Meistgelesen 2022Auf Eifeler Wiesen klaffen plötzlich riesige Löcher im Boden

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Ein unheimliches Loch mitten auf der Wiese: Drohnenbilder lassen einen herzförmigen Einsturzkrater erkennen.

Ein unheimliches Loch mitten auf der Wiese: Drohnenbilder lassen einen herzförmigen Einsturzkrater erkennen.

  • Dieser Text ist zuerst am 22. Juli 2022 veröffentlicht worden.

Unweit von Blankenheimerdorf tut sich seit einigen Monaten die Erde auf: Ein Erdfall, eine schon mehr als vier Meter tiefe Doline, ist dort entstanden. Das Loch auf einem Feld der NRW-Stiftung ist zwar gesichert, doch Experten rechnen damit, dass es noch größer werden könnte. Und dass es nicht das einzige in dem Bereich bleiben wird.

Die Erdfälle könnten eine Spätfolge des Starkregens in den Tagen vor dem verheerenden Hochwasser vom 14. zum 15. Juli des vergangenen Jahres sein. Denn eine ganze Reihe von Dolinen wurden seitdem bei Nettersheim entdeckt. Das gilt auch für die bei Blankenheimerdorf.

Das Loch im Boden bei Blankenheimerdorf wird immer tiefer

Knapp vier Meter tief ist der Erdfall hier im derzeit sichtbaren Bereich, rund acht Meter lang und sieben Meter breit, eine Herzform bildend. Das hat es Louisa Schwartz, Studentin im Fachbereich Geografie an der Universität Bonn, angetan. Schwartz steht am Zaun, mit dem die Doline gesichert ist, und begutachtet den von ihr und Dr. Thomas Roggenkamp, wissenschaftlicher Assistent am Geografischen Institut der Universität Bonn, aufgestellten Messstein. „Es sieht so aus, dass er schon wieder ein wenig mehr abgesunken ist“, so Roggenkamp. Er will mit einem Laserdistanzmesser Gewissheit schaffen.

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Bisher waren es ja schon weitere sechs Zentimeter in zwölf Wochen seit der Entdeckung der Doline im vergangenen November. Aktuell deuten frische Risse an der Abbruchkante in dem auf zehn mal acht Meter abgesperrten Areal an, dass das Erdreich hier nach wie vor in Bewegung ist. Ein größerer Absperrradius, der dann 20 Meter im Durchmesser umfassen wird, ist daher schon markiert. Man will auf weitere Erdrutsche an der Stelle mitten im Feld vorbereitet sein.

Dabei sind solche Dolinen in diesem Teil der Eifel aus Sicht des Geologen nichts Besonderes. Die Erklärung dafür liegt tief unter der Oberfläche in den Kalk- und Dolomitgesteinschichten, die zwischen Mechernich und Prüm zu sechs bis acht größeren Kalkzungen geführt haben: Zwischen Hillesheim und Rommersheim im nahen Rheinland-Pfalz sind sie als weit ausgeschwungene Täler gut zu erkennen.

Solches Gestein liegt in der Kalkeifel zudem auf tiefen tektonischen Schichten. Die bewegen sich permanent, was aber nur mit extrem genauen Instrumenten überhaupt messbar ist. Gelegentlich zeigt sich das Phänomen aber in Form kleinerer Erdbeben.

Vergrößerte nach Starkregen Sickerwasser die unterirdischen Hohlräume?

„Wir vermuten, dass durch das Starkregenereignis vom Juli 2021 vermehrt Sickerwasser in die durch die geografischen Verwerfungen im Karststein sich immer wieder neu bildenden Hohlräume, Risse und Spalten eingedrungen ist. Die Hohlräume haben sich vergrößert, die tragende Deckschicht hält nicht mehr, stürzt ein und rutscht nach“, so Thomas Roggenkamp.

Die auf dem Feld bei Blankenheimerdorf so durch die Doline sichtbare oberflächliche Störung bildet sehr wahrscheinlich nur eine von mehreren: Es lässt sich direkt eine Linie zu einer rund 50 Meter entfernten zweiten, derzeit nur 60 mal 70 Zentimeter kleinen Doline, die nur rund 30 Zentimeter tief ist, ziehen. Das lege den Verdacht von Hohlräumen darunter in einem typischen Tunnelsystem nahe, glaubt Thomas Roggenkamp.

Für seine Bachelorstudentin Louisa Schwartz ist das ein hoch interessantes Thema, denn Schwartz will alle Dolinen in den Eifeler Kalkmulden kartografieren. Sie hat schon Kontakt zu den Kommunalverwaltungen, der NRW-Stiftung und der Biologischen Station des Kreises Euskirchen aufgenommen. Sie ist dankbar für jeden Hinweis auf einen Erdfall, auch wenn er schon älter oder längst schon verfüllt worden ist. Bisher hat sie bereits 20 Dolinen erfasst.

In Rheinland-Pfalz musste eine Kuh aus Doline gerettet werden

Vor Ort bei Blankenheimerdorf warnen Schwartz und Roggenkamp unterdessen dringend davor, über den Zaun zu klettern und den Erdfallkrater zu betreten. Man wisse nicht, wie stabil die Deckschicht sei. Es bestehe daher Einsturzgefahr. Und Louisa Schwartz meint nur trocken: „Mit dem Trecker oder anderem schweren Gerät würde ich jedenfalls nicht einfach über dieses Feld fahren.“

Sonst könnte das passieren, was vor einigen Jahren nach ihren Angaben im nahen Rheinland-Pfalz geschah: Da sei plötzlich eine Kuh abgesackt in eine Doline. Das Tier wurde gerettet, weiß Schwartz. Doch am Sicherheitszaun auf dem Feld bei Blankenheimerdorf wird man das Gefühl nicht los, auf unsicherem Boden zu stehen.

Wer Louisa Schwartz bei ihre Bachelorarbeit zur Dolinen-Kartierung der Eifeler Kalkmulden unterstützen will, kann ihr Erdfälle gleich welcher Größe melden. Sie ist unter einer E-Mail-Adresse an der Universität Bonn erreichbar.

Unsere besten Texte 2022 – dieser Text ist erstmals am 22. Juli 2022 veröffentlicht worden.

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