20 Jahre TierhilfeMünstereifelerinnen kämpfen gegen das Krötensterben auf der L165

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Eine Frau mit blonden Haaren kniet am Straßenrand und hält ihre Hände in das Gras. Sie trägt eine schwarze Hose und ein rot-kariertes Hemd.

Im hohen Gras kaum zu sehen: Elke Schmitz sucht behutsam nach kleinen Kröten.

Die Landstraße von Eicherscheid nach Schönau ist laut Tierschützerin Vera Krauland „ein Massengrab für Kröten“. Vor allem nachts.

In den Sommermonaten sei die Straße mit Kadavern gepflastert gewesen, erinnert sich Elke Schmitz. Vor etwa 20 Jahren hat die Tierschützerin aus Bad Münstereifel ihren Führerschein gemacht. Die Landstraße von Eicherscheid nach Schönau versucht sie seither auf ihren Fahrten immer, so gut es ging, zu meiden – vor allem nachts.

Denn nachts wandern dort die Kröten. Tausende Erd- und Geburtshelferkröten begeben sich dann auf eine etwa vier Kilometer lange Wanderschaft, hinaus aus dem Erftrückhaltebecken, hinein in den Wald und andersherum. Das wäre auch ein spektakuläres Naturspektakel, würde nicht die L165 ihren Weg kreuzen: „Ein Massengrab für Kröten“, sagt Tierschützerin Vera Krauland.

Tierschützerin verzweifelte nachts auf der Landstraße

Sabine Terspecken, Vorsitzende der Tierhilfe Nordeifel, nahm sich des Problems an. Damals war sie noch keine 30 Jahre alt. An ihre erste Begegnung mit den Kröten erinnert sie sich gut. Auf ihrem Weg nach Maulbach hatte sie die Wanderung der Amphibien gekreuzt, versuchte einigen auszuweichen und überfuhr dabei ein paar andere. Schließlich hielt sie an, wollte weder vor noch zurück. „Ich war verzweifelt“, sagt sie.

Eine kleine Kröte sitzt auf einer Handfläche.

Diese kleine Kröte hätte gegen schnell fahrende Autos auf der L165 kaum eine Chance. Deshalb trägt Elke Schmitz sie über die Straße.

Und dann beobachtete sie die Kröten. Sah, wie die lebenden Kröten zu den toten hinliefen. „Sie dachten wohl, das sei noch ein geeigneter Partner.“ Und dann hätten sie da gesessen, an der Seite des Überfahrenen, solange, bis auch sie unter die Reifen kamen. Für Terspecken war klar: Sie musste etwas dagegen unternehmen.

Diese Tiere sind leider nicht die hellsten. Wenn sie merken, dass ein Hindernis im Weg ist, dann bleiben sie einfach davor sitzen.
Elke Schmitz

Deswegen haben die Frauen von der Tierhilfe Nordeifel angefangen, systematisch gegen das große Krötensterben vorzugehen. Auch vorher hatten einige Bad Münstereifeler schon versucht zu helfen – „allerdings eher planlos und etwas unkoordiniert“, sagt Krauland. Über die Absperrung seien sie auf die Straße gelaufen, hätten ein paar Kröten vom Asphalt gepflückt und in den Wald getragen. So richtig etwas verändert habe das aber nicht. „Deshalb haben wir begonnen, mobile Zäune aufzustellen.“

Ganze Tage hätten die berufstätigen Frauen mit dem Auf-, Ab- und Umbau verbracht. 2012 installierte Straßen.NRW dann einen festen Schutz unter der Leitplanke. „Das war ein erster Erfolg“, sagt Terspecken. Aber eine echte Lösung war das noch nicht. Elke Schmitz: „Diese Tiere sind leider nicht die hellsten. Wenn sie merken, dass ein Hindernis im Weg ist, dann bleiben sie einfach davor sitzen.“

Bad Münstereifelerinnen tragen Kröten über die Straße

Ein angerichtetes Festmahl für all ihre Fressfeinde sei das dann. Verschiedene Raubvögel und Schlingnattern freuten sich über das Buffet am Straßenrand. „Viele Kröten laufen aber auch am Zaun entlang, bis sie einen Durchlass finden“, ergänzt Krauland. Und der einzige Durchlass, den die Tiere hier finden könnten, sei das Ende des Zaunes. Sobald das Hindernis ende, hüpften sie wieder auf die Straße.

Sabine Terspecken sagt, dass das Problem also mit Errichtung des Zaunes bloß ein paar Kilometer nach links und rechts verschoben statt gelöst worden sei: „Kröten mussten wir also all die Jahre trotzdem weiter sammeln.“ Dabei sei die Lösung so einfach gewesen: „Krötentunnel“, sagt Terspecken. „Krötentunnel, wie es sie auch sonst überall gibt.“

Ein Bild zeigt ein Gewässer umgeben von bewaldeten Hügeln.

In der Nähe desErftrückehaltebeckens kommenErd- und Geburtshelferkröten vermehrt vor.

