75 Jahre ArdennenoffensiveWeihnachten 1944 – Bomben auf Bad Münstereifel

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Der Blick aus dem Konvikt, das damals Lazarett war, offenbarte ein völlig zerstörtes Bad Münstereifel.

Der Blick aus dem Konvikt, das damals Lazarett war, offenbarte ein völlig zerstörtes Bad Münstereifel.

  • Robert Hürten, Enkel des berühmten Bad Münstereifeler Professors Karl Hürten, erinnert sich an Weihnachten 1944, als die Bomben Bad Münstereifel erreichten.
  • Der 89-Jährige war als Kind mit seiner Familie nach Münstereifel gezogen, die den Kölner Bombennächten entkommen wollte.
  • Eine besondere Weihnachtserinnerung: Die extra-Ration Butter für die Kinder.

Bad Münstereifel/Lommersdorf – Er ist einer der noch lebenden Zeitzeugen, die den Zweiten Weltkrieg miterlebt haben. Robert Hürten, Enkel des berühmten Bad Münstereifeler Professors Karl Hürten, ist 89 Jahre alt, wohnt in Lommersdorf und war ein Jugendlicher, als der Zweite Weltkrieg Bad Münstereifel und den Kreis Euskirchen erreichte.

Vor dem Hintergrund der sogenannten Ardennenoffensive vor genau 75 Jahren erinnert sich Hürten an die Ereignisse damals aus sehr persönlicher Sicht: „Weihnachten 1944 war ein klarer, kalter, strahlender Wintertag. Wir verbrachten ihn bei meinem Onkel außerhalb von Münstereifel, in der Schießbach, im Schleidtal. Auf dem Grundstück war auch eine Militäreinheit stationiert, die uns Zivilisten an diesem Tag mit bekochen wollte.“

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Er erinnere sich noch daran, dass gegen Mittag der Duft einer würzigen Suppe aus der offenen Küchentür zog, als ein amerikanischer Bomberverband von Süden her kam und die Bomben über der Stadt abwarf: „Als ich nach den Detonationen wieder zum Himmel schaute, sahen wir einen der Bomber zerplatzen und in Stücke vom Himmel fallen. Ein größeres Stück Plexiglas fiel nur 25 Meter vom Haus entfernt auf das Eis des zugefrorenen Fischteiches. Ohne zu überlegen, ob es schon tragen werde, lief ich aufs Eis und holte dieses Trümmerstück.“

Flugzeugtrümmer im Wald

Größere Flugzeugteile waren anscheinend auch im nahen Wald heruntergekommen. Hürten: „Mein Onkel Toni vermutete, dass bei den Flugzeugteilen et was zu holen sei. Wir vergaßen die duftende Suppe und eilten den Hang hinauf in den Wald. In die Richtung, in der wir die Trümmer vermuteten. Wir fanden auch bald den Teil eines Flügels, ein Gewirr von Blech, Leitungen und Drähten. Was wir aus den Trümmern mitnahmen, weiß ich nicht mehr.“ Er wisse aber noch sehr gut, dass die Gruppe auf dem Heimweg war, als ein weiterer Bomberverband von Süden kam.

Erinnert sich noch plastisch an die Kriegsschrecken: Robert Hürten.

Erinnert sich noch plastisch an die Kriegsschrecken: Robert Hürten.

„Als wir hoch blickten, sahen wir auch schon die Bomben aus den Bäuchen der Flugzeuge kommen, die diesmal auch in unsere Richtung fielen. Ich sprang, volle Deckung suchend, ins zugefrorene Bett des Schleidbaches neben der Straße. Die letzte Bombe aus der Bombenkette detonierte etwa 150 Meter von uns entfernt im Becken der damaligen Badeanstalt. Das war vielleicht der Grund dafür, dass die Splitter nicht zu weit flogen und uns ernstlich in Gefahr brachten.“ Während die Menschen außerhalb der Stadt Münstereifel mit dem Schrecken davon kamen, sah es in der Stadt anders aus. Zahlreiche Häuser wurden zerstört. Es gab viele Verletzte und etliche Tote.

Abgestürzter US-Pilot

Nicht der gesamten Besatzung gelang es, sich aus dem beim Angriff in der Luft explodierenden Bomber mit dem Fallschirm zu retten. Einer der unglücklichen US-Flieger war in einem tiefen Graben neben der Straße im Schleidtal aufgeschlagen. „Dort sahen wir ihn tot in seiner Lederkombination mit Pelzstiefeln und Lederkappe liegen“, beschreibt der gebürtige Kölner Hürten, der mit seiner Familie aus der Domstadt nach Bad Münstereifel gezogen war, um Bombenangriffen zu entgehen, die Szene.

„An diesem toten Amerikaner spiegelte sich die geistige Verfassung der Volksgenossen, sprich von uns Bürgern, wieder. Niemand bemühte sich, den Toten zu beerdigen. Was jedoch geschah war, dass er nach und nach ausgezogen wurde. Zuerst die Kappe und die Stiefel, dann die Lederjacke, gefolgt von der Hose. Letztlich war er nur noch mit seiner Unterhose bekleidet“, berichtete Hürten, wie man damals mit gefallenen Feinden umging.

Toten nicht begraben

Verwaltung, Bürgermeister, Ortsgruppenleiter, Standortkommandant aber auch der Pfarrer hätten nichts veranlasst, um den toten US-Soldaten zu beerdigen. Ein einfacher deutscher Soldat, der vor der Stadt französische Kriegsgefangene zu bewachen hatte, habe den Amerikaner mit einigen Kriegsgefangenen erst nach einigen Wochen, als der Frost nachließ, begraben.

„Was aus dem Grab geworden ist, weiß ich nicht“, sagt Hürten. Der amerikanische Pilot sei vielleicht nach dem Ende des Krieges wie viele seiner toten Kameraden zu einem der großen amerikanischen Soldatenfriedhöfe in Belgien überführt worden, mutmaßt er.

Lebensmittel rationiert

Lebensmittel und alles andere wurden über Lebensmittelkarten und Bezugscheine zugeteilt, schildert der Lommersdorfer: „Alles war so knapp, dass meine Mutter sogar für jeden von uns die Brote selber sparsam schmierte und zuteilte. Selbstbedienung am Esstisch war nicht möglich.“

Nur an Weihnachten, wenn es eine Sonderzuteilung an Lebensmitteln gab, habe man in der Familie diese Regel durchbrochen. „Von der Sonderzuteilung an Butter nahm meine Mutter einen Teil und füllte für jeden in der Familie ein Weinglas bis zum Rand mit Butter. Jedes Glas wurde mit einem Band in einer anderen Farbe gekennzeichnet.“

Haferflockenmakronen, Grießmehlplätzchen

Diese Gläser hätten dann neben den Weihnachtstellern mit Haferflockenmakronen, Grießmehlplätzchen und ähnlichem „Kriegsgebäck“ gestanden. Jeder Beschenkte habe mit diesem Butterglas machen dürfen, was er wollte, ob er wenige Brotscheiben dick mit Butter bestreichen wollte oder ob er die ihm zugeteilten Brote über mehrere Tage hinweg mit etwas mehr Butter verbessern wollte. Hürten: „Wenn ich mich richtig erinnere, entschieden sich alle für die erste Alternative mit dem echten, vollen Buttergeschmack auf der Zunge.“

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