Waffenruhe in Israel in Gefahr

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Israels Ministerpräsident Ariel Scharon gibt der Armee "freie Hand"

Israels Ministerpräsident Ariel Scharon gibt der Armee "freie Hand"

Gaza/Jerusalem - Die vor einer Woche zwischen Palästinenserpräsident Jassir Arafat und dem israelischen Außenminister Schimon Peres vereinbarte Waffenruhe steht vor dem Zusammenbruch. Wenige Stunden nach einem palästinensischen Überfall auf die jüdische Siedlung Elei Sinai im Norden des Gazastreifens stießen israelische Panzer am Mittwochmorgen in dem Gebiet bis zu zwei Kilometer auf palästinensisches Territorium vor. Dabei wurden mindestens sechs Palästinenser getötet. Am Nachmittag sagte Israel alle geplanten Gespräche mit der anderen Seite ab. Das schließe auch Treffen von Außenminister Schimon Peres mit palästinensischen Politikern ein, sagte Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser. Die Regierung in Jerusalem reagierte damit auf den Anschlag zweier schwer bewaffneter Aktivisten der radikal-islamischen Hamas- Organisation, die am Dienstagabend in die Siedlung Elei Sinai eindrangen, zwei junge Israelis erschossen und weitere 15 zum Teil schwer verletzten. Die Täter, die bei ihrem Angriff auch mehrere Handgranaten warfen, wurden drei Stunden später von israelischen Elitesoldaten getötet. Es war der erste Angriff dieser Art auf eine Siedlung seit Beginn des Palästinenseraufstandes vor einem Jahr. Ministerpräsident Ariel Scharon gab der Armee nach einer nächtlichen Kabinettssitzung "freie Hand" für die "Bekämpfung des Terrorismus". Mehrere Minister deuteten an, dass dies auch die Wiederaufnahme der Liquidierungen - gezielte Tötungen - mutmaßlicher palästinensischer Extremisten umfasst. Kurz nach der Kabinettsentscheidung drangen israelische Panzer auf palästinensisches Gebiet zwischen Elei Sinai und der Siedlung Dugit vor und zerstörten mit Artilleriefeuer mindestens sechs Gebäude der Autonomiebehörde. Dabei trafen sie ein mit Polizisten besetztes Auto und töteten nach Angaben eines Krankenhauses in Gaza fünf Palästinenser. Bei längeren Gefechten wurde später ein sechster Mann erschossen. Ein hoher israelischer Offizier kündigte nach der Aktion an, die Armee werde "bis auf weiteres" auf dem besetzten Streifen bleiben, um die angegriffene Siedlung zu schützen. Am Nachmittag setzten die Soldaten ihre "Säuberungen" in dem Küstenstreifen fort. Obwohl Palästinenserpräsident Arafat den Überfall der Hamas sofort als "schwere Verletzung der mit Israel vereinbarten Waffenruhe" verurteilte und die Verfolgung der Schuldigen ankündigte, drohte Israel mit schwerwiegenden Vergeltungsmaßnahmen. Ministerpräsident Ariel Scharon warf Arafat vor, einer "Koalition des Terrors" vorzustehen. Nach dem Überfall hatte ein Sprecher der Hamas- Organisation erklärt, die Organisation werde beim Kampf gegen Israel nicht mehr zwischen Soldaten und Siedlern unterscheiden. Scharons Kabinettsekretär Gideon Saar deutete daraufhin an, dass Israel zu der viel kritisierten Politik der Liquidierung politischer Gegner zurückkehren würde, die Scharon vor zwei Wochen ausgesetzt hatte. Wenn die Autonomiebehörde den Terror nicht durch Präventivmaßnahmen verhindere, sei Israel durch seine Armee dazu dazu gezwungen." Angesichts der neuen, schweren Krise im israelisch- palästinensischen Konflikt plant der Sondergesandte der USA für den Nahen Osten, William Burns, nach israelischen und palästinensischen Angaben eine Reise in die Region.

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