Doch der Bau der Tunnel sei teuer, das Wanderareal riesig und die Errichtung somit ein großer Aufwand. „Bis heute hat sich also an der Tunnelfront nichts getan.“

Dabei waren Terspecken, Krauland und Schmitz umtriebig: Immer wieder haben sie sich an die Untere Naturschutzbehörde gewandt, an die Biostation Nettersheim, an den „grünen Verkehrsminister“ Oliver Krischer und immer wieder an Straßen.NRW. Doch wirklich helfen konnte bisher niemand.

Bis heute hat sich also an der Tunnelfront nichts getan.
Sabine Terspecken

Vertreter der Unteren Naturschutzbehörde kamen immer wieder zum Spaziergang durch das Gebiet, die Biostation Nettersheim gab den Hinweis, die Populationen zu trennen, (Terspecken: „Das funktioniert aber nicht, weil auf der anderen Seite der Straße kein Wasser ist“), der Verkehrsminister antwortete bis heute nicht, und Straßen.NRW „will von dem Ganzen nichts wissen“, sagt Terspecken.

Drei Frauen stehen in Freizeitkleidung auf einer Wiese. Im Hintergrund ist Wald zu erkennen.

Vera Krauland (v.l.), Sabine Terspecken und Elke Schmitz setzen sich seit 20 Jahren für den Schutz der Kröten in bad Münstereifel ein.

In ihrer Not haben die Tierschützerinnen dann im Schussbachtal ein eigenes Grundstück gekauft – für 1800 Euro, finanziert von Spenden an die Tierhilfe Nordeifel. Dort wollten sie Teiche anlegen. Ein neues Zuhause für die Erd- und Geburtshelferkröten.

Mit schwerem Gefährt begannen sie den Umbau des Biotops. Doch der Erdaushub und die Zerstörung der Grasnarbe wurde zum Problem für die Untere Naturschutzbehörde. Außerdem habe man eine Sumpfdotterblume dort gefunden. „Es war doch nur eine Wiese“, sagt Krauland.

Schwarzstörche kommen auch wegen der Kröten in die Eifel

Doch weil durch die Errichtung der neuen Teiche ein bereits etabliertes Wiesenbiotop zerstört wurde, hieß es „Kommando zurück“, so Terspecken. Noch einmal musste der Bagger auf die Wiese, diesmal um den Bau rückgängig zu machen. Heute sind die Teiche gänzlich verlandet – durch das Hochwasser und die vergangene Zeit. All die guten Gedanken und Spenden waren am Ende nicht für die Kröten, sondern für die Katz'. Terspecken lässt die Arme hängen.

Ein großer Vogel fliegt über die Köpfe der Frauen: „Ist das ein Schwarzstorch?“, fragt Vera Krauland. „Ja, die sind seit letztem Jahr zurück“, antwortet Schmitz. „Die kommen, weil die hier die Kröten fressen.“

Schwarzstörche seien bei den Menschen beliebt, sagt Schmitz. Drucke man einen Schwarzstorch auf einen Naturschützer-Flyer, spendeten die Leute gern. Kröten hingegen hätten weniger Fürsprecher. Sie druckt niemand als „Aushängetier“ auf Flyer.

Dabei seien Kröten für die Erhaltung des Biotops wichtig, sagt Krauland. Weil sie etwa Schädlinge fressen. Würden die Kröten aussterben, bedeutete das mehr Schädlinge. Das wiederum bedeutete mehr Pestizide auf den Feldern. Jede Veränderung in der Natur habe weitreichende Folgen.

Schmitz: „Auch für die beliebteren Vögel wie Schwarzstorch und Silberreiher.“ Gehe das Massensterben der Kröten an der L165 weiter wie bisher, müssten sich die Leute auch bald von den eleganten Vögeln verabschieden. Und das könne doch wirklich niemand wollen.


Wie viele Tiere landen in den Eimern?

Auf der Roten Liste stehen die Geburtshelferkröten, die im Erftrückehaltebecken noch vorkommen, schon seit einer Weile. 64 davon haben die Naturschützerinnen im vergangenen Jahr an der Straße aufgesammelt.

Sabine Terspecken: „Ich glaube aber langsam, diese Listen dienen nicht dazu, etwas gegen das Artensterben zu unternehmen, sondern nur zur Dokumentation. Der langsamen Ausrottung schauen wir aufmerksam zu.“ Zum Vergleich: Es waren 1904 Erdkröten.

Ein paar Kröten und ein Salamander sitzen in einem schwarzen Eimer.

Weil es keinen Krötentunnel an der L165 gibt, werden die Kröten von Freiwilligen über die Straße getragen

An der L165 sammelt der Tierschutz aber nicht nur Kröten ein, auch 52 Molche, 2 Blindschleichen, 17 unbestimmte Frösche und vier Springfrösche landeten in den Eimern der Tierschützer. Weitere Informationen gibt es im Internet.

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