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FachkräftemangelFür Erzieherinnen fehlt es im Kreis Euskirchen an Ausbildungsplätzen

6 min
Das Bild zeigt ein Kindergartenkind, das sich auf einer Bank in der Kita die Schuhe anziehen will.

Längst nicht jeder Träger bildet Erzieherinnen selbst aus. Oft ist es eine Frage des Geldes.

Im Kita- und OGS-Bereich gibt es auch im Kreis Euskirchen Fachkräftemangel – und gleichzeitig zu wenige Ausbildungsplätze.

Die Kitas ächzen unter dem Personalmangel. Einer Studie des Paritätischen Gesamtverbands zufolge fehlen durchschnittlich mehr als zwei Fachkräfte pro Einrichtung. Das führt zu hoher Arbeitsbelastung bei den Beschäftigten – und auch die Kinder sind die Leidtragenden. Beim   Personal kommt es zu Überstunden und einer zunehmenden Überlastung der vorhandenen Mitarbeiter. Die Kinder haben das Nachsehen, weil Aktivitäten und Förderungen eingeschränkt werden.

Im Kreis Euskirchen ist die Lage nicht ganz so dramatisch, aber auch in den elf Kommunen sind vielerorts Stellen frei – aktuell beispielsweise in Zülpich. Dort ist die Stadt Trägerin von sieben Einrichtungen. „Die Stellenausschreibungen werden nach dem Bekanntwerden des Freiwerdens der Stellen unverzüglich am Markt platziert. Bisher konnten die offenen Stellen auch immer neu besetzt werden“, berichtet Michael Höhn, Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters.

Kommunen wie Zülpich und Nettersheim bilden Erzieherinnen selbst aus

Die Stadt bietet nach Angaben von Höhn seit Jahren in den Modellen der PIA (Praxis-integrierte Ausbildung zur Erzieherin oder zur Kinderpflegerin) und BP (Berufspraktikum) Ausbildungsmöglichkeiten an. „Aktuell werden in den städtischen Kitas zehn Kräfte ausgebildet“, berichtet Höhn.

Auch in Nettersheim werden derzeit drei Erzieherinnen ausgebildet. Zudem beschäftigt die Gemeinde eine Berufspraktikantin im Anerkennungsjahr in der Offenen Ganztagsschule im Grundschulverbund Nettersheim. „Im kommenden Kindergartenjahr wird sich die Anzahl der PIA-Kräfte in gemeindlichen Tageseinrichtungen auf vier junge Kräfte belaufen“, sagt Daniela Glehn, Fachbereichsleitung in der Gemeinde. Die Kommune betreibt fünf mehrgruppige Kitas – drei in Nettersheim, eine in Tondorf und eine Zingsheim.

25 potenziellen Erzieherinnen fehlt noch ein Ausbildungsplatz

Klaus Drotbohm, Leiter des St.-Nikolaus-Stifts in Füssenich, weiß aus seinem Alltag als Chef eines Berufskollegs, dass das Vorgehen Nettersheims und Zülpichs nicht längst überall üblich ist. Im vergangenen Jahr laut Drotbohm in Füssenich zwei Klassen mit jeweils 25 PIAs in die Ausbildung starten können. Tatsächlich sei es nur eine geworden, weil die Hälfte der jungen Erwachsenen keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, so Drotbohm.

„Viele kleinere Träger, wie Elterninitiativen, können sich eine Ausbildung oft nicht leisten“, berichtet Drotbohm: „Das ist schlimm für die jungen Menschen. Die wollen Erzieher werden, bringen die Voraussetzungen mit und können dann nicht, weil sie keinen Ausbildungsplatz finden. Die Leute sind weg, die suchen sich etwas anders. So viel zum Fachkräftemangel. Es ist ein Ausbildungsplatzmangel.“

Kurz vor den Sommerferien haben 30 junge Menschen keinen Ausbildungsvertrag erhalten.
Klaus Drotbohm, Leiter des St.-Nikolaus-Stift in Füssenich

Mit 25 Erzieherinnen und Erziehern könne man langfristig eine dreigruppige Kita aufmachen, so Drotbohm. Fürs kommende Kita-Jahr, das in wenigen Wochen startet, sieht es nicht besser aus – im Gegenteil. „Kurz vor den Sommerferien haben 30 junge Menschen keinen Ausbildungsvertrag erhalten. Der ist aber zwingend nötig, weil es ja eine praxisintegrierte Ausbildung ist“, so Drotbohm.

Bleibt die andere Ausbildungsvariante, die vor der PIA-Einführung die übliche und einzige war. Bei der wird ausschließlich die Schulbank gedrückt, bevor es in ein Anerkennungsjahr geht. „Wir versuchen, den einen oder anderen   für die klassische Ausbildung zu gewinnen“, sagt Drotbohm. Das jedoch sei mittlerweile meist vergebene Liebesmüh, weil in dieser Form der Ausbildung kein Gehalt gezahlt werde – im Gegensatz zur PIA.

Der Bedarf an Erzieherinnen ist im Kreis Euskirchen deutlich gestiegen

„Zur politischen Wahrheit gehört aber auch, dass der Bedarf an Erziehern viel größer ist als noch vor einigen Jahren. Klar, dass da schon mal mehr fehlt und man von einem Fachkräftemangel spricht“, sagt der Leiter des St.-Nikolaus-Stifts.

