Schwule betroffenWarum es beim Blutspenden im Kreis Euskirchen zur Diskriminierung kommt

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Ein Mann mit Narrenkappe lässt sich Blut abnehmen.

Viele Jecke, wie hier in Kommern, spendeten in dieser Session wieder Blut. Dennoch fehlen nach Angaben des DRK an allen Ecken und Ecken die Blutkonserven.

Blutreserven werden knapp - auch im Kreis Euskirchen. Unter homosexuellen Männer gibt es nach Angaben des Leiters des Kreis-Gesundheitamtes viel Potenzial. 

Das Blut wird knapp. Und das nicht nur im Kreis Euskirchen, sondern bundesweit. Besonders hart trifft es dabei den Blutspendedienst West des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), der rund 25 Prozent aller Kliniken in Deutschland mit Blutpräparaten versorgt.

Aktuell werde weniger Blut gespendet, als eigentlich benötigt werde, sagt Rolf Klöcker, Geschäftsführer des DRK-Kreisverbands: „Im letzten Jahr hatten wir im Kreis einen Rückgang von 5,9 Prozent zu verzeichnen.“

Die Gründe hierfür seien vielfältig, erklärt Klöcker. Zum einen seien coronabedingt viele Blutspendetermine weggefallen. Erschwerend hinzu gekommen seien die Krankheitswellen – Corona, Grippe und andere Atemwegserkrankungen –, die vor allem rund um den Jahreswechsel zusätzlich ins Kontor schlugen.

Ältere Menschen gehören im Kreis Euskirchen zu den regelmäßigen Blutspendern

Regelmäßig Blut spenden oft ältere Menschen, sagt Klöcker. Viele seien Stammspender. Unter ihnen gebe es einige Vielspender, die schon bis zu 150 mal an der Nadel gesessen haben. Neuspender gebe es hingegen deutlich weniger. So könnten Ausfälle der Stammspender nicht so leicht kompensiert werden.

Es sei schwierig, jüngere Menschen dazu zu bewegen, ihr Blut zu spenden. Viele junge Menschen haben ihm, so Klöcker, berichtet, dass sie eigentlich gern spenden würden, es aber trotzdem nie tun. Warum das so sei, das wüssten sie selbst nicht so genau. Dabei wäre gerade das Blut der jüngeren Menschen für Spenden geeignet, sagt Christian Ramolla, Leiter des Gesundheitsamts im Kreis Euskirchen. Man müsse eigentlich gerade diese Gruppe medial mehr ansprechen.

Richtlinien wirken, als seien sie in der Zeit stehengeblieben

In den „Richtlinien zur Hämotherapie“ hat die Bundesärztekammer festgelegt, wer zur Blutspende zugelassen wird. Die Kriterien für einen Ausschluss sind vielfältig. Dauerhaft ausgeschlossen werden Personen mit schweren Herz- und Gefäßkrankheiten, Blutgerinnungsstörungen, HIV oder Syphilis.

Doch auch nach abgeheilten Infektionen wie Toxoplasmose, Hepatitis A oder fieberhaften Erkrankungen mit unklarer Ursache können Personen für eine bestimmte Zeit von einer Spende ausgeschlossen werden.

Frauen und Männer, die ihren Geschlechtspartner oft wechseln, gehören zur Risikogruppe

Allerdings werden nicht nur Menschen mit einer akuten und nachweisbaren Erkrankung von diesen Regularien erfasst. Auch Risikogruppen werden aufgeführt. Also Gruppierungen, die aufgrund ihres Sexualverhaltens besonders empfänglich für einige sexuell übertragbare Krankheiten wie HIV seien.

Risikogruppen sind nach diesen Richtlinien Männer und Frauen mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern, Sexarbeiter, Transpersonen mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern oder Männer, die Sex mit Männern haben („MSM“) – mit einem neuen oder mehr als einem Sexualpartner. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe kann einen viermonatigen Ausschluss von der Spende bedeuten.

Chef des Kreis-Gesundheitsamts kann Ausschlusskriterien nachvollziehen

In seiner Rolle als Gesundheitsamtsleiter, sagt Ramolla, könne er diese Ausschlusskriterien zum Teil gut nachvollziehen. Immerhin sei es tatsächlich so, dass Menschen, die sich mit HIV infizierten, häufig Männer seien, die Sex mit Männern haben. Insofern sei die Vorsichtsmaßnahme verständlich.

