Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Dilemma bei der KinderbetreuungAlleine in Euskirchen fehlen 25 Kita-Gruppen

Lesezeit 5 Minuten

Der Bedarf an Tagesmüttern und -vätern ist im Kreis Euskirchen ungebrochen hoch (Symbolbild).

  1. Insgesamt gibt es 79 Tagesmütter und zwei Tagesväter im Kreis Euskirchen. Die Nachfrage ist hoch.
  2. Die Anforderungen in der Ausbildung sollen steigen, um mit Kitas mithalten zu können.
  3. Von denen gibt es im Kreis weiter zu wenig. Neubauten sind nicht in Sicht. Das Dilemma im Überblick.

Kreis Euskirchen – Zwei Jahre lang hatte sie sich Gedanken gemacht, das Für und Wider immer wieder abgewogen. Heute sagt Yvonne Adenau: „Ich habe meine Entscheidung, Tagesmutter zu werden, noch nicht eine Sekunde bereut.“ Auf dem Ratsheimer Hof, einem alten Bauernhof zwischen Euskirchen und Kuchenheim, betreut die gelernte Erzieherin seit einem Jahr täglich fünf Kinder. Insgesamt hat sie sechs Kinder zwischen einem und zweieinhalb Jahren pro Woche von 7 bis 16.30 Uhr in ihrer Obhut. Die Nachfrage nach Betreuungsplätzen sei hoch, sagt Adenau. Sie führe sogar eine Warteliste. Ein Jahr im Voraus sei sie ausgebucht.

Die Euskirchenerin ist eine von 79 Tagesmüttern im Kreis. Hinzu kommen zwei Tagesväter: Andreas Fuhr in Bad Münstereifel und Markus Helmsen in Weilerswist. „Das Ansehen der Tagespflege hat sich komplett gedreht – gerade bei den Eltern ganz junger Kinder. Sie sind sehr zufrieden mit der Arbeit der Tagesmütter“, sagt Kathrin Poganski von der Abteilung Jugend und Familie beim Kreis Euskirchen.

Glückliche Tagesmutter: Yvonne Adenau aus Euskirchen.

Tagesmütter und -väter sind gefragt, bestätigt Poganskis Kollegin Martina Hilger-Mommer: „Der Bedarf ist da. Wir haben glücklicherweise weiterhin steigende Kinderzahlen, und die Eltern finden die Betreuungsform sehr gut.“

Wichtiger Baustein in der U3-Betreuung

Besonders in der U-3-Betreuung sei die Tagespflege ein wichtiger Baustein zur Ergänzung der Betreuung in den Kindertagesstätten, erläutert sie. Auch die Randzeitenbetreuung außerhalb der Öffnungszeiten von Kitas und Schulen sowie über Nacht oder am Wochenende sei zunehmend gefragt. Hilger-Mommer: „Grundsätzlich begrüßen wir die Tagespflege als behütete Form der Betreuung besonders für die ganz Kleinen ab einem Jahr. Wir sehen gerade bei den Randzeiten aber auch die Grenzen dessen, was noch gut für die Kinder ist.“

Auffällig in der Statistik des Kreises ist, dass es bei der Zahl der Tagespflegepersonen ein Nord-Südgefälle gibt. In Nettersheim und Blankenheim engagiert sich aktuell niemand in der Tagespflege, in Schleiden immerhin fünf, in Hellenthal zwei und Dahlem eine Frau. Allein in Euskirchen gibt es laut dem Kreis 115 Tagesmütter.

160 Stunden dauert aktuell die Ausbildung. Nach 80 Stunden dürfen die Teilnehmerinnen anfangen, als Tagesmutter zu arbeiten. Ausgebildete Erzieherinnen müssen künftig wohl eine 80-stündige Qualifikation ableisten, aktuell ist die für Fachkräfte nicht vorgeschrieben. Überhaupt sollen die Anforderungen steigen, erklärt Hilger-Mommer. „Wenn sich jemand fünf Jahre lang nicht fortbildet, ist das zu wenig. Der Qualitätssprung zur Kita ist dann zu groß“, sagt die Expertin: „Wenn bei der Verlängerung der Zertifizierung nicht klar ist, dass Schulungen und Fortbildungen von der Tagespflegeperson besucht worden sind, werden wir sehr kritisch hinschauen.“

