Bad Münstereifels Bürgermeister kämpfte mit den Tränen, als er an die ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger erinnerte.
Gegen Hass und GewaltGedenken am Standort der einstigen Synagoge in Bad Münstereifel

An der Reinigungsaktion der Stolpersteine waren auch Schülerinnen und Schüler der städtischen Realschule und des St. Michael Gymnasiums beteiligt.
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Mehrfach musste Bad Münstereifels Bürgermeister Sebastian Glatzel seine Ansprache zum Jahrestag der Novemberpogrome unterbrechen. Grund dafür waren keine äußeren Umstände, sondern die innere Aufgewühltheit des Redners, als er an diese dunkle Zeit erinnerte.
„Wir stehen heute hier an einem Ort, an dem einst das religiöse und kulturelle Leben vieler jüdischer Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt stattfand“, so Glatzel. Eine kleine Gedenkstele markiert den Standort der Synagoge an der Orchheimer Straße, die seit dem 17. Jahrhundert das Stadtbild mitprägte. „Der 9. November 1938 bildete den Auftakt der Novemberpogrome. Es handelte sich um staatlich organisierte Gewalt, Hass und Zerstörung gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger. In den darauffolgenden Tagen brannten überall in Deutschland die Synagogen und jüdischen Geschäfte.“
Die Synagoge in Bad Münstereifel habe zwar nicht gebrannt und sei auch nicht in dieser Nacht zerstört worden, doch dies sei nur aus Angst vor einer Ausbreitung des Feuers auf andere Stadtteile nicht geschehen. „Bei aller Grausamkeit zeigt das noch mehr, wie berechnend und planvoll das Pogrom war“, so Glatzel weiter.
Die Synagoge blieb verschont, Geschäfte und Häuser aber nicht
Die Tatsache, dass die Synagoge in dieser Nacht verschont blieb, bedeutete jedoch nicht, dass die Anwohnerinnen und Anwohner jüdischer Herkunft keine Gewalt erfuhren, wie die zahlreichen Beispiele des Bürgermeisters verdeutlichten. Schaufenster wurden zertrümmert, Kaufhäuser geplündert und auch gegenüber den Bewohnern selbst sei keine Rücksicht genommen worden. „Besonders erschütternd ist der Bericht über Familie Isay, die erst kurz zuvor dorthin gezogen war. Ein Vater, eine Mutter, ein 14-jähriger Junge und ein zehnjähriges, krankes Mädchen“, so Glatzel. „Sie wurden mit Schlägen und Fußtritten aus ihrem Haus gejagt, in die Dunkelheit, in die Angst, in eine Zukunft, die keine war.“
Auch die Familie von Michael Meyer habe diesen Hass und diese Gewalt miterleben müssen. „Meine Mutter war damals 16 Jahre alt, als meine Großmutter nach Hause kam und von den Plünderungen berichtete.“ Einer kleinen, mit Gewehren ausgerüsteten Gruppe sei es gelungen, die Heisterbacher Straße in dieser Nacht zu verteidigen, und bald darauf sei der Familie die Flucht in ein nahe gelegenes Kloster gelungen, doch die Schrecken dieser Zeit seien geblieben.

Bei der Reinigung der Stolpersteine legte Bürgermeister Sebastian Glatzel auch selbst Hand an.
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Im Rahmen der Gedenkfeier wurden alle Stolpersteine im Bad Münstereifeler Stadtgebiet gereinigt.
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Zahlreiche Stolpersteine im Bad Münstereifeler Stadtgebiet erzählen die Geschichten der Bürgerinnen und Bürger, die Opfer des NS-Regimes wurden, und erhalten ihre Namen für die Nachwelt. Im Rahmen des Jahrestages der Novemberpogrome wurden diese mit der tatkräftigen Unterstützung zahlreicher Schülerinnen und Schüler der Realschule und des St.-Michael-Gymnasiums gereinigt.
„Ich kann leider selbst oft beobachten, wie Witze über die Geschichte und die damaligen Ereignisse gemacht werden. Mit dieser kleinen Geste, die Steine zu putzen, wollen wir darauf aufmerksam machen, dass das alles nicht lustig war und hier Menschen misshandelt wurden“, betonte der Schüler Felix. „Für mich ist es sehr wichtig, dass wir die Geschichten von Zeitzeugen oder deren Kindern hören und dass wir sie dann auch selbst in unserer Generation weitergeben, damit so etwas nie wieder passiert“, stimmte sein Klassenkamerad Anton zu. Anna-Lena betonte zudem ihre Sorge über das aktuelle politische Geschehen. „Es ist schlimm, dass rechte Parteien wieder eine größere Rolle spielen, und mit der Aktion wollen wir uns dagegenstellen.“
„Nie wieder ist jetzt“ lautete das Motto der Gedenkveranstaltung
„Nie wieder ist jetzt“ war das Motto, auf das sich alle Anwesenden am Montagnachmittag einigten, wie Sebastian Glatzel erklärte. „Ihr alle seid heute mit dem Namen eines Menschen in Berührung gekommen, für den ein Stolperstein steht. Durch das Reinigen der Steine und das Gedenken an den Namen auf dem Stein bewahrt ihr auch die Würde des Menschen, der einmal diesen Namen trug.“
Dabei betonte der Bürgermeister auch die Verantwortung aller Menschen für die Einhaltung des Mottos. „Erinnerung bedeutet nicht, in der Vergangenheit stehenzubleiben. Erinnern bedeutet, sich bewusst zu sein, dass der Holocaust nicht in Treblinka, Majdanek, Auschwitz und Maly Trostinez angefangen hat. Sondern mit unwidersprochener Ausgrenzung, mit Hass und Gewalt und dem Schweigen, wo widersprochen werden muss. Erinnerung bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Dafür, dass Ausgrenzung, Hass und Gewalt niemals wieder unser Handeln bestimmen.“

