Das Beispiel der Hellenthaler Fälle zeigt, dass die Abschaffung der Anliegerbeiträge nicht generell gilt.
AnliegerbeiträgeTrotz neuem Gesetz kann es für die Bürger noch richtig teuer werden

Die Straße „Am Goldenbach“ in Losheim liefert ein Beispiel dafür, wie vertrackt die Sache mit den Anliegerbeiträgen sein kann.
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Betretene Gesichter gab es bei den Mitgliedern im Ausschusses für Bauen und Planen. Denn das Thema der Anliegerbeiträge beim Ausbau von Straßen, die doch eigentlich seit Anfang 2024 abgeschafft sein sollten, ist dann doch um einiges komplizierter, als im Zuge der Verabschiedung der Novelle des Kommunalabgabengesetzes (KAG) kommuniziert.
Bauamtsleiter Markus Rodenbüsch erläuterte, dass im Endeffekt an einem fernen Schreibtisch entschieden wird, ob die Sanierung einer Straße tatsächlich mit Landesmitteln finanziert wird. Und: Entschieden wird nicht etwa, bevor die Bagger rollen, sondern erst, wenn die Maßnahme abgeschlossen ist und die Rechnungen bezahlt sind. Was auch bedeutet, dass bis zuletzt eine böse Nachricht in Form eines horrenden Gebührenbescheides auf die Anlieger zukommen kann.
Im Hellenthaler Beispiel geht es um einen Ausbau für eine Million Euro
In dem Fall, der in Hellenthal zur Debatte stand, könnte das schon erhebliche Auswirkungen haben. Der Ausbau der Straße „Am Goldenbach“ in Losheim kostet, wie Planer Michael Lorse erläuterte, rund eine Million Euro. In drei Abschnitte teilt er den Straßenverlauf.
Zum einen der Bereich von der Einfahrt zur B421 bis zur Kreuzung mit dem Kyllradweg und der Zufahrt zum Sägewerksbetrieb Hilo, zum anderen zwei Bereiche nördlich des Radwegs. Für diese hat der Planer unterschiedliche Verkehrsdichten und damit auch andere technische Ausbaustufen der Straße projektiert. Verschiedene Optionen bestehen für die Zufahrt zum Sägewerk, bei denen der Gehweg unterschiedlich ausgebaut und auch Warteflächen für Lkws eingeplant werden.
Über die Förderung wird erst entschieden, wenn alles fertig ist
Doch schnell wurde klar, dass nicht die technische Seite des Ausbaus ein Problem darstellt, sondern die finanzielle. Denn ob das Land NRW tatsächlich nach KAG den bisher für die Anlieger vorgesehenen Anteil von 60 Prozent trägt, ist nicht sicher. „Im Gegensatz zu anderen Förderungen erfahren wir nicht im Vorfeld, ob die Maßnahme förderfähig ist, sondern erst, wenn alle Rechnungen vorliegen. Vorher können wir die Förderung nicht beantragen“, so Rodenbüsch. Wenn das Land feststelle, dass es sich um einen Erstausbau handele, verteile sich außerdem der fällige Anliegerbeitrag von 90 Prozent auf nur wenige Anwohner – was immense Kosten für die bedeuten würde.
Für die Politiker war das eine Überraschung. Unstrittig ist, dass der marode Abschnitt, über den das Sägewerk beliefert wird, saniert werden muss. Vertagt wurde der Punkt jedoch, da man sich Klarheit über die Ausbaudetails und die genaue Aufschlüsselung der Kosten auf die einzelnen Bauabschnitte verschaffen wolle.
Die Kommunen benötigen ein Straßen- und Wegekonzept
Anliegerbeiträge waren im weiteren Verlauf der Sitzung erneut Thema. Denn die Politiker sollten über die Erstellung eines Straßen- und Wegekonzeptes abstimmen, das die Grundlage für eine Förderung nach KAG ist. „Ohne das brauchen wir erst gar keine Förderung zu beantragen“, betonte Rodenbüsch.
Basis für das Konzept war die Straßenunterhaltungsliste der Gemeinde. Doch auch das ist nicht ohne. Da manche Straßen teils erschlossen seien, teils nicht, biete das diverse Fallstricke, sagte Bürgermeister Rudolf Westerburg: „Es wäre teilweise so, dass wir eine Straße sanieren, und der obere Bereich muss bezahlen, der untere dagegen nicht.“ Jede Menge Rechtsstreitigkeiten seien da programmiert. Denn es geht stets um viel Geld: Durchschnittlich 67.000 Euro pro beitragspflichtigem Anlieger hat der Ausschussvorsitzende Ulrich Hoffmann (CDU) errechnet.
Dass die Straßenausbauliste nicht einfach pro forma erstellt werden könne, bestätigte Rodenbüsch auf Nachfrage von Dirk Stoff (FDP). Da erinnert er auch an die lange Liste an Nachforderungen, die im Zuge der Erstellung des Wirtschaftswegekonzeptes gekommen sei. Trotz alledem warnte Gunter Echtle (Grüne) vor dem Nichtstun: „Dann haben wir das Gleiche wie mit dem Kanal. Die Leute wollen es bis zu dem Punkt, wo klar wird, dass sie zahlen müssen.“
Doch da bereits der Ausbau in Losheim vertagt worden war, für den die Straßenausbauplanung notwendig ist, entschieden die Politiker, das gesamte Thema in die nächste Legislaturperiode zu vertagen.
Die Ausnahmen
Die Straßenanliegerbeiträge werden abgeschafft. So hieß es Anfang 2024, als das Kommunalabgaben-Änderungsgesetz beschlossen wurde. Doch der Teufel steckt im Detail, so dass es immer noch ganz anders sein könnte. Denn die Gesetzesänderung bezieht sich nur auf den Ausbau vorhandener Straßen. Unter bestimmten Voraussetzungen können die Kommunen dafür die Erstattung von 60 Prozent der Kosten, den bisherigen Anteil der Anlieger, beim Land beantragen. Der Rest der Baukosten wird über den kommunalen Haushalt gedeckt.
Für die Ausbaubeiträge, die in NRW 60 Prozent betragen, gibt es Regeln. Eine Erstattung durch das Land kommt nur infrage, wenn die jeweilige Kommune ein Straßen- und Wegekonzept vorzuweisen hat, in dem die entsprechende Straße erfasst ist. Ansonsten muss die Kommune auch bei einem Ausbau wie bisher einen Gebührenbescheid in Höhe von 60 Prozent der Kosten zu Lasten der Anlieger versenden.
Nicht berücksichtigt wird zudem der Bau einer Straße, die bei der Erschließung eines Baugebietes gebaut, aber nie mit Gehwegen und Parkflächen fertiggestellt wurde. Im Amtsjargon sind dies „nicht vorhandene Straßen“, die zwar seit vielen Jahren befahren werden, aber nicht über den Etat abgerechnet wurden und somit offiziell nicht im Bestand sind. Wenn sie nun, teils nach Jahrzehnten, saniert und mit Gehwegen und Entwässerungsanlagen versehen werden müssen, gilt dies als Ersterschließung, die nach dem Baugesetzbuch abgerechnet werden muss. Und für die Anlieger bedeutet das, dass sie 90 Prozent der Kosten zu tragen haben.