Windräder, Nahrung, BrutWie es den Schwarzstörchen im Kreis Euskirchen geht

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Mit Kameras beobachten Gerd Damaschke (v.r.), Claudia Rapp-Lange und Marion Zöller die Tiere.

Mit Kameras beobachten Gerd Damaschke (v.r.), Claudia Rapp-Lange und Marion Zöller die Tiere.

Kreis Euskirchen – Wenn über das Vorkommen seltener Tiere berichtet wird, beruhen die Angaben häufig auf den Beobachtungen ehrenamtlicher Mitarbeiter in Naturschutzverbänden. Viele sind mehr als Hobby-Naturschützer oder Ökofreaks. In ihren Reihen sind Biologen, Ornithologen und Menschen aktiv, die sich schon lange intensiv und fachlich mit der Bestimmung und dem Vorkommen von Arten auseinandersetzen. Ohne deren genaue Beobachtungen, Kartierungen und Auswertungen wäre deutlich weniger über die Natur bekannt.

Seit 2018 stehen auch die Schwarzstörche im Kreis Euskirchen auf der Liste der Erhebung von Naturschutzbund (Nabu) und Naturschutzinitiative (NI). Bei der Beobachtung muss mit viel Umsicht vorgegangen werden. Marion Zöller (Ethologin), Claudia Rapp-Lange (Dipl.-Geografin) und Gerd Damaschke berichteten jetzt über ihre Erfahrungen in Sachen Beobachtung der Tiere.

Diesen einjährigen Schwarzstorch hat die Webcam an der Berke aufgenommen. Das Bild belegt, dass Jungvögel aus dem Winterquartier wieder an ihren Geburtsort zurückkehren.

Diesen einjährigen Schwarzstorch hat die Webcam an der Berke aufgenommen. Das Bild belegt, dass Jungvögel aus dem Winterquartier wieder an ihren Geburtsort zurückkehren.

An einem Bachlauf der Berke in der Gemeinde Dahlem stehen sie und warten mit gebotenem Abstand auf die Ankunft des Schwarzstorches. Die sonst so scheuen Vögel lassen sich von den auf der nahen Straße fahrenden Lastwagen und Autos davon abhalten, auf der Feuchtwiese nach Amphibien und im Bach nach Fischen für ihre Jungen zu stöbern. Wegen des Lärms lassen sich die imposanten Tiere an diesem Tag  jedoch nicht blicken.

In den Mittelgebirgswäldern finden sie zahlreiche geschützte Wasserstellen, an denen sie auf Nahrungssuche gehen können. Scheinbar lieben die Vögel die Abwechslung und kommen nicht immer an die gleichen Futterplätze. Was ihr Brutgebiet anbelangt, sind sie jedoch ortstreu, wissen die drei Beobachter. Sie kennen die Horste, vermeiden aber jeden unnötigen Kontakt, um die Tiere nicht zu stören. Die drei bekannten Brutpaare im Kreis reichen indes auf Dauer nicht aus, um die Population in diesem Gebiet stabil zu halten. Mindestens 15 Paare wären nötig, um genetische Vielfalt zu gewährleisten. Und so schauen die Mitarbeiter jedes Jahr erwartungsvoll nach den Flugbewegungen dieser Zugvögel und halten die Ergebnisse auf Karten fest.

Abschaltung

Den Betriebsstopp von zehn Anlagen im Windpark Dahlem I-III (Dahlem-Baasemer Wald) sowie der drei Anlagen am Metziger Berg hatten die Umweltverbände Naturschutzinitiative (NI) und Nabu beim Kreis beantragt. Sie wollten den vorübergehenden Betriebsstopp bis etwa Ende August erreichen, um die flügge werdenden Jungstörche zu schützen. Diesen Antrag lehnte der Kreis Euskirchen Ende Juni ab.

An NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser und das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) hat man sich nach Angaben von Claudia Rapp-Lange, Sprecherin der NI im Kreis Euskirchen, nun mit der Bitte gewandt, einen Betriebsstopp erneut zu prüfen. An einer möglichst unbürokratischen und vor allem schnellen Lösung ist den Umweltverbänden gelegen. Ob sie auch den Klageweg beschreiten, wird laut Rapp-Lange derzeit geprüft. Man habe sich nicht grundsätzlich gegen eine Klage, sondern für den schnellen Weg entschieden.

Dringend geboten ist dies nach Ansicht der Verbände. Am Montag, so Rapp-Lange, habe man festgestellt, dass die jungen Störche die Horste im Bereich dieser Windparks verlassen haben. Zwei Jungvögel gebe es mindestens in diesem Bereich. Einmal seien sogar drei Störche gesichtet worden. Doch es sei noch unklar, ob es sich dabei nicht um zwei Jungtiere und einen Altvogel gehandelt hat, da die Entfernung für die farbliche Unterscheidung – junge Störche haben braune Schnäbel und Füße, alte rote – zu groß gewesen sei.

Ausgeflogen sind die Jungstörche laut Rapp-Lange längst nicht. In diesen Wochen lernten sie das Fliegen und die Nahrungsaufnahme. Sie kehrten noch zu ihrem Horst zurück, wo sie beispielsweise von den Eltern Nahrung erhalten. (rha)

Der Dahlemer Waldgürtel, der sich von Belgien bis zur A1 erstreckt, bietet gute Bedingungen für den Schwarzstorch. Das Gebiet gilt als Schwerpunktvorkommen für den Vogel, von dem weltweit etwa 12.000 Exemplare existieren. Zöller: „In diesem Jahr haben wir leider im Naturpark Eifel keinen bebrüteten Horst.“ Eine Erklärung dafür hat sie nicht. An anderer Stelle im Bereich Dahlem wird gebrütet. „Die Schwarzstörche, die hier aufwachsen, kommen vielleicht später wieder in diese Gegend zurück“, hofft Rapp-Lange.

Die Webcams sollen Aufschluss über Tieren an der Berke geben.

Die Webcams sollen Aufschluss über Tieren an der Berke geben.

Gerd Damaschke, der gerne mit seinem Fotoapparat auf Pirsch geht, hat schon mehrfach Aufnahmen gemacht, wie die Tiere durch Windparks fliegen. Zöller erklärt: „Die Gefahr, insbesondere für Jungvögel, besteht nicht nur darin, von den Rotoren getroffen zu werden, sondern durch die Luftverwirbelung am Ende der Rotoren ins Trudeln zu geraten und sich beim Aufprall auf den  Boden die Flügel zu brechen.“ Sie erklärt, dass in Spanien Vertikalrotoren verwendet werden, die weniger Gefahr für die Vögel darstellen. Bisher finden diese aber keine Verwendung in Deutschland. Bei einer so kleinen Population zähle im Grunde jedes einzelne Tier. Daher bemühen sich NI und Nabu weiter darum, während der Brut horstnahe Windräder abzuschalten (siehe „Abschaltung“).

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Auf die Frage, ob man sich zwischen zwingend zwischen Arten- und Klimaschutz entscheiden muss, antwortet Marion Zöller: „Wir sind für Erneuerbare Energien statt Kohle und Atomstrom. Aber wir setzen uns für Arten ein, die auch von der Regierung als schutzbedürftig anerkannt sind. Der Erhalt der Arten darf nicht gegen die Klimaschutzdebatte ausgespielt werden.“ Windräder und Schwarzstörche würden sich nach Ansicht der Verbände „vertragen“, wenn man die Ergebnisse der  Beobachtungen bei den Planungen berücksichtigen würde.

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