KammermusikGeiger Christian Tetzlaff übernimmt die Leitung der „Spannungen“ in Heimbach

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Blick in den ausverkauften Konzertsaal des Heimbacher Jugendstilkraftwerks. Hinter den Musikern auf der Bühne sind die großen Generatoren zu sehen.

Mit dem Abschlusskonzert endete am Sonntagabend das Festival „Spannungen“. Das letzte Stück des diesjährigen Programms war „Quatour pour la fin du temps“ von Olivier Messiaen mit Christian Tetzlaff, Gustav Rivinius, Kiveli Dörken und Sharon Kam.

Das Musikfestival Spannungen in Heimbach endete mit einem fulminanten Konzert und der Entscheidung über die Nachfolge des Gründers Lars Vogt. 

Der Blick in die Zukunft geschah am Anfang vom Ende. Direkt an den Beginn des Abschlusskonzerts der diesjährigen Ausgabe des Kammermusikfestivals „Spannungen“, das am Sonntagabend im Jugendstilkraftwerk in Heimbach stattfand, hatten die Organisatoren die Verkündung der wichtigen Nachricht gestellt, wie es denn mit der künstlerischen Leitung der Veranstaltungsreihe weitergehen solle.

Dr. Hans-Joachim Güttler, Vorsitzender des Arbeitskreises „Spannungen“, präsentierte den Geiger Christian Tetzlaff, langjähriger Weggefährte des im September verstorbenen Pianisten Lars Vogt, der nun diese Aufgabe übernehmen wird.

Christian Tetzlaff bei seiner Darbietung als Geiger im Abschlusskonzert.

Neuer künstlerischer Leiter der „Spannungen“ ist der weltbekannte Geiger Christian Tetzlaff.

Eine ebenso spektakuläre wie nahe liegende Lösung für das Problem, eine Nachfolge für den Gründer und langjährigen Spiritus Rector des Festivals zu finden. Denn Tetzlaff ist nicht irgendjemand. Viele Kritiker bezeichnen ihn als einen der besten Violinisten unserer Zeit, womit er fraglos eine gewichtige und einflussreiche Stimme in der Klassikwelt darstellt. Darüber hinaus ist er ein langjähriger Freund und Weggefährte von Vogt und von Anbeginn an stets bei den „Spannungen“ mit dabei.

Damit ist das Trio aus Antje Weithaas, Barbara Buntrock und Sharon Kam, das in diesem Jahr die künstlerische Leitung übernommen hatte, nicht länger verantwortlich. Schließlich hätten zwei der drei Frauen bereits im Vorfeld gesagt, dass sie für die Aufgabe nicht weiter zur Verfügung stünden, betonte Produzent Dr. Andreas von Imhoff. „Der zeitliche Aufwand ist neben Professur und Konzerten einfach zu hoch“, sagte er.

Uraufführung der letzten Komposition, die an Lars Vogt erinnert 

„Die Schuhe sind groß“, stellte Tetzlaff fest. Lars Vogt sei sehr vielseitig gewesen, da habe es wild zugehen dürfen, es habe getrauert werden dürfen. Der Verlust, den alle verspürten, sei enorm.

Trotz seines bekannten Namens zeigte Tetzlaff sich bescheiden. „So, wie das Festival in diesem Jahr gelaufen ist, kann ich es nur etwas schlechter machen“, lobte er die diesjährigen „Spannungen“. Er habe bei Lars Vogt gemerkt, dass er wollte, dass es weitergehe. Die Gemeinschaft der Musiker, die an dem Festival teilnehmen würden, sei wie eine Familie und eine eingeschworene Gemeinschaft. „Das ist Lars’ Vermächtnis, das ist wie ein weiteres Kind von ihm“, sagte Tetzlaff.

Die drei Organisatorinnen.

Verabschiedet wurde das diesjährige Leitungstrio: Barbara Buntrock (v.l.), Sharon Kam und Antje Weithaas.

