„Schule muss ganz anders funktionieren“

Lesezeit 3 Minuten

Wenn Elke Mrotzek und Ilonka Lück über das deutsche Schulsystem sprechen, können sie sich bei der Aufzählung der vielen Defizite schnell in Rage reden: zu große Klassen, gestresste Lehrer, genervte Schüler. Es werde aussortiert anstatt individuell gefördert. An den Gymnasien habe eine „gnadenlose Verdichtung“ einen „enormen Leistungsdruck“ zur Folge.

Die beiden Frauen wissen, wovon sie reden, denn sie haben beruflich als Psychologin und Pädagogin mit Folgen des Systems zu tun. Sie behandeln Kinder mit Schulproblemen, die mit schnellen Legasthenie- oder ADS-Diagnosen zur Behandlung geschickt wurden. „Wir arbeiten mit Kindern in der Therapie, die eigentlich nicht zu uns kommen müssten, wenn die Schule anders funktionieren würde“, sagt Mrotzek.

Es soll nicht bei der Kritik bleiben. Die beiden Mütter haben eine GmbH gegründet, um zeigen zu können, wie es besser geht: Lück und Mrotzek wollen am 18. Januar in Braunsfeld die „Claudia-Agrippina-Privatschule“ eröffnen - eine Ganztagsschule für alle, die in kleinen Klassen von bis zu 14 Schülern auf alle möglichen Abschlüsse vorbereiten kann. Die Kinder sollen individuell je nach Leistungsfähigkeit in allen Fächern, aber immer im gemeinsamen Klassenverband gefördert werden - ein integriertes System, von dem zurzeit in den aufgeregten schulpolitischen Debatten so viel die Rede ist. Die „Claudia-Agrippina-Privatschule“ will zeigen, wie eine gute Schule aussehen kann.

Die Bezirksregierung hat die Genehmigung für die neue Ergänzungsschule noch nicht erteilt. Das Antragsverfahren läuft. Einiges müsse noch geklärt werden, heißt es in der Behörde des Regierungspräsidenten. Ilonka Lück und Elke Mrotzek sind zuversichtlich, alle Anforderungen erfüllen zu können. Ein altes Bürogebäude wird derzeit zum Schulhaus umgebaut, bald beginnt die Suche nach geeignetem Lehrpersonal. Diplom-Pädagogin Lück will die Schulleitung übernehmen.

Pädagogische Experimente sollen im Namen von Claudia Agrippina nicht gemacht werden. Es entstehe kein Schonraum für Kinder, sondern ein Ort, an dem „solide Grundbildung“ und die Fähigkeiten zum selbständigen Lernen vermittelt werden. Als einzige Schule in Köln will sie versuchen, Kinder nach ihrer individuellen Lernfähigkeit zu benoten. Das würde bedeuten, dass ein Kind, das mit dem Mathebuch eines Gymnasiums lernt, schlechtere Noten bekommen kann als ein Klassenkamerad, der leichte Aufgaben auf Hauptschulniveau lösen muss. Alle Kinder behalten zu jeder Zeit die Chance, jeden Abschluss zu erreichen. Diese interne Differenzierung in jedem einzelnen Fach zu organisieren, dürfte eine der größten Herausforderungen im Schulalltag werden.

Die individuelle Förderung in kleinen Klassen mit Ganztagsunterricht hat ihren Preis: 650 Euro kostet der Schulbesuch im Monat. Das ist nicht wenig, allerdings deutlich günstiger als andere private Schulen in Köln. „Wir wollen keine Reichenschule werden“, sagt Mrotzek. Sie baut einen Förderverein auf, für den sie Menschen mit Geld gewinnen will. Der Verein soll Patenschaften für Kinder aus sozial schwachen Familien übernehmen oder im Einzelfall Zuschüsse zum Schulgeld zahlen.

Kommentar Seite 25

KStA abonnieren