A 555Die Diplomatenrennbahn wird 80

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In den Anfangsjahren war ein weißer Mittelstreifen eine erste Sicherheitsmaßnahme.

In den Anfangsjahren war ein weißer Mittelstreifen eine erste Sicherheitsmaßnahme.

Köln/ Bonn – Für Hans Klamp wurde das Leben plötzlich spannend. Tausende Arbeiter rückten im Herbst 1929 in Wesseling an, um eine Straße in die Landschaft zu setzen, die Deutschland bis dato nicht kannte. Zwischen Köln und Bonn sollte eine Verkehrsachse ohne Kreuzungen, enge Kurven , ohne Fahrräder, ohne Fußgänger entstehen – eine 20 Kilometer lange „Nur-Autostraße“, die offiziell Kraftwagenstraße hieß – und die Ära der Autobahnen einläutete.

Hans Klamp war fünf Jahre alt und ziemlich nah dran, als die ersten Männer ihre Spaten in die Erde rammten. Sein Wesselinger Elternhaus stand nur 50 Meter von der Großbaustelle entfernt, die für den kleinen Hans ein einziger großer Spielplatz war. Am 6. August 1932 – vor 80 Jahren – war es damit allerdings vorbei: Kölns Oberbürgermeister Konrad Adenauer übergab die 10,6-Millionen-Reichsmark-Investition feierlich dem Verkehr.

Das, was später als Autobahn 555 und Diplomatenrennbahn bekannt wurde, haben die Rheinländer in erster Linie Johannes Horion zu verdanken. Als Landeshauptmann der Rheinprovinz wollte er der Wirtschaft Hindernisse aus dem Weg räumen. „Er wollte in der Rheinprovinz leistungsfähigere Straßen“, sagt Ulrich S. Soénius, Geschäftsführer bei der Kölner Industrie- und Handelskammer und Direktor der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln. Denn die Landstraße, die Köln mit Bonn verband, war dem zunehmenden Lastwagenverkehr kaum noch gewachsen.

Schon 1921 wurde die Berliner Automobil-, Verkehrs- und Übungsstraße (Avus) eröffnet. Sie hatte den Charakter einer Autobahn, wurde jedoch privat betrieben – und auch als Rennstrecke genutzt.

Mit der A 555 hielt eine weitere Neuheit Einzug in das Rheinland: IHK-Geschäftsführer Ulrich S. Soénius berichtet, Peter Huverstuhl habe 1932 an der Westseite des Kölner Verteilerkreises die erste Autobahn-Tankstelle Deutschlands eröffnet. Die anfänglichen acht Zapfsäulen reichten bald nicht mehr aus, Huverstuhl musste erweitern. 1950 baute er ein Rasthaus mit 80 Betten an, 1953 eröffnete er auch an der Ostseite eine Tankstelle.

In Deutschland gibt es bundesweit inzwischen 12.845 Autobahn-Kilometer. (cht)

In der Wirtschaftskrise diente der Straßenbau auch als Beschäftigungsprogramm: Von Herbst 1929 bis Sommer 1932 wurden 5540 Arbeitslose herangezogen. Sie leisteten Schwerstarbeit. Weil Großmaschinen nicht zugelassen waren, mussten sie 700 000 Kubikmeter Bodenmasse per Hand bewegen.

Hans Klamp, heute 88 Jahre alt, erinnert sich noch gut an die Loren, mit denen das Erdreich abtransportiert wurde. Er und seine Freunde vertrieben sich mit ihnen viele Sonntage. „Wenn welche entgleist waren, setzten wir sie wieder auf die Schienen und fuhren bergab“, sagt Klamp. Später besserte er mit der Schnellstraße sogar sein Taschengeld auf: „Als Kinder haben wir Kornblumensträuße an Autofahrer verkauft, das gab immer ein paar Groschen.“

Ein Halt am Fahrbahnrand war damals noch kein Stressfaktor: In den ersten Jahren benutzten gerade einmal rund 3000 Autofahrer pro Tag die Straße. Schwere Unfälle waren trotz fehlender Mittelstreifen und Leitplanken eher selten. Heute sieht es anders aus: An manchen Stellen werden weit über 80 000 Fahrzeuge pro Tag gezählt. Schon kurz nach seiner Fertigstellung war das revolutionäre Verkehrsband zwischen Köln und Bonn allerdings abgemeldet. Die Nazis ignorierten es komplett, schließlich war die Autobahn ein Kind der verhassten Weimarer Republik. Das neue Regime verkaufte die Autobahn lieber als seine eigene Idee. Das Gerücht, die Nazis hätten die Autobahn erfunden, hält sich hartnäckig. „Hitler hat mit der Autobahn eine riesige Propaganda-Maschinerie verbunden“, sagt Soénius. Die neuen Machthaber setzten den Straßenbau geschickt als Beschäftigungsmotor in Szene, doch die Wirklichkeit sah anders aus: „Unterm Strich sind die Arbeitslosenzahlen nicht durch die Autobahnen zurückgegangen, sondern durch die Rüstungsindustrie“, so Soénius. Ihre Blütezeit erlebte die „Nur-Autostraße“ nach dem Krieg. Obwohl sie längst als Autobahn bekannt war, stieg sie erst 1959 in diesen Rang auf.

In den 1960er Jahren folgte die Erweiterung auf sechs Spuren – der Verkehr hatte stark zugenommen. Der Ausbau freute auch die Diplomaten, die fortan noch ungestörter zwischen Köln und der Bundeshauptstadt Bonn hin und her pendeln konnten. Als Diplomatenrennbahn hat die A 555 längst ausgedient, die hohen Herren rasen nun in Berlin. Und der Rest muss es deutlich langsamer angehen lassen, seitdem in Höhe Wesseling aus Gründen des Lärmschutzes Tempo 100 angesagt ist.

Eine Pendlerroute ist die Autobahn jedoch geblieben. „Morgens herrscht viel Verkehr Richtung Bonn, abends Richtung Köln“, sagt Andreas Byhahn, Betriebsdienstleiter der Autobahnmeisterei Bonn. So richtig erhalten ist von der ersten Autobahn nicht viel – nur im Kölner Süden ist noch ein Stück zu erkennen, als Mittelstreifen.

IHK-Mann Soénius sieht unterdessen auch die wirtschaftliche Bedeutung der A 555 ungeschmälert: „Sie ist wichtig für den Godorfer Hafen und die chemische Industrie im Kölner Süden.“ Hans Klamp, der noch immer nahe der Autobahn wohnt, kennt auch ihre Schattenseiten. Je nach Windrichtung dröhnt ihm der Verkehr „wie ein Dauerton“ im Ohr.

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