GrippeimpfungImpfmuffel im Kreis bereiten Sorge

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So ein kleiner Pieks kann einem Landrat doch nichts anhaben: Günter Rosenke ließ sich bei seiner Grippeimpfung fotografieren, um für die Schutzmaßnahme zu werben.

So ein kleiner Pieks kann einem Landrat doch nichts anhaben: Günter Rosenke ließ sich bei seiner Grippeimpfung fotografieren, um für die Schutzmaßnahme zu werben.

Kreis Euskirchen – Mit Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen tun sich die Menschen im Kreis Euskirchen offenkundig schwer – zumindest schwerer als in anderen Regionen. Darauf weist die AOK Rheinland in ihrem kürzlich veröffentlichten Gesundheitsreport hin. Dabei handelt es sich, so Regionaldirektor Helmut Schneider, um repräsentative Aussagen für den Kreis Euskirchen: „Der Report ist valide, weil er auf den Daten von mehr als 65 000 Versicherten und somit eines Drittels der Kreisbevölkerung basiert.“ Diese stammen aus dem Jahr 2018.

Grippeschutzimpfungen

25 100 Menschen seien 2018 in Deutschland an Grippe gestorben, so Schneider. Auch im Kreis Euskirchen habe es Grippe-Tote gegeben. 180 Menschen im Kreis mussten 2018 stationär behandelt werden – Negativrekord. Dennoch lasse sich nur jeder dritte Versicherte über 60 Jahren (Risikogruppe) impfen, so Schneider: „Das ist sehr wenig“.

Ohne den Nachweis geht’s nicht in die Kita

Das Gesetz für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz), das der Bundestag ver abschiedet hat, sieht vor, dass Eltern vor Aufnahme ihres Kindes in eine Kindertagesstätte oder Schule nachweisen müssen, dass das Kind gegen Masern geimpft oder bereits immun ist.

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Auch Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen wie Arztpraxen, ambulanten Pflegediensten oder Krankenhäusern, die nach 1970 geboren sind, müssen dann geimpft sein oder ihre Immunität nachgewiesen haben.

Die Nachweispflicht über einen ausreichenden Impfschutz, wie sie die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt, oder über eine Immunität gegen Masern gelte auch für Mitarbeitende in Kitas, Schulen oder anderen Gemeinschaftseinrichtungen, für Tagesmütter, für Bewohner und Mitarbeitende in Asylbewerber- und Flüchtlingsunterkünften (die jeweils nach 1970 geboren sind), erläutert AOK-Regionaldirektor Helmut Schneider im Gespräch mit dieser Zeitung.

Ohne ausreichenden Masernschutz dürfen Kinder nicht in Kindertagesstätten aufgenommen werden und Personal nicht in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen arbeiten. Für Kinder, die bereits vor dem 1. März 2020 eine Kita oder Schule besuchen sowie für Beschäftigte in entsprechenden Einrichtungen gilt eine Nachweisfrist bis zum 31. Juli 2021.

Im AOK-Rheinland/Hamburg-Schnitt seien es 62 Prozent. Das Gebiet umfasst die Regierungsbezirke Köln und Düsseldorf sowie die Stadt Hamburg.

Gerade in der Corona-Zeit sei die Grippeschutzimpfung ausgesprochen wichtig, appelliert Schneider an die Bürger, den Pieks in den Oberarm nicht zu scheuen. Die medizinischen Fachgesellschaften hätten in den vergangenen Tagen auf vielen Kanälen darauf hingewiesen, sagt Schneider und schließt sich dem an: „Gehen Sie zu Ihrer Ärztin oder Arzt und sprechen mit ihr oder ihm über die Grippeschutzimpfung.“

Masernimpfung

Die grundsätzliche Impfbereitschaft ist laut AOK bei den Eltern groß. „Es gibt aber insbesondere im Kreis Euskirchen immer noch zu viele Eltern und vereinzelt Ärzte, die dem Thema nicht die gebotene Bedeutung beimessen“, teilt die Kasse mit. So erhielten nur rund 85 Prozent der Kinder die zweite Impfung und sind gegen Masern geschützt.

Damit schneidet der Kreis Euskirchen am schlechtesten in Gebiet der AOK Rheinland/Hamburg ab. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt 95 Prozent. Masern heilen laut Report meist problemlos aus. Komplikationen wie Mittelohrentzündung, Lungenentzündung, Bronchitis, Durchfall-Erkrankung, Pseudo-Krupp (Krupp-Syndrom), Gehirnentzündung (Enzephalitis) treten aber hierzulande bei 10 bis 20 Prozent der Patienten auf. Etwa einer von 1000 Erkrankten könne sterben.

Vorsorge bei Erwachsenen

„Wir weisen seit Jahren in der Öffentlichkeit und in Briefen unsere Versicherten auf die Wichtigkeit der Vorsorgeuntersuchungen hin“, sagt Schneider. Mit Erfolg? Mal so, mal so. Die Krebsvorsorgeuntersuchungen nähmen die Menschen im Kreis vergleichsweise häufig in Anspruch, aber absolut gesehen, ließen sich viel zu wenig untersuchen. Die Früherkennungskoloskopie nehmen nur 17,1 Prozent in Anspruch. Dabei handele es sich hierbei um eine echte Früherkennungsuntersuchung.

Den Check-up 35 nehmen laut Report Frauen und Männer hierzulande deutlich seltener in Anspruch als der Durchschnitt der AOK-Versicherten: Bei Frauen im Kreis liegt die Inanspruchnahme bei 48,9 Prozent – und damit knapp sechs Prozentpunkte unter dem Schnitt im Bereich der AOK Rheinland/Hamburg mit 54,8. Bei den Männern im Kreis (41,8) liegt der Anteil 4,2 Prozentpunkte unter dem Schnitt (46,0). Dabei ziele diese Untersuchung auf die frühzeitige Erkennung der sogenannten Volkskrankheiten Herz-, Kreislauf-, Nierenerkrankungen und Diabetes ab, so Schneider.

Vorsorge bei Kindern

Wie halten es die Erziehungsberechtigten mit der Vorsorge ihrer Kinder? Unterschiedlich, so die AOK: „Sind die Kinder jung, werden die Untersuchungen noch in ausreichendem Ausmaß durchgeführt.“

Die U 7a (3. Lebensjahr) nähmen im Kreis Euskirchen 98,4 Prozent in Anspruch. Das ist ein Spitzenwert. Doch dann lässt die Bereitschaft dramatisch nach: „Bei der U 10 (7. bis 8. Lebensjahr) sind wir mit 48,7 Prozent im unteren Viertel. Also noch nicht mal jedes zweite Kind wird untersucht.“ Und bei der J1-Untersuchung trägt der Kreis die Rote Laterne. „Mit 32,3 Prozent haben nicht mal ein Drittel der 12- bis 14-jährigen Jugendlichen diese Vorsorgeuntersuchung in Anspruch genommen“, so die AOK.

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