Angriffe in NRWGerichtsvollzieher werden häufiger bedroht – „Ich knalle Sie ab“

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Pfandsiegel Gerichtsvollzieher

Ein Pfandsiegel (Symbolbild)

  • NRW-Justizminister Peter Biesenbach hat einen Bericht vorgelegt, der die Bedrohung von Gerichtsvollziehern dokumentiert.
  • Im vergangenen Jahr kam es zu 228 aktenkundigen Straftaten gegen die Pfänder.
  • Doch nur in 39 Fällen kam es zur Anzeige – eine Bestandsaufnahme.

Düsseldorf – Die Situation lief aus dem Ruder. Als der Gerichtsvollzieher eine Wohnung räumen lassen wollte, eilten zwanzig Bulgaren ihrem Landsmann zur Hilfe. Der Gerichtsvollzieher rief die Polizei, die allerdings erklärte, sie sei nicht zuständig. Nur mit Glück gelang es dem Beamten noch, die Lage selbst zu entschärfen.

Der Fall ist im aktuellen Bericht des NRW-Justizministeriums zu den Übergriffen auf Gerichtsvollzieher im Jahr 2018 dokumentiert, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Danach gab es 228 aktenkundige Straftaten gegen die Schuldeneintreiber.

Schubser und Beleidungen im Alltag

Die Liste wirft erneut ein Schlaglicht auf den gefährlichen Alltag der Pfänder. Schubser und Drohungen wie „Ich schlage Sie tot“ oder „Ich knalle Sie ab“ gehören danach noch zu den harmlosen Attacken. Auch die Bedrohung mit einem scharfen Hund oder mit Stichwaffen sind dokumentiert. In einem Fall nahm ein Neonazi den Gerichtsvollzieher mit einem Baseball-Schläger in Empfang.

Beim Versuch, eine Stromsperre durchzusetzen, wurde einem Monteur der Schraubenzieher entrissen und vom Schuldner als Waffe eingesetzt. Frank Neuhaus, der Landesvorsitzende des Deutschen Gerichtsvollzieher Bundes, stellt fest, dass der Job der Vollstrecker immer riskanter wird: „Die Aggression und Gewaltbereitschaft gegenüber uns Gerichtsvollziehern steigt permanent“.

Nur 39 Anzeigen

Von den 228 Straftaten gegen Gerichtsvollzieher in NRW wurden allerdings lediglich 39 zur Anzeige gebracht. Bislang kam es zu neun Verurteilungen, acht Verfahren laufen noch. 83 Prozent der aktenkundigen Fälle führten nicht zu Ermittlungen. Neuhaus kritisiert die schlechte Quote: „Wir erwarten, dass unser Dienstherr alle Straftaten gegen uns zur Anzeige bringt“, erklärt der Verbandsvertreter.

Die Direktoren der Amtsgerichte, die dafür in der Regel zuständig wären, sehen das offenbar anders. Das Versprechen der Landesregierung, Straftätern mit einer „Nulltoleranz-Strategie“ zu begegnen, erfüllt sich für die Gerichtsvollzieher bislang nicht. „Wir brauchen keine Sonntagsreden, sondern einen echten Masterplan Sicherheit und ein richtiges Gerichtsvollzieherschutzgesetz“, fordert der Chef des Gerichtsvollzieherbundes.

Diskussion im Landtag

Am Mittwoch wird der Bericht über die Übergriffe im Landtag diskutiert. Sven Wolf, Vizefraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion, wundert sich über die Untätigkeit der Justiz beim Schutz der Pfändungsbeamten. „Mit welcher Begründung werden Körperverletzungen, Todesdrohungen oder die Ankündigung eines Amoklaufs nicht angezeigt?“, fragt sich der SPD-Politiker. Dies seien schwere Straftaten.

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NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) verletze als oberster Dienstvorgesetzter seine Fürsorgepflicht, wenn er sich nicht darum kümmere, dass die Straftaten gegen Gerichtsvollzieher angemessen geahndet würden. „Wir dürfen die Gerichtsvollzieher nicht mit der Bewältigung der Gewalt alleinlassen“, sagte Wolf dem „Kölner Stadt-Anzeiger.“ In Düsseldorf war ein Schuldeneintreiber erst vor drei Wochen bei einer Zwangsräumung mit Salzsäure attackiert worden.

In NRW gibt es rund 900 Gerichtsvollzieher. Biesenbach wies den Vorwurf der Untätigkeit auf Anfrage zurück. Bei den Vorgängen, die zur Anzeige gebracht wurden, sei es in einer Vielzahl der Fälle zu Verurteilungen gekommen. Nur wenige seien wegen vermeintlich geringer Schuld eingestellt worden, erklärte der Justizminister . „Der Schutz der Gerichtsvollzieher ist der Strafrechtspflege also offenbar ein Anliegen, wenn es Rechts- und Beweislage zulassen“, so der CDU-Politiker. Das Justizministerium könne keinen Einfluss darauf nehmen, ob Straftaten von den Gerichtsvollziehern oder ihren Vorgesetzten angezeigt würden oder nicht.

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