StudentenverbindungBurschis raus! Burschis weg!

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In vielen Städten sind Burschenschaften präsenter als beispielsweise in Köln. Nicht alle Gruppen sind rechts – leiden aber unter dem schlechten Ruf durch Rechte. Bild: dpa)

In vielen Städten sind Burschenschaften präsenter als beispielsweise in Köln. Nicht alle Gruppen sind rechts – leiden aber unter dem schlechten Ruf durch Rechte. Bild: dpa)

„Ich bin in einer Studentenverbindung.“ Mit diesem Satz habe ich andere schon häufig vor den Kopf gestoßen. Politisch zu rechts (gar braun!), versoffen und sexistisch und sowieso ganz und gar weltfremd seien wir. Das sind nur einige der Vorurteile, die sich nach wie vor hartnäckig halten. Mit meinen persönlichen Erfahrungen decken sich diese Vorwürfe auf jeden Fall nicht. Als katholische Studentenverbindung sind wir „nicht schlagend“, das bedeutet, wir fechten (auch „pauken“ genannt) nicht. Und ich bin auch kein Neonazi.

Mein Alltag unterscheidet sich auf den ersten Blick eigentlich gar nicht so stark von dem eines „normalen“ Studenten. Ich habe ein eigenes Zimmer und die Inneneinrichtung von Ikea. Unser Haus jedoch ist schon etwas zu luxuriös für ein Wohnheim: Neben neun Schlafzimmern haben wir einen Ballsaal, Kneip-Saal, worin die traditionellen Studentenkneipen abgehalten werden, einen Konferenzraum und ein Klavierzimmer. Die vielen Bilder an den Wänden deuten an, dass sich hinter dieser „WG“ eine historische Tradition verbirgt. Klar, dass so ein großes Haus auch gepflegt werden muss.

Gemeinsam aufgeräumt wird daher wöchentlich. Und auch unsere Getränke müssen wir ein- oder zweimal im Monat vom Parkplatz in unseren Keller tragen. Abgesehen davon fällt für uns keine Hausarbeit an, denn unser Hausmeister putzt Küche, Bad und alle Gemeinschaftsräume. In dieser Hinsicht haben wir es schon echt gut. Kein Wunder also, dass sich viele unvoreingenommene Studenten von diesen günstigen Wohnangeboten locken lassen.

Freundlich und aufgeschlossen

Ich bin über das Internet auf das Zimmerinserat gestoßen und war direkt beeindruckt von der freundlichen und aufgeschlossenen Art, mit der ich begrüßt wurde. Woher kommen also die Gerüchte über rechtsradikale Proleten in Verbindungen? Ich denke, wenige schlechte Beispiele dürfen nicht zur Beurteilung der Gesamtheit herangezogen werden – das ist ähnlich wie beim Islam.

So gibt es schon in der Art der Verbindungen große Unterschiede, etwa zwischen „Burschenschaften“ und katholischen Verbindungen. Nicht jede Verbindung ist auch eine Burschenschaft. Diese vertreten immer eine festgelegte politische Meinung, und hier ist die Wahrscheinlichkeit, in einen rechten Kreis abzurutschen, am größten.

Wir beispielsweise sind katholisch und daher zwangsläufig konservativer – würden aber niemandem eine politische Partei oder Meinung vorschreiben. Das patriotische Element fast aller Verbindungen, an dem viele Deutsche verständlicherweise Anstoß nehmen, hat aber keineswegs einen nationalsozialistischen Hintergrund.

Patriotische Anfänge

Zur Entstehungszeit der Korporationen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzten sich viele Studenten für die Einigung des zersplitterten Deutschen Reiches ein. Das begründet den Patriotismus, der häufig auch in den Gründungsstatuten vorgeschrieben wird. Sein Ziel war aber die Verwirklichung von Demokratie und Freiheit, sehr liberale Bestrebungen also.

