Stippeföttche: Nackte Wahrheiten

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Immer wieder gern gesehen: Stippeföttche auf dem Alter Markt.

Immer wieder gern gesehen: Stippeföttche auf dem Alter Markt.

Die alten Schweden taten es schon in der Bronzezeit, französische und italienische Seeleute und Fischer taten es im Mittelalter, Frauen in den östlichen Karpaten taten es - Stippeföttche tanzen, Popo an Popo. Die Kölner Jecken, vor allem die Roten und die Blauen Funken, tun es noch heute, allerdings nicht, ohne vor der ganzen Welt zu behaupten - in typisch kölscher Manier - sie hätten das Ritual erfunden, als Persiflage auf Exerzier-Übungen des preußischen Militärs. Die Anthropologin Dr. Gisela Asmus wußte es schon 1973 besser. In dem kölschen Brauch würden "Züge sichtbar, die zeitlich tief hinabreichende Wurzeln und damit sehr alte Überlieferungen vermuten lassen", war das Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung. Einer der ältesten Stippeföttche-Funde ist ein Felsbild in Fossum an der schwedischen Westküste aus der Bronzezeit (etwa 1800 bis 800 vor Christus), das Männer zeigt, die Knie leicht gebeugt, die Hintern nah beieinander.

Haben die Altvorderen im hohen Norden etwa schon auf echt kölsche Art Fastelovend gefeiert? Das wohl nicht, so die Doktorin. Doch erkennt sie in dem Bild von Fossum eine Ur-Version des "Stippeföttche"-Tanzes. Die Felsgravur sowie zahllose andere Darstellungen aus den Jahrtausenden danach hätten eines gemein: Das nackte Gesäß in gebückter Haltung sei ein vorchristlicher Abwehrzauber, "eine Demutshaltung, um böse Kräfte, Götter und Dämonen zu besänftigen". Aber auch noch zur Zeit des Christentums wird von italienischen Fischern berichtet, die in Seenot das Föttchen zeigten und dabei christliche Heilige anriefen - worauf sich der Sturm sogleich gelegt habe.

Die Kirche zeigte sich unbeeindruckt und verteufelte die heidnische Geste - wie zunächst auch den ursprünglich heidnisch-römischen Karneval insgesamt. Irgendwie müsse der eine Brauch in den anderen eingeflossen sein, ist sich Gisela Asmus sicher. Wahrscheinlich ist, daß sich die "Symbolik der Demutshaltung" in das genaue Gegenteil verkehrt hat und höheren Mächten wie dem Militär bedeute: "Leckt uns am A...."

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