Hilger-Mommer fügt aber hinzu: „Wir müssen aufpassen, dass die Eintrittskarte nicht zu kompliziert wird. Aber natürlich gibt es so viel zu lernen. Die Erziehungskonzepte entwickeln sich weiter. Da sind fünf Stunden Fortbildung pro Jahr nicht zu viel.“

Hoher Bedarf bei Kitas im Kreis Euskirchen

Zu viele Kindertagesstätten gibt es im Kreis laut Hilger-Mommer nicht – im Gegenteil. Auch in diesem Bereich sei der Bedarf groß. Das lasse sich seit Jahren recht verlässlich anhand des vom Kreis eingerichteten Kita-Navigators vorhersagen. „Wir rechnen beispielsweise in Zülpich bei Neubaugebieten mit einem Kind pro Wohneinheit“, erklärt Poganski: „Die Eltern, die aus den Ballungsgebieten aufs Land ziehen, bringen den Anspruch mit, hier einen Kindergartenplatz zu erhalten.“ Es gebe natürlich unversorgte Kinder im Kreis. Dennoch habe bisher noch kein Elternteil einen Platz eingeklagt. „Wir haben immer eine Lösung gefunden. Es ist zwar nicht immer die Wunsch-Kita dabei herausgekommen, aber es gibt immer eine Lösung“, so die Expertin.

Bei den Ü-3-Kindern beträgt die Versorgungsquote im Kreis laut Hilger-Mommer 100 Prozent. Für eine Mindestquote im U-3-Bereich sei der Kreis zu heterogen. In der Stadt Euskirchen habe die Politik sich aber genau eine solche Mindestquote gesetzt. 70 Prozent der Kinder im Alter zwischen zwei und drei Jahren soll ein Platz zur Verfügung stehen. „Es fehlen aktuell in der Kreisstadt 25 Gruppen“ berichtet Hilger-Mommer: „Das liegt vor allem daran, dass es kaum Flächen für den Bau von Kitas gibt.“ Da der Kreis keine eigenen Flächen habe, sei er auf die Städte und Gemeinden angewiesen. Die Planung von Kindertagesstätten ist nämlich Aufgabe des Kreises. Der hat mit den Kommunen vor Jahren einen sogenannten Kita-Konsens vereinbart. Mittlerweile sind wieder alle Kommunen mit im Boot. 2014 war das noch anders, da Bad Münstereifel ausgetreten war. Das brachte der Kurstadt den Vorwurf ein, sich unsolidarisch zu verhalten. Schließlich zahlten die anderen Kommunen die Kita-Zuschüsse im Grunde genommen selbst – über die Kreisumlage. „Zu dieser Zeit gab es in Bad Münstereifel einen Investitionsstau“, erläutert Hilger-Mommer. Mittlerweile sei man mit allen Kommunen bei der Planung schnell einig. „Oft scheitert es nur daran, dass keine Flächen vorhanden sind.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Platz hat Tagesmutter Yvonne Adenau genug auf ihrem alten Bauernhof – für Kinder und Tiere. Die spielen in ihrem selbsterarbeiteten Konzept eine große Rolle, genau wie klare Regeln, Strukturen und Rituale. „Wir kochen immer frisch. Die Zutaten kommen oft aus dem eigenen Garten“, erklärt Adenau. Vom Schritt in die Selbstständigkeit habe die gelernte Erzieherin lange die Bürokratie und vor allem die Unsicherheit abgehalten. „Die Wertschätzung der Eltern für meine Arbeit wiegt das aber allemal auf“, so die Tagesmutter, die zwei „ihrer“ Kinder 45 Stunden und vier 25 Stunden pro Woche betreut.

Auch im Kindergarten haben die 25 Stunden Betreuungszeit kreisweit wieder an Bedeutung gewonnen. „Wer sein Kind 45 Stunden in die Kita gibt, muss den Bedarf explizit nachweisen“, so Hilger-Mommer.