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FlutSven Wolfs Besuch im Kreis Euskirchen gegen die Katastrophen-Amnesie

Lesezeit 4 Minuten
Sven Wolf hört in Kreuzweingarten einem Mann zu, der von den Geschehnissen während der Flut berichtet.

Viele der Anwohner klagten im Gespräch mit Sven Wolf über ihre akuten Probleme. Denn auch mehr als eineinhalb Jahre nach der Katastrophe kämpfen viele Betroffene mit Versicherungen, behördlichen Anträgen und Baustellen.

Sven Wolf (SPD), Vorsitzender des NRW-Untersuchungsausschusses zur Hochwasserkatastrophe, besuchte drei Orte im Kreis Euskirchen. In Gemünd, Kreuzweingarten und Metternich sprach mit Betroffenen der Flut. 

Mit der Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Flutkatastrophe in NRW hatte der Besuch des Vorsitzenden Sven Wolf (SPD) im Kreis Euskirchen nur am Rande zu tun. Dennoch seien die Schilderungen der Augenzeugen, Opfer und Helfer in Gemünd, Kreuzweingarten und Metternich für ihn Eindrücke, die er als wichtig bezeichne, um zum einen nicht zu vergessen, was passiert ist, und zum anderen Erkenntnisse zu gewinnen, die etwa in Bezug auf Präventionsmaßnahmen Einzug in den Abschlussbericht finden können, der im Sommer vorgelegt werden soll.

Dennoch: Außer zuhören und Notizen machen konnte Wolf nicht viel tun. Konkrete Zusagen zu Hilfen oder Verfahren fallen nicht in sein Ressort.

Gemünder erzählen Sven Wolf, wo sie der Schuh drückt

Als unermüdliche Helfer sind Sabine und Hans Mießeler seit der Flut in Gemünd unterwegs. Sie und Betroffene wie etwa Ursula Lorbach oder Manfred Pesch, Besitzer des Hotels Friedrichs, wissen genau, wo der Schuh drückt. Sie schilderten dem Gast aus Düsseldorf und dem SPD-Kreisvorsitzenden Thilo Waasem, warum der Wiederaufbau nicht recht vorangeht oder welche Schwierigkeiten es zuweilen wahlweise mit den Versicherungen oder den Belegeinreichungen zu den Wiederaufbauhilfen gibt.

Obwohl er sich gut versichert wähnte, ist Hotelbesitzer Pesch ernüchtert – und ratlos. Er vermisst eine klare Ansage seitens der Stadt, wann der Terrassenbereich am Zusammenfluss von Urft und Olef wieder aufgebaut wird, das sei ja die Basis für die Arbeiten am Hotel. Und für die wartet er weiterhin auf Zusagen der Versicherungen.

Selbst wenn alles in trockenen Tüchern ist, muss Pesch mit anderthalb bis zwei Jahren Bauzeit rechnen, ehe das Traditionshotel wieder Gäste beherbergen kann. Die aufmunternden Worte Wolfs, dass er ihm Bescheid sagen solle, wenn das Hotel wiedereröffnet wird, waren da kein Trost. Doch Zeit für tiefergehende Gespräche oder um sich ein genaues Bild von der Lage in Gemünd zu machen, hatte Wolf nicht. Er musste weiter.

Auf Garagendach in Kreuzweingarten die Flut überlebt

Nadine Hilger-Lott konnte Wolf die Eindrücke der Flutnacht auch nach eineinhalb Jahren noch genau schildern. Sie und ihr Ehemann haben während der Flut auf ihrem Garagendach in der Josef-Gebertz-Straße übernachtet. Immer wieder hätten sie versucht, auf sich aufmerksam zu machen. Gerettet habe sie keiner.

„Einmal standen die Einsatzkräfte vorne an der Straße“, erinnerte sie sich: „Nach zehn Minuten mussten die wieder wegfahren.“ Ob die Einsatzkräfte überhaupt zu ihnen hätten vordringen können, sei fraglich – da waren sich die Anwohner der Straße einig. Aber das sei der Knackpunkt, ist Hilger-Lott überzeugt: „Es muss möglich sein, dass wir früher gewarnt werden in solchen Fällen.“

Solche Anregungen seien wichtig, sagte Wolf in Kreuzweingarten. „Das ist für uns im Untersuchungsausschuss eine wirklich große Aufgabe, die in der letzten Wahlperiode bereits begonnen wurde. Wir haben uns am Anfang der neuen Wahlperiode darauf verständigt, dass wir diesen Untersuchungsausschuss fortsetzen und auch zu einem Abschluss bringen wollen.“

Zuhören und über die aktuellen Befunde des Ausschusses informieren – das war die Devise an diesem Tag. Dass Wolf ausgerechnet jetzt in den Kreis reiste, wo der Untersuchungsausschuss doch bereits seit der vorigen Wahlperiode besteht, habe einen Grund: „Als ich den Ausschuss übernommen habe, haben wir gesagt, wir wollen noch einmal den Blick auf die lenken, die in der Öffentlichkeit nicht so viel Beachtung erfahren haben.“

In Metternich gibt es noch sehr viele Flut-Baustellen

Auch die Vereinsgründer von „Metternich Hilft“ waren sich einig: Wenn sich eine Katastrophe wie die des 14. Julis wiederholen sollte, dann müssen Anwohner früher gewarnt werden. „Aber was für uns gerade ganz konkret wichtig ist, ist der Kampf gegen die Flut-Amnesie“, sagte Mitgründer Bernd Giesen. Die Flut dürfe nicht in Vergessenheit geraten, damit die Menschen im Ernstfall sensibilisiert blieben und rechtzeitig reagierten, etwa wenn es einen Alarm gebe.

Nach wie vor finden sich in dem Ort zahlreiche Baustellen an Brücken, Straßen und Privathäusern. Die Situation bleibe für alle Betroffenen belastend, weiß Waasem: „Gerade jetzt, gerade mit all den Krisen, mit den steigenden Kosten, wo vielen erstmals das ganze Ausmaß bewusst wird.“

Der Untersuchungsausschuss wolle zügig Ergebnisse vorlegen, versprach Wolf. Daraus könnten sich aber kaum mehr als Handlungsempfehlungen ergeben – und bis dahin bleibe ihm nur, weiter hartnäckig zuzuhören.

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