Am Thomas-Eßer-Berufskolleg in Euskirchen ist die Situation nicht viel besser als in Füssenich, aber dort werden immerhin zwei PIA-Klassen an den Start gehen. Zudem wird eine klassische Ausbildungsklasse gebildet, heißt es von der Kreisverwaltung. Allerdings sind die Klassen kleiner als am Nikolausstift. Laut Kreis werden in den beiden PIA-Klassen im kommenden Jahr 26 Schülerinnen und Schüler unterrichtet, laufenden Jahr sind es 28.

Am Berufskolleg Eifel in Kall sollte bereits im vergangenen Jahr eine Klasse für angehende Erzieherinnen und Erziehern starten. Das klappte nicht – der Grund: mangelndes Interesse. Auch in diesem Jahr kommt keine Klasse zustande. Damit wird dieses Vorhaben laut Kreisverwaltung ad acta gelegt.

Fachkräftemangel auf dem Land noch nicht so ausgeprägt wie in der Stadt

„Der Kreis Euskirchen bewertet ein ortsnahes und umfangreiches Angebot von Ausbildungsplätzen für die Berufsgruppen der Erzieher sowie der Kinderpflege für jungen Menschen sehr hoch“, sagt Kreis-Sprecher Wolfgang Andres. Gerade vor dem Hintergrund des Demografischen Wandels sei es erforderlich, dem drohenden Fachkräftemangel frühzeitig entgegenzuwirken – auch wenn der   in sozialen Berufen im Kreis noch nicht so ausgeprägt sei wie beispielsweise im großstädtischen Bereich.

„Ergänzend wäre es aus Sicht des Kreises wünschenswert, dass seitens der Landesregierung ein höherer Finanzbeitrag zur Ausbildung in Erziehungsberufen geleistet wird, damit Träger von Kindertageseinrichtungen in die Lage versetzt werden, mehr Ausbildungsstellen anbieten zu können“, so Andres.

Wir haben die Nachwuchsförderung bisher nicht nur als unsere Verpflichtung in diesem Bereich gesehen, sondern auch stets als Gewinn für das Miteinander des Personals und im Umgang mit den Kindern.
Daniela Glehn, Gemeinde Nettersheim

Zurück nach Nettersheim: „Seit Jahren ermöglicht die Gemeinde als Kita-Träger jungen Menschen die Erzieherausbildung und hat auch regelmäßig Plätze für Berufspraktikantinnen zur Verfügung gestellt“, so Glehn. Viele dieser jungen Kräfte habe man halten können. „Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und eines sich auch im ländlichen Raum stark gewandelten Betreuungsbedarfs sieht sich die Gemeinde als öffentlicher Träger in einer besonderen Verpflichtung“, so die Fachbereichsleiterin: „Wir haben die Nachwuchsförderung bisher nicht nur als unsere Verpflichtung in diesem Bereich gesehen, sondern auch stets als Gewinn für das Miteinander des Personals und im Umgang mit den Kindern.“

Der größte Kita-Träger im Kreis Euskirchen ist das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Nach Angaben von Kreis-Geschäftsführer Rolf Klöcker wird das DRK zum 1. August 40 neue Azubis im Kita-Bereich haben. Dazu gehören neun Kinderpfleger, die ebenfalls praxisintegriert ausgebildet werden. Sieben Berufspraktikanten starten nach der klassischen, unbezahlten Ausbildung nun in ihr Anerkennungsjahr. Die Möglichkeit der praxisintegrierten Ausbildung habe dem Fachkräftemangel bei den Erzieherinnen stark entgegengewirkt, so Klöcker.

Auch die Aufstockung des Gehalts habe dem Fachkräftemangel ein wenig den Wind aus den Segeln genommen. „Eine Ausbildung kostet aber viel Geld, das nicht eins zu eins refinanziert wird. Das ist für kleinere Träger oft ein Problem“, so Klöcker. Zudem müsse es das Personal in einer Einrichtung hergeben, dass   die Ausbildung durchgeführt werden könne. Auch das könne nicht jeder Träger in Kita-Alltag integrieren. Aber man dürfe sich nicht über Fachkräftemangel wundern, wenn man nicht selbst ausbilde. Er habe aber Verständnis dafür, dass kleinere Träger personell und finanziell schon mal an ihre Grenzen kommen.


In zehn Monaten zur Erzieherin

Elf Frauen dürfen sich nun examinierte Kinderpflegerinnen nennen. Sie haben beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in dessen Zentrum hinter dem Kreishaus einen zehnmonatigen Kurs samt externer Prüfung absolviert. Die Kita-Mitarbeiterinnen, die bisher als Unterstützungskräfte oder Helferinnen eingesetzt waren, freuten sich, nun von Verantwortlichen der DRK-Bildungsakademie, Daniel Larres und Heike Iven, ihre Zeugnisse zu erhalten.

Das Bild zeigt die elf neuen Erzieherinnen mit ihren Ausbildern.

Die elf Frauen, die neben Job und Alltag ihr Examen abgelegt haben, posierten mit Daniel Larres, Maria Ben Jannet und Heike Iven (links, hintereinander) im Treppenhaus der DRK-Bildungsakademie in Euskirchen.

Ausbilderin Maria Ben Jannet erhielt als Dank für ihre Mühen eine neue Einkaufstasche – bestickt mit der Aufschrift „Dozentin mit Herz“. „Wer mit Kindern arbeitet, der braucht manchmal Superkräfte, die haben sie hier auf jeden Fall bewiesen“, wird die Dozentin in einer Mitteilung des DRK zitiert. Wer mit dem Gedanken an eine Weiterbildung zur Examinierten Kinderpflegerin liebäugelt, muss laut Heike Iven einige Voraussetzungen für die Zulassung erfüllen: Eine ist, dass man als Kitakraft bereits 3500 Stunden in einer Einrichtung tätig war.