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Mit Akkuschrauber gedrohtRäuber-Trio wird nach Überfall auf Zülpicher Seniorin verurteilt

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Aufnahme des Bonner Landgerichts aus der Froschperspektive.

Das Landgericht in Bonn verkündete die Urteile für die drei Angeklagten. Gegen einen vierten Verdächtigen wird noch ermittelt. (Symbolbild)

Ein 19-Jähriger gab sich als Lockvogel aus, damit zwei Männer eine 73-Jährige bestehlen konnten. Die Seniorin ist bis heute traumatisiert.

Ein Mechernicher Ein-Euro-Jobber musste zu dem Überfall auf eine Frau in Zülpich überredet werden, denn die beiden Einbrecher benötigten ihn als Lockvogel. Am Freitag bekam der Mitläufer die Quittung für die brutale Tat: Er wurde mit zwei weiteren Angeklagten am Landgericht Bonn verurteilt.

Die Staatsanwaltschaft Bonn hatte den drei Männern aus dem Kreis Euskirchen im Alter von 19, 28 und 34 Jahren erpresserischen Menschenraub, Raub, Körperverletzung, Einbrüche, Diebstähle und Verkehrsvergehen vorgeworfen. Die 2. Große Strafkammer des Bonner Landgerichts verurteilte den 19-Jährigen zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten, den 28-Jährigen zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren und den 34-Jährigen zu siebeneinhalb Jahren Haft.

Nicht auf der Anklagebank saß der Vierte im Bunde, gegen den noch ermittelt wird. Der Mann war aus Frankreich in die Eifel gekommen, weil ihm im Nachbarland wegen seiner Taten der Boden zu heiß unter den Füßen geworden war. Er mietete sich bei dem 34-jährigen Vater dreier Kinder ein mit der klaren Ansage, er wolle im Kreis auf Einbruchstour gehen. Die Wohnung des 34-Jährigen wurde sein Stützpunkt und auch Depot für seine Beute.

19-jähriger Mechernicher spielte den Lockvogel bei Überfall

Die Zusammenarbeit des Frankreich-Heimkehrers und des Ältesten aus dem Trio, der finanziell auf dem letzten Loch pfiff, begann am 11. September 2024 mit dem Einbruch in die Wohnung einer 73-Jährigen in Zülpich. Die Männer wussten, dass sie sich auswärts auf der Geburtstagsfeier ihrer Tochter befand. Also stiegen sie zwischen 16.30 Uhr und 23 Uhr durchs Kellerfenster ein und stahlen 81.000 Euro in bar und Schmuck im Wert von 1100 Euro.

Zehn Tage später, am 22. September, kamen sie wieder, diesmal in Begleitung des 19-Jährigen. Er wurde vorgeschickt, weil er die Rentnerin kannte. Denn deren Tochter war seine Lehrerin. Also klingelte er nachts gegen 1 Uhr bei ihr und bat um 10 Euro für ein Taxi. Die freundliche Hausbewohnerin schloss erstmal die Tür und suchte das Geld. Als sie wieder öffnete, wurde sie von drei Vermummten zu Boden geworfen. Dann stülpten die Täter ihr eine Stoffhaube über den Kopf und schleppten sie ins Schlafzimmer, wo sie den Tresor aufschließen sollte.

73-jährige Zülpicherin mit Akkuschrauber bedroht

Die Frau war aber so schockiert, dass sie zwar die zwei Schlüssel für den Safe fand, aber sich nicht mehr an die Zahlenkombination erinnern konnte. Die folgende Stunde muss für die 73-Jährige ein Martyrium gewesen sein. Sie wurde verbal und auch mit Werkzeugen, darunter ein Akkuschrauber, bedroht, den sie für eine Pistole hielt. Der Jüngste der Eindringlinge hatte deshalb Mitleid mit der Witwe. Er gab sich zu erkennen, log ihr jedoch vor, er mache bei dem Überfall nur mit, weil die beiden anderen seine Freundin in ihrer Gewalt hätten. Dann soll er die Rentnerin getröstet haben.

Als der Geldschrank schließlich offen war, raubten die Männer Wertsachen für mehr als 22.000 Euro. Bevor sie gingen, stellten sie Stühle als Hindernisse in den Hausflur, damit die Mieterin, die auf einen Rollator angewiesen ist, ihnen nicht folgen konnte. Es gelang ihr schließlich, den Hauseigentümer zu informieren, der die Polizei rief.

Die Witwe, die ihren Mann ein Jahr vor der Tat verloren hat, ist bis heute schwer traumatisiert. Sie plagen Alpträume, Schlaflosigkeit und Ängste. Ein schwacher Trost sind die 5000 Euro Schmerzensgeld, das ihr der 34-Jährige zahlte.

Taxifahrer soll Insiderwissen missbraucht haben

Der 28-jährige Mitangeklagte arbeitete als Taxifahrer und nutzte im Oktober/November 2024 sein Insiderwissen, um den Ältesten der Angeklagten zu informieren, wenn er Hausbewohner zum Flughafen Köln/Bonn gefahren hatte, damit der Freund deren Abwesenheit für Einbrüche nutzen konnte.

Dreimal zogen er und der Kumpel aus Frankreich daraufhin los. Einmal waren sie erfolgreich und stahlen in Weilerswist 10.000 Euro Bargeld und Schmuck im Wert von 1000 Euro. Bei einem Versuch in Rheinbach-Oberdrees gaben sie auf, weil sie kalte Füße bekommen hatten.

Der Tippgeber, der seine Hinweise angeblich aus reiner Freundschaft gegeben hatte, flog auf, als eine Kundin dem Chef des Taxibetriebs erzählte, bei ihr sei kurz nach der Fahrt zum Airport eingebrochen worden. Der Unternehmer hatte sofort seinen Mitarbeiter in Verdacht und informierte die Polizei. Er legte sofort ein Geständnis ab.

Das muss sich rumsprechen, dass solche Taten unterirdisch sind und entsprechend bestraft werden müssen.
Wolfgang Schmitz-Justen, Kammervorsitzender am Landgericht Bonn

Der Jüngste auf der Anklagebank, Hauptschüler ohne Ausbildung und „mit erheblichem Erziehungsbedarf“, so das Gericht, hatte als Hobby „Autofahren“ angegeben. Dem ging er ausgiebig nach, auch ohne Führerschein. Wiederholt wurde er wegen Raserei erwischt. Einmal verfolgte ihn die Polizei über einen Acker, seine Freundin saß dabei auf dem Beifahrersitz. Das Gericht quittierte dieses Verhalten mit einem neunmonatigen Führerscheinverbot.

Zudem wurde ihm der Diebstahl von 800 Liter Diesel aus einem Lkw im Gewerbegebiet Nettersheim nachgewiesen. Das und die Beteiligung an dem Überfall auf die Rentnerin summierten sich bei dem Heranwachsenden zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten, die er absitzen muss. „Das muss sich rumsprechen, dass solche Taten unterirdisch sind und entsprechend bestraft werden müssen“, sagte Kammervorsitzender Wolfgang Schmitz-Justen. Nur der Ex-Taxifahrer nahm das Urteil sofort an, es ist damit rechtskräftig.