. So wird die Struktur von Kopfsteinpflaster oder Mauerwerk ins weiche Material gebrannt.

Die Häuschen bestellt das Ehepaar aber weiterhin in den USA. Mittlerweile verkaufen die beiden, die zudem ihren Jobs als Steuerfachgehilfin und Inhaber einer Werbeagentur nachgehen, über den eigenen Online-Shop auch selbst solche Porzellandörfer von der Firma Lemax. Neugierige Besucher laden sie nach Terminabsprache ins Wohnzimmer ein, um ihnen die heile Weihnachtswelt im Maßstab 1:48 zu präsentieren. Deshalb wird das Ensemble auch nicht vor MitteFebruar wieder in Kisten und Kartons verschwinden. Es weihnachtet also noch ein paar Wochen in Lindenthal - fast bis zur Karnevalszeit.

Wer Kontakt mit der Familie Quester aufnehmen will, meldet sich unter der Rufnummer 40 94 60, oder über E-Mail.

Weihnachtswelt@aol.com

 www.kleine-weihnachtswelt.de

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