Euskirchener MaiherzenmanufakturDie Königin der Herzen

Lesezeit 3 Minuten
Christine Carstensen steckt sorgsam Blüte um Blüte ins Herz. Alles ist Handarbeit.

Christine Carstensen steckt sorgsam Blüte um Blüte ins Herz. Alles ist Handarbeit.

Euskirchen – Zurzeit hat Christine Carstensen alle Hände voll zu tun. Von 8 Uhr morgens bis oft tief in die Nacht sitzt sie in ihrer Wohnung und kreiert papiergewordene Liebesbeweise.

Ihre Maiherzen-Manufaktur, mit der sie sich vor drei Jahren selbstständig machte, brummt: „Rund 15 000 Papierrosen habe ich dieses Jahr bisher verarbeitet“, verrät sie.

Anfangs produzierte die 35-Jährige die bunten Kreppblümchen erst nach Eingang einer Bestellung. Mittlerweile ist sie dazu übergangen, ab Januar Rosen auf Vorrat zu drehen. Und zwar nicht irgendwelche, sondern nur solche aus wasserfestem Krepp, das vorher mit einer eigens konstruierten Rändelmaschine einen hübsch gekringelten Rand verpasst bekommen hat.

Die Wohnung von Christine Carstensen gleicht zurzeit einer Werkstatt: Überall hängen halbfertige Maiherzen in allen nur erdenklichen Farben („Insgesamt elf stehen zur Auswahl.“), Kartons mit Krepppapier stapeln sich auf. Auf dem Wohnzimmertisch liegen Blumendraht und haufenweise Kreppstreifen, die darauf warten, verarbeitet zu werden. Am Küchentisch wird zugeschnitten und gerändelt. Die ganze Familie wird eingespannt: die Mutter zwirbelt Rosen, der Vater bringt die fertigen Herzen zur Post (und hat auch schon welche bis nach Frankreich und Belgien verschickt), die Schwester rändelt, Sohn Max (elf) nimmt die Anrufe entgegen. Währenddessen bestückt Christine Carstensen die aus Styropor geschnittenen Formen nach Wunsch und Gusto. „Ganz ehrlich, im Moment träume ich nachts von Maiherzen“, lacht sie.

„Last-Minute-Herzen“ sehr gefragt

Und dann die Garage. Wer es nicht gesehen hat, der mag es kaum glauben: Einige Tage vor dem 1. Mai sind die Wände mit bunten Krepp-Kreationen komplett zugehängt, auch von der Decke baumeln zu Dutzenden die hübschen Herzen mit Initial der Liebsten. „Tja, die Jungs sollten ihre Bestellungen allmählich abholen“, seufzt Christine Carstensen.

Jetzt, einen Tag vor der Mainacht, steht das Telefon bei der kleinen Familie nicht mehr still. „Last-Minute-Herzen“ nennt Christine Carstensen jene, die kurz vor knapp geordert werden. Manch einer wünscht auch kurz vor dem 1. Mai ein neues Initial, weil die Liebe nicht mehr die gleiche ist wie am Tag der Bestellung. „Ich hatte auch schon einen Anruf am 1. Mai selber – das Herz war in der Nacht geklaut worden, und der junge Mann brauchte dringend ein neues für seine Liebste.“

Die sympathische Euskirchenerin, die vor ihrer ausgefallenen Selbstständigkeit einige Jahre als Animateurin im Ausland gearbeitet hat, kann so manche Anekdote zu ihren Maiherzen erzählen. „Amüsant sind jene Männer, die mich bitten, das Herz so zusammenzustecken, dass es nach Möglichkeit selbst gemacht aussieht – also nicht ganz so perfekt“, erzählt die Alleinerziehende schmunzelnd. Manche Bestellung ist zudem sehr ausgefallen – von Hello-Kitty-Kreationen über Fußballvereinsembleme mit Initial bis hin zu Riesenherzen mit einem Durchmesser von 1,50 Meter. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Und dann sind da noch die Mädels, die „im Auftrag ihres Freundes“ ein Maiherz bestellen...

Nach den Herzen kommt der Drahtschmuck

Ab dem 1. Mai ist es schlagartig ruhig bei Christine Carstensen. Zu still, wie sie findet.

Und da die Miete weiterhin gezahlt und der Kühlschrank gefüllt sein wollen, hat sie sich für die Zeit, bis die Maiherzen-Großproduktion wieder anläuft, ein anderes Handwerk gesucht: „Ich stelle hübschen Drahtschmuck her und verkaufe diesen auf Märkten in der Region.“

KStA abonnieren