Den Worten ließ Tetzlaff sofort musikalische Taten folgen. Mit der Geigerin Antje Weithaas, die sich auf der Empore positioniert hatte, und der Pianistin Kiveli Dörken spielte er in Uraufführung die letzte der acht Kompositionen, die anlässlich der Erinnerung an Lars Vogts Tod bei acht zeitgenössischen Komponisten in Auftrag gegeben worden waren, „…und wenn wir uns mitten im Leben meinen“ von Jörg Widmann.

Nach einem Gedicht von Rainer Maria Rilke hatte Widmann seine Komposition gestaltet. Zarte Flageoletts kontrastierten mit gebrochenen Klavierakkorden, bis ein versöhnlicher Mittelteil Fröhlichkeit und Harmonie wie die Erinnerung an eine schöne Zeit darstellte. Mit einem harten Klavierakkord endete diese Passage, um in einen gemeinsamen, ergreifenden geigerischen Klagegesang zu münden.

So, wie das Festival in diesem Jahr gelaufen ist, kann ich es nur etwas schlechter machen
Christian Tetzlaff zur Leistung der beteiligten Musiker und des Leitungs-Trios

Nach der Ouvertüre für Streichquintett c-Moll D 8A von Franz Schubert und dem Klaviertrio Nr 2 C-Dur von Johann Brahms folgte als Abschluss ein komplexes und emotionales Stück der Neuen Musik, das „Quatour pour la fin du Temps“, (Quartett für das Ende der Zeit) des französischen Komponisten Olivier Messiaen.

Kaum ein anderes Stück hätte die Trauer um den Gründer und den Blick in die Zukunft besser ausdrücken können als dieses. Denn das „Quatour“ hat eine besondere Geschichte. Messiaen schrieb es 1940/41, als er als Kriegsgefangener im Stalag VIII-A war. Die ungewöhnliche Besetzung aus Geige, Violoncello, Klarinette und Klavier resultierte aus der Tatsache, dass er nur für diese Instrumentierung auch Musiker in dem Lager fand. Noch in dem Lager wurde das Stück im Januar 1941 uraufgeführt.

Nur vier der acht Teile des rund 50 Minuten dauernden Stückes sind tatsächlich als Quartett geschrieben, eines davon mit fulminanten Unisonopassagen. Neben einem Klarinettensolo, in dem Sharon Kam wie aus dem Nichts in langen Crescendi Töne entstehen ließ, um sie wieder in der Unendlichkeit verschwinden zu lassen, spielte Cellist Gustav Rivinius mit der Pianistin Kiveli Dörken genauso ein Duett wie auch ein Trio mit Kam und Tetzlaff.

Den berührenden und zärtlich trauernden Schlusssatz „Louange à l’immortalité de Jésus“ spielte Tetzlaff mit leisen, getragenen Tönen im Duett mit Dörken. Mittlerweile lauschte das Publikum fasziniert, kein Geräusch war mehr zu hören. Auch hatten die Menschen, die sich den ganzen Abend lang wegen der Wärme mit dem Programm oder wohlweislich mitgebrachten Fächern Luft zugewedelt hatten, die Hände in den Schoß sinken lassen und hörten nur noch gebannt zu.

Nach den letzten leisen Tönen auf der Geige herrschte lange Stille, bevor ein nicht enden wollender Applaus ertönte.


Positive Schlussbilanz der Heimbacher „Spannungen“ 2023

„Es hätte nicht besser laufen können“, zog Produzent Dr. Andreas von Imhoff eine Bilanz der letzten zehn Tage „Spannungen“. Der Publikumszuspruch sei besser gewesen als erwartet. Es sei eine Auslastung von bis zu 93 Prozent erreicht worden.

Unter den 19 Musikern habe eine extreme Harmonie geherrscht. „Die Trauer um Lars Vogt war vor allem bei den Künstlern präsent, das Publikum kam wegen der Musik und der Halle“, so von Imhoff.

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