„Aber diese Medaille hat zwei Seiten“, sagt er. Als Privatperson finde er die Richtlinien problematisch. Weil den aufgeführten Personengruppen immer noch unterstellt werde, per se ein Risiko zu sein. Dabei scheine die grundsätzliche sexuelle Orientierung eine größere Rolle zu spielen als die tatsächliche sexuelle Aktivität.

HIV nach drei Monaten im Blut nachweisbar

Der Faktor des ungeschützten Geschlechtsverkehrs spielt laut Ramolla für eine Infektion eine weitaus größere Rolle als die sexuelle Orientierung. Es brauche dann keine Unterscheidung mehr in Männer und Frauen, Transpersonen und MSM.

Zudem halte er den viermonatigen Spendeausschluss für ungerechtfertigt: „Vor allem, da wir in der Lage sind, HIV drei Monate nach der Infektion im Blut nachzuweisen. Der Spendenausschluss dauert also immer noch einen Monat länger als er unbedingt dauern müsste.“

Ramolla fordert mehr Sensibilität

Es sei eine Frage der Angemessenheit, sagt Ramolla. Er fordert mehr Sensibilität in der Erstellung der Richtlinien. Soziale und gesundheitliche Aspekte seien aufeinander abzustimmen und kategorische verbale Ausgrenzung grundsätzlich zu vermeiden. Es sei einfach nicht richtig, Menschen, die sich korrekt verhalten, den Spaß am Sex zu zu nehmen: „Stattdessen sollten wir zu einer gesunden, verantwortungsvollen und geschützten Sexualität beisteuern.“

Aber Ramolla sagt auch, dass er sich grundsätzlich freut über die neuen Regelungen in den Richtlinien der Hämotherapie, die die Bundesärztekammer 2021 veröffentlicht hat – auch wenn er an einigen Stellen noch Verbesserungsbedarf sieht. Denn bis die Richtlinien geändert wurden, war es ein weiter Weg.

Homosexualität hatte medizinische Konsequenzen

Seit der großen HIV-Welle in den 1980er Jahren wurde MSM mit einem besonderen HIV-Risiko in Verbindung gebracht. Das habe lange nicht nur soziale, sondern auch medizinische Konsequenzen gehabt, sagt Ramolla.

So habe bis vor kurzem noch ein Spenderorgan eines homosexuellen Mannes nur in einen homosexuellen Patienten transplantiert werden dürfen. Zeitgemäß und auf dem Stand der Forschung sei das längst nicht mehr gewesen.

Aber es habe sich viel getan. „Als ich geboren wurde, war Homosexualität noch als Krankheit klassifiziert und verboten“, sagt Ramolla: „Das schwule Leben hat immer für eine gewisse Distanzbildung gesorgt.“ Deswegen sei es gut, dass diese Distanzen sich langsam abbauen – im sozialen wie im medizinischen Bereich.

Karl Lauterbach: Blutspenden darf keine Sache der sexuellen Orientierung sein

Einen Schritt weiter geht die Bundesregierung. Zum 1. April soll eine Gesetzesänderung in Kraft treten, die die Bundesärztekammer verpflichtet, ihre diskriminierenden Richtlinien innerhalb von vier Monaten anzupassen.

Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach teilte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland mit, dass Blutspenden eine Frage des Risikoverhaltens sei – und nicht eine der sexuellen Orientierung. Versteckte Diskriminierung dürfe es auch in diesem Bereich nicht mehr geben. Was im gesellschaftlichen Leben längst Konsens sei, müsse auch in die Richtlinien zur Blutspende Einzug halten.

Ramolla wünscht sich ein Zugehen auf die homosexuelle Gemeinschaft. Als die Richtlinien 2021 geändert wurden und homo- und bisexuelle Männer erstmalig Blut spenden durften, habe das einen riesigen Anklang gefunden. Deutschlandweit haben Menschen das neue Recht gefeiert. Ramolla sieht hier ein großes Potenzial: Viele schwule Männer seien hilfsbereit, empathisch und blutspendewillig.

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