Kreis EuskirchenUnterstützung für Familien mit Migrationshintergrund

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Das EMMI-Team des DRK-Kreisverbandes Euskirchen um dessen Projektleiter Boris Brandhoff (mit roter DRK-Jacke).

Das EMMI-Team des DRK-Kreisverbandes Euskirchen um dessen Projektleiter Boris Brandhoff (mit roter DRK-Jacke).

Kreis Euskirchen – Salopp ausgedrückt möchte man sagen, dass der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes da einen echt dicken Fisch an Land gezogen hat. „Empowerment für Eltern mit migrationsspezifischem Unterstützungsbedarf im ländlichen Raum“, kurz EMMI, heißt das Modellprojekt, das bereits im Mai an den Start ging und ein Gesamtvolumen von 710 000 Euro hat. Von dieser Summe übernimmt der Europäische Sozialfonds (ESF) die Hälfte, weitere 284 000 Euro fließen aus Bundesmitteln dazu, und 71 000 Euro verbleiben als Eigenanteil beim DRK-Kreisverband.

Konzept setzt sich durch

„Das war mit Abstand der aufwendigste Antrag, für den ich je verantwortlich war“, gibt Projektleiter Boris Brandhoff unumwunden zu. Nach fast 20-seitiger Interessensbekundung und gut 35-seitiger Antragstellung setzte sich das Konzept des DRK-Teams Migration/Integration schließlich mit 34 anderen Antragsstellern gegen 100 Mitbewerber durch.

Das Projekt

EMMI – das steht für Empowerment für Eltern mit migrationsspezifischem Unterstützungsbedarf im ländlichen Raum. Umgesetzt wird das Modellprojekt vom DRK im Kreis Euskirchen im Rahmen des bundesweiten Förderprogramms „Akti(F) – Aktiv für Familien und ihre Kinder“, das mit Mitteln des

Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gefördert wird.

Eltern und ihre Kinder, die Leistungen vom Jobcenter beziehen, sollen dabei unterstützt werden, die eigenen Stärken zu nutzen und sich eine nachhaltige Zukunft aufzubauen. Übergeordnetes Ziel von EMMI ist, durch den Integrationsprozess der Teilnehmer am Arbeitsmarkt wie in der Gesellschaft einen Beitrag zur Bekämpfung der Familien- und Kinderarmut zu leisten.

Das ESF-Modellprojekt läuft seit Mai dieses Jahres und endet im Dezember 2022. Während dieser Zeit werden voraussichtlich rund 300 Erwachsene mit migrationsspezifischem Unterstützungsbedarf sowie deren Kinder durch das Projekt betreut. Angegliedert an das DRK-Team Migration/Integration, sind drei Vollzeitstellen entstanden, eine weitere halbe Stelle folgt im kommenden Jahr. (hn)

www.drk-eu.de/angebote/

migration-und-integration/

emmi

EMMI wird im Rahmen des ESF-Modellprogramms „Akti(F) – Aktiv für Familien und ihre Kinder“ gefördert. Hintergrund ist die Tatsache, dass in Deutschland trotz guter Wirtschaftslage und vieler offener Stellen auf dem Arbeitsmarkt weiterhin viele Familien von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen sind. „Kinder benötigen im Sinne von Prävention gute Bedingungen des Aufwachsens und die Vorbildfunktion aktiver Eltern, damit langfristig den Risiken gesundheitlicher Beeinträchtigungen, nachteiliger Bildungsverläufe und generationenübergreifender Arbeitslosigkeit entgegengewirkt werden kann“, heißt es in den Förderrichtlinien des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Eltern unterstützen

Das Konzept des DRK-Kreisverbandes spezialisiert dieses Anliegen noch. Die Teilnehmenden beziehen SGB-II-Leistungen, haben Kinder unter 15 Jahren und eine Migrationsgeschichte. „Wir beraten Eltern, die gerne arbeiten oder sich beruflich qualifizieren möchten. Dabei loten wir die individuellen Ziele und den konkreten Unterstützungsbedarf aus“, so Boris Brandhoff.

Die EMMI-Mitabeiter verstehen sich dabei als Lotsen, die dafür sorgen, dass die Familien vorhandene Angebote wahrnehmen können. Den Kindern wird zudem geholfen, am sozialen und kulturellen Leben teilzunehmen.

Ganzheitlicher Ansatz

Das Besondere am EMMI-Projekt ist der systemische Ansatz: Die ganze Familie wird in den Blick genommen. Und auch, wenn das endgültige Ziel ganz klar die Abnabelung vom SGB-II-Bezug und die Etablierung am ersten Arbeitsmarkt ist, so geht es eben auch um seelische und soziale Belange. „Wir lernen die gesamte Familienstruktur kennen und im Laufe der Beratung auch die Probleme und Chancen der Familie“, so Michael Kehren aus dem Beraterteam. Gespräche fänden nicht nur in den Büros in Euskirchen und Kall statt, sondern auch bei den Teilnehmern zu Hause. „Wichtig ist: Wir sind nicht der verlängerte Arm des Jobcenters, sondern Hilfesteller und Brückenbauer“, betont Projektkoordinatorin Judith Raß. So werde auf vorhandene Strukturen zurückgegriffen wie etwa die Angebote der Verbraucherzentrale, der Schuldnerberatung oder von Sprachkursträgern.

Um das Projekt in gute Bahnen zu lenken, habe man im Vorfeld einen Kooperationsverbund ins Leben gerufen, dem 13 Institutionen, Kommunen, Behörden und Vereine angehören – vom KoBIZ über die Kreishandwerkerschaft, das Jobcenter und die Diakonie Euskirchen bis hin zur Papstar GmbH. „Für uns ist es ein wichtiger Perspektivwechsel, auch die Arbeitgeberseite kennenzulernen“, betont Boris Brandhoff. Wirtschaftsunternehmen würden sich schließlich ebenfalls mit dem Thema Integration befassen. „Zum Projekt gehört deshalb auch der Aufbau eines Arbeitgeberpools.“

Weitere Projekte geplant

Weitere Unterprojekte, die aus EMMI entstehen sollen, sind online verfügbare mehrsprachige Verständnishilfen, beispielsweise um den Antrag auf Kindergeld selbstständig ausfüllen oder die Besonderheiten eines Mietvertrages verstehen zu können. Auch will man „alternative Kinderbetreuungsangebote“ entwickeln, denn oftmals scheitert Qualifizierung und Weiterbildung an fehlenden Betreuungsangeboten.

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„Eltern aus dem Hellenthaler Raum sind schneller in Belgien als in Euskirchen, was den Integrationsprozess maßgeblich beeinflusst“, so Judith Raß. „Wenn der Kita-Platz vier Dörfer weit weg ist, wird es ohne eigenes Auto kaum möglich sein, um 9.30 Uhr beim Sprachkursus in der Kreisstadt zu sitzen“, ergänzt Brandhoff.

Als mögliches Mikro-Projekt im Rahmen von EMMI kann sich das Team vorstellen, beispielsweise Tagesmütter-Qualifizierungskurse mit Sprachförderanteilen zu verbinden.

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