Ich will es nicht verleugnen: Es gibt Verbindungen, in denen diese Idee falsch ausgelegt wird. Aber das ist nicht der Regelfall. Ähnlich verhält es sich mit dem Gerücht wir seien sexistisch. Ich stehe dazu, dass ich einer Frau die Tür aufhalte und ihr den Mantel abnehme. Wenn eine Feministin daran Anstoß nimmt – meinetwegen. Meine Kommilitoninnen waren bisher positiv überrascht und kommen gerne zu Veranstaltungen zu uns.

Und auch der „Knotentanz“ (bekannt auch als „Friesenrock“) kommt richtig gut an. Ich bin sogar der Meinung, dass viele Frauen es sehr bedauern, dass nur noch wenige Männer diese selbstverständliche Höflichkeit an den Tag legen. Dass Frauen akademische Abschlüsse anstreben und in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft führende Positionen besetzen, will durch solche altmodischen Gesten niemand in Frage stellen. Es sind zwar Überreste einer patriarchalischen Gesellschaftsordnung, aber man sollte eher ihren Zweck beurteilen, die Wertschätzung der Dame.

Genau solche Dinge schreibt der „Comment“ uns auch vor. Es ist eine Sammlung von Regeln, wie wir uns als Repräsentanten der Verbindung verhalten sollen, um ein gutes Bild zu hinterlassen. Ich fühle mich dadurch bei größeren gesellschaftlichen Anlässen viel sicherer.

Und ja – ich kann auch trinkfest auftreten. Zwischen den Verbindungen werden Rivalitäten durch regelrechte Trinkwettbewerbe ausgefochten. Bei den so genannten „Couleur-Besuchen“ suchen wir uns gegenseitig heim, klingeln die Kontrahenten nicht selten aus dem Bett und trinken dann in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Bier.

Abgesehen von dem Unmut darüber, gerade geweckt worden zu sein, kann ein solcher Besuch wirklich Spaß machen. Na gut, am nächsten Morgen in die Neun-Uhr-Vorlesung zu gehen fällt dann doch etwas schwer. Doch solange wir bei den Klausuren gute Ergebnisse erzielen kann man ruhig auch mal einen Tag ausschlafen.

Lebenslange Freundschaft

Ein weiterer Punkt, der abschreckend wirkt, ist unser Lebensbundprinzip. Es erinnere doch zu stark an Sekten, die ihre ausgestiegenen Mitglieder verfolgen. Vielmehr ist es als Zeichen für die lebenslange Freundschaft, die uns „Bundesbrüder“ miteinander verbindet, zu verstehen. Einen Austritt macht das natürlich nicht unmöglich, wenn er auch einen Bruch des „Burscheneides“ darstellt. Vorher ist man – so wie ich – ohnehin nur Mitglied auf Zeit, so genannter „Fux“.

In einer Welt, in der viele sich über die wachsende Unsicherheit beklagen, empfinde ich den Rückhalt einer solchen Gemeinschaft als sehr beruhigend. Insbesondere natürlich, weil meine Mitbewohner eben nicht nur Mitbewohner, sondern gute Freunde sind.

Anders ließe sich ein „Couleur-Semester“ auch nicht bestreiten: Fast wöchentlich richten wir gemeinsam Veranstaltungen aus und mindestens einmal auch eine Party mit knapp 200 Gästen. Ich finde es toll zu wissen, dass es auch in 20 oder 30 Jahren noch einen Rahmen geben wird, in dem ich diese Freunde wiedertreffen kann. Und nicht zuletzt pflegen wir mit unseren „Alten Herren“ einen Generationen übergreifenden Kontakt.

Mein Fazit der Verbindungen ist also positiv. Diese Meinung wird nicht jeder teilen, dem ich meine Verbindungszugehörigkeit verkünde. Verschiedene Meinungen sind wichtig – Märchen über sektenähnliche Geheimbünde dagegen nicht. Und deswegen werde ich auch weiterhin offen dazu stehen, dass ich eben ein bisschen konservativer bin als der durchschnittliche Student. (ses)

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